Die Entwicklung von Familiennamen und Spitznamen in Hermsdorf

Teil 1 - Familiennamen
 
Schon die ältesten Aufzeichnungen enthalten kennzeichnende Namen für Personen. Vom Beginn des menschlichen Daseins an verständigten sich Menschen mit Hilfe der Sprache über ihre gesellschaftliche Wirklichkeit und mussten sich dabei mit einbeziehen, indem sie sich einen Namen gaben, der sie als Einzelwesen kennzeichnet, sie individualisiert.

Auf Grund der stetig steigenden Anzahl von Menschen, reichten Rufnamen bald nicht mehr aus. So benutzte man Ergänzungen, die dem Rufnamen nachgestellt wurden. So zum Beispiel: Eigenschaften, Herkunftsbezeichnungen, Bezeichnungen der beruflichen Tätigkeit, wie

  • Karl der Große
  • Hagen von Tronege
  • Giselher der Edle
  • Rumolt der Küchenmeister.

Nach einer umfassenden Kategorisierung der Familiennamen nach ihrer Abstammung, soll im folgenden darauf eingegangen werden, welche Familiennamen im historischen Hermsdorf häufig auftreten.

Daraus resultierend gibt es verschiedene Eigennamen bzw. Spitznamen. Das Ziel dieser Arbeit soll sein, diese im einzelnen zuzuordnen und deren Herkunft zu erläutern.

Viele der zunächst nur gelegentlich für die einzelnen Namenträger verwendeten Beinamen wurden auf Grund gesellschaftlicher Erfordernisse und Bedürfnisse schließlich zu der sprachlichen Erscheinung, die wir heute als Familiennamen bezeichnen.

Ab etwa dem 12./13. Jahrhundert verlangten die Stadtoberhäupter nach der Vergabe eines aus Ruf- und Familiennamen bestehenden Gesamtnamen, um Einwohner besser registrieren zu können.
Eine weitere Ursache für die Verwendung differenzierender Namen dürfte darin zu sehen, dass oftmals innerhalb einer Familie der Rufname von Generation zu Generation weitergegeben wurde, so dass hier präzisierende Kennzeichnungen notwendig wurden.

Ab dem 14./15. Jahrhundert setzte sich der kontinuierliche Gebrauch des gleichen Bei- bzw. Familiennamens durch.

Ab dem 17. Jahrhundert traten auch namensgesetzliche Maßnahmen der Obrigkeit in Kraft. So wurde 1794 mit dem Allgemeinen Preußischen Landrecht eine wichtige gesetzliche Grundlage für das Recht und die Pflicht zum Tragen des Familiennamens geschaffen. Der Familienname erreichte außerdem eine soziale Wertigkeit, da er das Besitzbürgertum gegenüber den Knechten und Mägden abgrenzte. Diese werden auch in späteren Quellen nur beim Rufnamen genannt. Der Familienname spielt daher, wie in vorangegangenen Zeiten der Beiname in der sozialen Oberschicht, auch eine bewusstseinsbildende Rolle.

Arten von Familiennamen

Wie schon erwähnt, gibt es verschiedene Arten von Familiennamen: Familiennamen, die auf die Herkunft verweisen, Familiennamen aus Rufnamen, aus Übernamen, aus Berufsbezeichnungen.
Dies sind Oberbegriffe, die sich wie folgt aufteilen lassen:

Bei Familiennamen, welche auf die Herkunft verweisen wird unterschieden zwischen Namen nach:

  • der Stammeszugehörigkeit
  • nach einem Land oder nach einer Landschaft zum Beispiel: Beier, Meißner, Preußer, Franke, Westphal
  • nach Ortsnamen: Plötner, Nürnberger, Oldenburg
  • nach Wohnstättenamen: Althaus, Brückner, Lindemann, Amborn
  • aus Berufsbezeichnungen stellen die zahlenmäßig größte Gruppe unserer Familiennamen dar. Die häufigsten deutschen Familiennamen gehören in diese Gruppe, so z.B.: Müller, Schmidt, Meyer, Schneider, Hoffmann, Fischer, Becker, Wagner, Schulz, Bauer, Koch, Zimmermann, Richter u. a.
  • gliedern lässt sich diese große Gruppe der Familiennamen in Namen aus der Forst- und Landwirtschaft bzw. Jagd und Fischerei, in Namen also, die auf das Nahrungsgewerbe verweisen, z.B.: Becker, Pfister, Müller, Fleischer usw.
  • weiterhin gehören in diese Gruppe Namen aus Metallbau und Hüttenwesen, so z.B.: Bergmann, Schmied/Schmidt, Messerschmidt, Schlosser u. a.
  • als weiteres Namen aus der Holzverarbeitung: Böttcher, Wagner, Drechsler, Spindler usw.
  • aus der Lederherstellung und Verarbeitung: Sattler, Schubert, Schuhmacher, Schumann usw.
  • aus Textil- und Bekleidungsgewerbe: Schneider usw.
  • aus dem Baugewerbe: Zimmermann, Meier, Steinmetz u. a.
  • aus Handel und Verkehr: Kramer, Biermann, Kutscher u. a.
  • aus städtischen, kirchlichen und kriegerischen Ämtern: z.B.: Kanzler, Voigts, Schulze, Richter, Schreiber, Schütze usw.
  • aus Rechts- und Besitzverhältnissen: Bürger, Lehmann
  • sowie aus unterhaltenden Berufen wie Spielleute, Gaukler, Musikanten: z.B.: Tümmler, Springer, Peukert, Pfeifer u. a.
  • eine weitere Gruppe der Familiennamen, deren Bildung aus Übernamen heraus erfolgte, wird nochmals unterteilt in Familiennamen nach körperlichen Kennzeichnungen; so z.B.: Breithaupt, Langbein, Krause, Kurze, Schiller, Knoll u. a.
  • und Namen, die auf geistige, charakterliche Eigenschaften hinweisen. z.B.: Frühauf, Hebenstreit, Krieg u. a.
  • eine weitere Gruppe der Familiennamen bilden die Namen, welche auf Alter, Geschlecht oder Abstammung verweisen. z.B.: Jung, Vetters, Oheim u. a.
  • Namen, wie Kaiser, König, Grafe, Ritter etc. verweisen auf weltliche und geistige Würdeträger
  • auch gibt es Namen, die an Tiere oder Pflanzen erinnern, so z.B.: Krebs, Bock, Haase, Vogel, Meißegeier, Blume, Stengel, Pfefferkorn, Hoppe u. a.

Familiennamen, welche aus Übernamen heraus entstanden sind, bilden sozusagen die vielfältigste Gruppe, da hier alle Familiennamen dazugehören, die aus Bezeichnungen heraus entstanden sind, welche den verschiedensten Kategorien entsprechen. So u. a. auch Speisen, Kleidung, Arbeitsmaterialien, Maßeinheiten, Waffen, Zeiteinheiten/-bestimmungen und vereinzelt auch Begriffe aus Religion und Mythologie. Beispiele: Senf, Schönrock, Kupfer, Stahl, Krug, Weiß(p)flog, Harnisch, Schilling, Ungetüm, Rosenkranz, Sonntag, Winter u. a.

Die Vierte Gruppe bilden die Familiennamen, welche aus Rufnamen heraus gebildet wurden. Diese können dadurch entstehen, dass dem Rufnamen einer Person der Rufname einer anderen (verwandten) Person hinzugeführt wurde. z.B.: Gerhard Friedrichs Sohn -Friedrichsen, wobei die Endung -sen / -son oft wegfällt.
Namen wie Henning, Nitzsche u. a. sind ähnlich entstanden, stammen allerdings nicht aus dem deutschen, sondern aus dem slawischen Sprachschatz.

Die häufigsten Familiennamen in Hermsdorf

Nach dem Türkensteuerregister des Amtes Eisenberg von 1547, waren in dieser Zeit folgende Namen in Hermsdorf vorhanden:

Peter Fogel
Lorntz Fogel
Nikel Fischer
Nickel Geyte
Urban Gebler
Hans Gebler
Jobst Harrisch
Nickel Hopf
Maths Hase
Hans Hase
Ulrich Meister Kirchner
Nickel Lonser
Jopst Plotner
Jopst Plotner
Jacof Otto
Hans Riedel
Jopst Riedel
Christofel Riedel
Jopst Winkler

Zehn Jahre später, also 1557, tauchen nach dem Kirchensteuerregister die gleichen Namen auf (gelegentlich kleine Abweichungen in der Schreibweise) obwohl die Anzahl der Einwohner sich vergrößerte.
So gab es 1557 folgende Namen in folgender Anzahl.

3 mal Riedel Fogel
3 mal Plotner
2 mal Harras Schnellhammer Otto
2 mal Wetzel Brombs
4 mal Hopfe, Bauer, Friedrich, Winkler, Gebler, Hoffmann, Pressler.

1568 ist das Türkensteuerregister erstmals alphabetisch geordnet, da die Vielzahl von einzelnen Namen dies verlangte. So gab es 1568 folgende Familiennamen in Hermsdorf:

Blumentritt
Broms
Boehle
Dopfer
Focke,
2 mal Friedrich
3 mal Gebler, Hoffmann
2 mal Harnisch, 2 mal Hase, Hirsch
4 mal Hopf, Lippold, Meussel, Otto
3 mal Plottner, Prosser (*)
3 mal Riedel, Schnellhammer, Staps,
2 mal Vogel (*)
3 mal Wetzel, Winkler

(*) Schreibweisen einzelner Namen variieren von Aufzeichnung zu Aufzeichnung, aufgrund fehlender Rechtschreibungsregeln.

1583 kommen nur vereinzelt neue Familiennamen dazu, es variiert hauptsächlich die Anzahl der bekannten Namen:

2 mal Broms, Baum, Büchner, Friedrich
5 mal Gebler
4 mal Harnisch, Hopf
2 mal Hase, Hoffmann, Kemnitz, Keil, Meussel, Otto, Pohl
5 mal Plothner
3 mal Riedell, Schnellhammer, Staps, Schilling, Voigt
4 mal Wetzel

Das nächste bekannte Steuerregister von 1620 führt folgende Namen auf:

1 mal Beer, Clauder, Deißler
2 mal Harnisch, Hase, Kemnitz, Kreuch, Keiser, Meußel, Rudel (ehem. Riedell), Schuhmann,
Schultheiß, Sturm
3 mal Gebler, Meinhardt, Pohl
4 mal Schneider, Samtrock, Wetzel
8 mal Hopf(e), Plothner, Preßler


1620 besaß Hermsdorf 52 Häuser, in denen 53 Familien wohnten. Allerdings gab es nur 22 verschiedene Familiennamen. Viele Namen traten mehrmals auf. So war z.B. der Name Plothner
8 mal vorhanden und viele andere Namen brachten es auf annähernde Anzahlen.

Anfang des 20. Jahrhunderts, genauer 1912, hat Hermsdorf eine Einwohnerzahl von 3550 Einwohnern, aufgeteilt in 775 Haushaltungen in 420 Wohnhäusern.

Im Adressbuch der Landgemeinden des Herzogtums Sachsen - Altenburg von 1912 sind alle zu der Zeit in Hermsdorf lebenden Familien aufgelistet. Die 1912 am häufigsten in Hermsdorf anzutreffende Familiennamen sind:

 
Adressbuch von 1912
Stand 2003 Einwohneramt
Plötner
48 mal
78 mal
Schilling
27 mal
25 mal
Kraft
22 mal
27 mal
Beyer
23 mal
18 mal
Vogel
16 mal
23 mal
Schröter / Schröder
15 mal
36 mal
Opel
15 mal
24 mal
Geithe
14 mal
  7 mal
Hänseroth
14 mal
11 mal
Hädrich
13 mal
63 mal
Präßler
13 mal
20 mal
Serfling
13 mal
26 mal

Wie oben zu lesen, ist der Name Plötner der wohl am häufigsten auftretende Familienname in Hermsdorf. Aufgrund des Fehlens von Rechtschreiberegeln gibt es diesen Namen in verschiedenen Varianten: Plotner, Plothner, Blothner, Plötner, Plöthner, Plottner u.a.

Laut gängigen Familiennamenbüchern ist der Name Plöthner ein auf die Herkunft verweisender Familienname.

Plothen - Plothener - Plothner - Plöthner - Plötner

Dies trifft aber nur bedingt zu, vielmehr ist Plötner eine, aus der Sprache resultierende Abwandlung von Plottner, einem holzverarbeitendem Beruf, der in etwa mit dem Beruf des Schindelmachers zu vergleichen ist. Dieses Handwerk war traditionell im Holzland und vor allem in Hermsdorf ansässig.

Dies erklärt auch die Vielzahl der Familien mit Namen Plötner in Hermsdorf, die zum großen Teil nicht miteinander verwandt sind. Ein weiteres Argument, welches für diese Annahme spricht, ist die Tatsache, dass der Name Plottner einer der ersten ansässigen Namen in Hermsdorf war (Türkensteuerregister 1547) und einer der wenigen, die sich bis heute erhalten haben und immer noch zahlreich in Hermsdorf vorhanden sind.

So gab es 1938 / 39 = 55 verschiedene Familien mit Namen Plötner in Hermsdorf. Die meisten der Plötner hatten direkt oder indirekt mit der traditionell in Hermsdorf ansässigen Holzverarbeitung zu tun. So arbeiteten viele als Kistenhersteller, Leiternmacher, Tischler, Dachspänemacher, Holzartikelhersteller oder im Sägewerk - zum Teil auch heute noch.