Raubüberfall im Postamt von Klosterlausnitz am 03.12.1927

 

Im Dezember 2003 erhielt der damalige Bürgermeister und heutige Vereinsvorsitzende Gerald Reimann eine Anfrage aus Kanada. Dort wurde nach einem Raubüberfall auf die Post in Klosterlausnitz gefragt. Joachim Seidel und Jens Peter vom Heimatverein erhielten den Auftrag der Sache auf den Grund zu gehen. Beide wurden fündig. Ergänzt wurden die nun vorliegenden Unterlagen 2010 durch Stefan Lechner. Der Überfall war aus dem Gedächtnis der älteren Klosterlausnitzer verdrängt. Die Ereignisse sollen hier, auch über den Überfall von Klosterlausnitz hinaus, wiedergegeben werden. Die Aufzeichnungen stammen überwiegend aus der Presse. Wobei diese im Original, aber die Zeitangaben in heutiger Schreibweise, wiedergegeben wurden.
Ein herzlicher Dank geht an das Stadtarchiv Coburg für die Unterstützung zu den neuen Rechercheergebnissen.

 

Vorab die Kurzfassung der Ereignisse:

 

Bei den Täter handelte es sich um:

  1. Johann Hein * 09.08.1909 Gerresheim (Düsseldorf) † 1933 hingerichtet
  2. Paul Dundlach * Gerresheim (wurde vor Heim verhaftet).
  3. Rudolf Larm (Melker, am 10.01.1928 in Saalfeld verhaftet, in Weimar in Untersuchungshaft).

1927
In Ohligs ( westlichste Stadtteil der nordrhein-westfälischen Großstadt Solingen) erschossen Hein und Larm zwei Postbeamte bei einem Überfall auf das dortige Postamt.

03.12.1927, 17:00 Uhr
Überfall auf die Poststelle in Bad Klosterlausnitz durch drei Täter, von denen einer ein Gewehr, ein zweiter ein Revolver hatten. Es wurde eine Geldkassette mit 2000 RM (dies entspricht heute etwa 8000 Euro) geraubt. Ein Schuss wurde abgefeuert, zum Glück aber niemand verletzt. Die Täter flüchteten.

 
23.12.1927
Die Posträuber schlugen am 23.12.1927 in Ohligs (westlichste Stadtteil der nordrhein-westfälischen Großstadt Solingen) erneut zu.
 

14.01.1928, 17:00 Uhr
Beim Versuch der Verhaftung des Straftäters Hein in Jena erschoss dieser den Kriminalwachtmeister Heß mit fünf Schüssen, wobei ein Bauchschuss tödlich war. Kriminalwachtmeister Schumann wurde durch Schussverletzungen in Brust, Arm und Bein lebensgefährlich verletzt. Hein selbst flüchtete.

31.01.1928, mittags
Erneuter Versuch der Verhaftung des Straftäters Hein in Plauen (Vogtland). Trotz bekannter Brutalität des Täters gingen die Kriminalisten vor wie bei einem Ladendieb. Hein erschoss den Kriminalbeamten Max Schmidt durch einen Brustschuss. Der Gendarmeriewachtmeister Endlich aus Rodewisch wurde durch einen Bauchschuss lebensgefährlich verletzt. Trotzdem das Haus umstellt war gelang Hein die Flucht.

02.02.1928, 09:00 Uhr
Hein erschoss den Stationskommandant Scheler in Untersiemau, als dieser ihn kontrollieren wollte. Er wurde von  dem Gendarmen Schmidt verfolgt, an der Hand durch einen Schuss verletzt, konnte aber wieder entkommen.

04.02.1928, 09:30 Uhr
Hein wurde in Weingarten bei Lichtenfels verhaftet. Er hatte keine Munition mehr und hatte sich widerstandslos ergeben.

16. bis 21.07.1928
Hein wurde in Coburg vor das Gericht gestellt und wurde im ersten Prozess zwei Mal zum Tode und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

1929
Die zweifache Todesstrafe wurde in lebenslängliche Gefängnisstraße umgewandelt.

1933
Hein wurde in einem erneuten Gerichtsverfahren wieder in die Todesstrafe umgewandelt. Er wurde aus Coburg fortgebracht und im Mai 1933 hingerichtet.

Das tragische an der Sache ist, dass auch zwei unschuldigte Personen von der Polizei erschossen wurden, weil diese für Hein gehalten wurden.

Zwischen und vor diesen Ereignissen erfolgten über 60, zum Teil schwere, Einbrüche.

 
Und nun die Chronologie der Verbrechen aus der Presse.
 
Eisenberger Nachrichtensblatt
 

Der Raubüberfall im Postamt zu Klosterlausnitz
Mit einer Verwegenheit, die erstaunlich ist, haben am Sonnabend, dem 03.12.1927, kurz nach 17:00 Uhr, Räuber die Poststelle Klosterlausnitz überfallen. Ein Augenzeuge, der Postbeamte Hädrich, erzählt darüber:
„Wir hatten die Autopost abgefertigt, die unsere Postsachen nach dem  Bahnhof  fährt. Es hatte 17:00 Uhr geschlagen, ich schloss deshalb die Post, obgleich noch ein Mann am Schreibpult lehnte und schrieb. Schnell wollte ich im Hauptgeschäftszimmer eine dienstliche Verrichtung machen, um dann den Mann zur Post herauszulassen. Da hörte ich die diensttuende Schalterbeamtin, Fräulein Körner, rufen: „Hädrich, schließen Sie die Tür!“ Sekunden darauf  vernehmen der Herr Postmeister und ich im Schalterraum eine befehlende, rauhe Stimme: „Hände hoch!“ Dieser Befehl, jedoch noch dringender, wurde wiederholt, die Beamtin hören wir ängstlich rufen. Herr Postmeister Ring und ich wollten aus dem Hauptgeschäftszimmer in den Schalterraum laufen, da sahen wir vor uns drei Männer. Einer ein  doppelläufiges Gewehr auf uns im Anschlag, ein anderer einen Revolver. Wie wir von Fräulein Körner hörten, war der, der noch im Schalterraum war, an die Tür gegangen, hatte den Riegel zurückgeschoben und seine zwei Teilhaber eingelassen. Die Beamtin flüchtete zu uns in das Geschäftszimmer. Schnell schloss der Postmeister dieses, damit die Verbrecher nicht hinein und zu dem Geldschrank gelangen sollten. Die Reinemachefrau, die beim Wischen war, flüchtete in einen Raum, der neben dem öffentlichen Dienstraum liegt. Kaum hatten wir die Tür zwischen uns und den Kerlen, krachte ein Schuss. Die Kugel sauste hart am Kopfe des Postmeisters vorbei in die Wand. Der Einschlag des Projektils liegt in der Tür in Kopfhöhe. Ich rannte schnell in das Treppenhaus und rief um Hilfe. Der Postmeister rannte zum Hofe hinaus auf die Straße. Diese wenigen Sekunden hatten für die Räuber genügt,  um die Geldkassette an sich zu nehmen. Als der Postmeister auf die Straße treten wollte, kamen die Kerle mit ihren Schusswaffen  und befahlen ihm unter Androhung des Erschießens, sofort in das Haus hinein zu gehen und sich ruhig zu verhalten. Durch die Schießerei und unsere Hilferufe war der Elektrotechniker Kraft aufmerksam geworden, der in dem Hause der Post gegenüber arbeitete. Als er uns zu Hilfe eilen wollte, wurde auch er mit Erschießen bedroht und musste in das Haus gegenüber flüchten. Die Kerle sind in Richtung Bahnhofstraße, Forststraße nach dem Waldhaus Köppe zu in dem nahen Walde entkommen.“
Fußgänger haben die drei auf diesem Wege in nicht zu schneller Gangart gehen sehen, der eine das Gewehr schussfertig im Arm.

Die Räuber werden wie folgt beschrieben:
Der erste: Groß, kräftig, gesunde, rote Gesichtsfarbe, dunkles Haar, 26 - 28 Jahre alt. Seine Finger hatten nur kurzen Nagelansatz. Er trug dicken, braunen, gerippten Überzieher und weichen Filzhut.
Der zweite: Lange Statur, dunkler Anzug.
Der dritte:   Klein, und schmächtig, schmales Gesicht. Er trug grauen oder graugrünen Mantel.
Für die Ergreifung der Täter und die Herbeischaffung des geraubten Geldbetrages hat die Oberpostdirektion Erfurt  500 RM. Belohnung ausgesetzt

Nummer 293, Montag, den 15.12.1927:

Bluttat eines Klosterlausnitzer Posträubers
Die Jenaer Polizei wollte Mittwoch, den 14.12.1927, 17:00 Uhr einen der drei oder vier Einbrecher verhaften, die im Verdachte stehen, außer den Geldschrankeinbrüchen auch den Postraub in Klosterlausnitz ausgeführt zu haben. Einer der Verbrecher wohnte unter dem Namen „Hein“, der aber vermutlich falsch ist, möbliert im Haus (Jena) Mittelstraße 21. Als die beiden Kriminalwachtmeister Heß und Schumann in sein Zimmer traten und seine Verhaftung vornehmen wollten, zog Hein im Nu einen Revolver und schoss auf die beiden Beamten. Wachtmeister Heß wurde durch den ersten Schuss in die Stirn getroffen und war sofort tot, die anderen drei Schüsse trafen den Wachtmeister

Schumann in Brust, Arm und Bein. Da nun der Weg freigeworden war, ergriff der Verbrecher die Flucht.
Ein großes Polizeiaufgebot von Jena und Weimar hat die Verfolgung aufgenommen und zwar in der Richtung Apolda, wohin die Spur führt. Die Verbrecherbande, die aller Wahrscheinlichkeit nach von auswärts stammt, wohnt nach den letzten Ermittlungen bereits seit einigen Monaten in Jena; einer soll Montag abgereist sein, sodass die Polizei nunmehr zugriff. Der Flüchtige wird wie folgt beschrieben: 25 Jahre alt, 1,70 Metergroß, blond, blauen Anzug. Die Ermittlung nach den übrigen Beteiligten  gehen weiter.

Nummer 26, Dienstag, den 31.01.1928:

Neue Bluttat des Posträubers Hein
Montag, den 30.01.1928, Mittag erhielt die Kriminalpolizei in Plauen (Vogtland) vom Maurer Wagner die Mitteilung, dass sich seit Sonnabend der Posträuber Hein in seiner Wohnung in dem Hause Hammerstraße 43 aufhalte. Er habe Hein zufällig kennen gelernt und mit in seine Wohnung genommen. Erst heute Vormittag habe er erfahren, dass sein Gast der gesuchte Mörder Hein sei.
Darauf begaben sich einige Kriminalbeamte zur Wohnung, um Hein festzunehmen. Dieser zog einen Revolver und erschoss den 43jährigen Kriminalbeamten Max Schmidt durch Brustschuss. Der Gendarmeriewachtmeister Endlich aus Rodewisch, der zur Zeit  in Plauen Wachtdienst versieht, wurde durch einen Bauchschuss so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste. In der durch die Schüsse entstandene Verwirrung gelang es dem Mörder, abermals zu entkommen.
Ergänzend: Hein war am Sonnabend in eine Gastwirtschaft am Neustadtplatz gekommen, wo er sich mit mehreren
Gästen anfreundete. Als die Polizeistunde eintrat, nahm Wagner Hein mit nach seiner Wohnung und ließ ihn dort übernachten. Am Sonntagabend besuchten beide ein Kino. Wagner fragt Hein wiederholt nach seinem Namen. Hein wich aber stets aus und gab an, mit Vornamen Karl zu heißen. Das geheimnisvolle Wesen kam Wagner schließlich verdächtig vor. Er fand in der Jacketttasche Heins Montagmorgen eine Invalidenkarte ohne Namen und außer anderen Papieren einen Brief, der offenbar für die Geliebte Heins in Jena bestimmt war und in dem diese ersucht wurde, wenn Hein nicht mehr leben sollte, das betreffende Schriftstück an die angegebene Adresse zu senden. Dies machte Wagner noch mehr stutzig, sodass er schließlich zur Polizei ging  Dort erkannte er in einer Fotografie Heins seinen Gast. Hein hat vermutlich die Kriminalbeamten ins Haus gehen sehen und Verdacht geschöpft. In der Wohnung Wagners sind der Mantel Heins, seine Mütze und seine Aktentasche beschlagnahmt worden. Hein ist also entweder ohne Kopfbedeckung oder hat sich eine neue besorgt. Nachdem die Staatsanwalt den Tatbestand aufgenommen hatte, wurde heute Nachmittag die Leiche des Kriminalkommissars Schmidt nach dem Friedhof übergeführt. Die Polizei rät, gegen unbekannte Personen vorsichtig zu sein und die nächste Polizeistation zu benachrichtigen.
Der Maurer Wagner hatte die Kriminalpolizei gebeten, Hein nicht in seiner Wohnung festzunehmen, sondern zu warten, bis Hein die Absicht habe, mit seinem auf der Straße stehenden Fahrrad davonzufahren. Er wolle Hein bald auf die Straße hinunterschicken. Die vier Kriminalbeamten postierten sich unauffällig in den Haustüren der gegenüberliegenden Häuser und bewachten den Ausgang des Hauses Hammerstraße 43. Nach etwa einstündigem Warten schickten sich die Beamten an, in das Haus einzudringen. Hier kam ihnen Wagner entgegen und erklärte, sie sollten ruhig hinaufgehen, Hein hätte keine Ahnung davon, dass seine Festnahme bevorstehe. Die Beamten begaben sich nunmehr nach dem ersten Stockwerk und öffneten die in die Wohnung Wagners führende Tür. Kaum hatten sie diese etwa 30 Zentimeter weit geöffnet, als schon mehrere Schüsse krachten. Oberkommissar Schmidt, einer der tüchtigsten und beliebtesten Kriminalbeamten in Plauen, fiel, von einer Kugel getroffen, vornüber in die Stube, während der Gendarmeriebeamte Endlich einen Schuss in den Unterleib erhielt und auf einen hinter ihm stehenden Beamten stürzte. Endlich raffte sich auf, lief aus dem Hause, brach aber auf der Straße zusammen und wurde ins Krankenhaus geschafft.
Der Kriminalbeamte Krüger lief schleunigst eine Treppe höher, um von dort aus die Türe der Wagnerschen Wohnung im Auge zu behalten, der Gendarmeriebeamte Findeisen stellte sich eine halbe  Treppe tiefer auf, um Hein das Entkommen aus dem Hause unmöglich zu machen. Hein öffnete zu wiederholten Malen die Tür und schoss unaufhörlich auf die Beamten. Er muss mehrere Pistolen und viel Munition bei sich gehabt haben. Später wurden zwei Revolver gefunden. Auch der Kriminalbeamte Krüger gab mehrere Schüsse ab und hat Hein wahrscheinlich auch getroffen. Durch die Schießerei war der Hausflur in dichten Rauch gehüllt.
In der Zwischenzeit war das Überfallkommando herbeigerufen worden, das die Straße und das umliegende Gelände abriegelte. Auch die Feuerwehr wurde alarmiert und rückte mit einer großen Motorspritze an. Leider scheint Hein entkommen zu sein. Obwohl das Haus von oben bis unten durchsucht wurde, konnte Hein nicht aufgefunden werden. Bei der Durchsuchung mussten die Beamten mit größter Vorsicht zu Werke gehen. Sie waren auch mit Handgranaten bewaffnet

Nummer 28,  Donnerstag, den 02.02.1928

Eine neue Bluttat Heins?
Heute Vormittag gegen 09:00 Uhr machte der Stationskommandant Scheler in Untersiemau einen Rundgang, als er kurz vor dem Dorfe einen verdächtigen Mann antraf. Er stieg von seinem Fahrrade, um den ihm Verdächtigen festzustellen. Im gleichen Augenblicke gab dieser einige Schüsse ab, die den Beamten so schwer verletzten, dass er alsbald verschied.  Die Gendarmerie fahndete nach dem Mörder, der in Richtung Lichtenfels geflohen ist. Man nimmt als ziemlich gewiss an, dass es sich um den Posträuber Hein handelt.
Aus Lichtenstein wird berichtet: Der Stationskommandant Scheler wurde, als er den von ihm verdächtig erschienenen Mann visitieren wollte, von diesem durch mehrere Schüsse in Brust und Bauch tödlich verletzt. Der Verbrecher nahm dann das Rad des Ermordeten und flüchtete. Er wurde von  dem Gendarmen Schmidt verfolgt und in der Gegend von Großheirat gestellt. Der Mörder warf sich dann darauf in einen Straßengraben und eröffnete von da aus ein lebhaftes Feuer auf den Beamten. Dieser erwiderte und gab im ganzen 35 Schuss ab. Durch eine Kugel wurde der Verbrecher am Handgelenk verletzt. Er verband die Wunde mit seinem Taschentuche und schoss dann weiter. Als der Gendarm seine ganze Munition verschossen hatte, flüchtete der Verbrecher in den Wald bei Schloss Banz. Dieser ist jetzt von  einem starken Polizeiaufgebot umstellt.

Nummer 30, Sonnabend, den  04.02.1928

Raubmörder Hein gefasst
Aus Weingarten bei Lichtenfels wird uns gemeldet: Der Raubmörder „Hein“ wurde heute Vormittag in einer hiesigen Gastwirtschaft gefasst und festgehalten. Nach einer späteren amtlichen Meldung wurde der Massenmörder Hein in einem Walde in der Nähe von Weingarten, wo er sich versteckt hielt, heute früh 09:30 Uhr von drei Polizeibeamten verhaftet. Hein war ohne Munition und hat sich widerstandslos ergeben. Er wurde unter starker Bedeckung zunächst in eine Gastwirtschaft in Weingarten abgeführt, von wo er in das Amtsgerichtsgefängnis Lichtenfels gebracht wurde. Die Nachricht von der Verhaftung Heins verbreitete sich unter der Bevölkerung wie ein Lauffeuer und löste allgemeine Erleichterung aus.

 
Martin Lorenz, Besitzer des Gasthofes "Zur Grünen Linde" aus Weingarten ließ für seine Gastwirtschaft eine Postkarte drucken, auf der das Datum vermerkt wurde. Weingarten wurde am 01.07.1972 in die Stadt Lichtenfels eingegliedert.
Martin Lorenz, Besitzer des Gasthofes "Zur Grünen Linde" aus Weingarten ließ für seine Gastwirtschaft eine Postkarte
drucken, auf der das Datum vermerkt wurde. Weingarten wurde am 01.07.1972 in die Stadt Lichtenfels eingegliedert.

 

Freitag, den 13.07.1928

Der Raubmörder Hein vor Gericht
Des dreifachen Mordes und zweier Mordversuche angeklagt. Am Montag kommender Woche beginnt nunmehr vor dem Koburger Schwurgericht der Sensationsprozess gegen den des dreifachen Mordes und zweier Mordversuche beschuldigten Posträuber und Gendarmenmörder Hein. Wohl selten sind in Deutschland in den letzten Jahren die Untaten eines Schwerverbrechers erster Ordnung mit solcher allgemeinen Spannung verfolgt worden, wie die des nunmehr seinem Schicksal entgegengehenden Johann Hein und seines Komplizen, des Melkers Larm. Entgegen der vielfach geäußerten und auch von dem Angeklagten Hein bei seinen zahlreichen Vernehmungen vertretenen Meinung, dass es sich bei allen seinen Mordtaten nur um Notwehr gehandelt habe und er deshalb nur wegen Totschlags verfolgt werden könne, lautet die Anklage der Koburger Staatsanwaltschaft auf dreifachen Mord und zwei Mordversuche, sodass es in der bevorstehenden Verhandlung um den Kopf des Angeklagten geht.

Hein ist am 09.08.1909 in Gerresheim bei Düsseldorf als Sohn eines Flaschenarbeiters geboren. Seine Eltern und seine drei Geschwister sind achtbare und unbescholtene Menschen, und in seinen acht Schuljahren hat sich der Angeklagte niemals etwas zuschulden kommen lassen. Bis 1925 beschäftigte er sich als Bohrer und war als solcher Mitglied des Gerresheimer Athletenklub, wo er als Mensch von außergewöhnlicher Stärke auffiel. Im Jahre 1926 geriet dann der bis dahin als ruhig  und fleißig bekannte Angeklagte in die Gesellschaft des gleichfalls in Gerresheim wohnenden Melkers Larm, der, wie die Anklageschrift hervorhebt, Heins böser Geist wurde, ihn zu allerlei Streichen veranlasste und so allmählich auf Abwege brachte. Nach verschiedenen Geldschrankeinbrüchen verübten die beiden Anfang 1927 gemeinsam den unerhört kühnen Überfall auf das Postamt in Ohligs im Rheinland, bei dem von Hein und Larm zwei Postbeamte über den Haufen geschossen wurden. Hierdurch war ihnen der Boden der Heimat zu heiß geworden, und so wandten sie sich bald darauf nach Thüringen. Am 3. Dezember vorigen Jahres überfielen die schwerbewaffneten Verbrecher in Gemeinschaft mit dem Schlosser Paul Dundlach aus Gerresheim das Postamt  in Klosterlausnitz, wobei ihnen über 2.000 Mark in die Hände fielen.
Auch die Postagentur in dem Jenaer Vorort Zwätzen war um diese Zeit von Räubern  heimgesucht worden, und die Spuren in beiden Fällen wiesen nach Jena. Während aber Grundlach und Larm als Mittäter alsbald festgenommen werden konnten, verstand es Hein, sich in einem Hause in der Mittelstraße in Jena verborgen zu halten. Am 13. Dezember wurde er dann durch mehrere Polizeibeamte dort gestellt. Auf die Aufforderung des Wachtmeisters Heß hin: „Hände hoch“ gab Hein einen Revolverschuss auf den Beamten ab, der dabei tödlich verletzt wurde. Durch weitere Schüsse wurde der Polizeibeamte Schumann lebensgefährlich verletzt. Es gelang dem Hein, zu entkommen.

Am 30. Januar d. J. erschien bei  der Polizei in Plauen ein Maurer aus der Hammerstraße, der angab, dass Hein, den er erst nicht erkannt habe, bei ihm einquartiert sei. Leider hatte man in Plauen aus den Vorgängen in Jena scheinbar nicht die richtige Lehre gezogen und ein ungenügendes Polizeiaufgebot nach der Hammerstraße entsandt. Hein griff wiederum zum Revolver und erschoss den sich ihm entgegenstellenden Kriminalkommissar Max Schmidt und verletzte den Gendarmeriebeamten Endisch durch einen Brustschuss in erheblicher Weise. Und wieder konnte Hein entfliehen!
Noch in frischer Erinnerung ist die dritte Bluttat des Mörders am 2. Februar in Untersiemau bei Koburg. Als der Stationskommandant Scheler auf der Landstraße einen verdächtigen Mann sah, in dem er Hein vermutete, stieg er von seinem Rad. In diesem Augenblick griff der Fremde schon zu seinem Revolver und streckte den Beamten nieder. Es war in der Tat wieder Hein gewesen, der vorher schon ein Feuergefecht mit Gendarmeriebeamten bei Groß-Heirath gehabt hatte. Nun begann die letzte Phase der Verfolgung des wiederum entwichenen Mörders, der sich in den Banzer Wald geflüchtet hatte. Der Wald wurde von einem großen Polizeiaufgebot umstellt, kein Zweifel konnte bald mehr sein, dass es Hein trotz der starken Bewachung geglückt war, außerhalb der bewachten Zone zu gelangen. 

Am Sonnabend, den 04.02.1928 wurde Hein in Weingarten unweit Lichtenfels festgenommen. Insgesamt werden Hein und Larm etwa 60 schwere Verbrechen des Einbruchs, des Raubes usw. zur Last gelegt. Sie alle werden erst nach der Koburger Verhandlung ihre Sühne finden. Der Angeklagte Hein, der kurz vor seiner Festnahme bekanntlich noch einmal unangefochten in das Rheinland und in seine Heimatstadt Gerresheim gelangt war, angeblich um von seinen Eltern Abschied zu nehmen, befindet sich seit seiner Verhaftung durch den dafür mit dem Polizeiwachtmeistertitel belohnten Bamberger Rottmeister Lechner in Koburg in Haft.
Hein ist ein mittelgroßer, blasser Mensch mit kleinem Schnurrbart und etwas sentimentalem Gesichtsausdruck. Die Verteidigung hat Zeugen dafür laden lassen, dass er stets ein affektlabiles, sehr leicht reizbares, jähen  Stimmungswechseln unterworfenes Wesen gezeigt habe.
Der Antrag der Verteidigung als Sachverständigen den Professor Dr. Goldstein, Direktor des Neurologischen Instituts der Universität Frankfurt am Main, zu laden, ist vom Gericht abgelehnt worden. Das Gericht hat als Sachverständige den Koburger Gerichtsarzt und einen Nürnberger Gefängnisarzt geladen. Den Vorsitz in der Verhandlung wird  Landgerichtsdirektor Dr. Schack führen, während die Anklage durch Staatsanwalt Fichte vertreten wird. Die Verteidigung des Angeklagten hat Rechtsanwalt Dr. Viktor Fränkl (Berlin) übernommen. Es sind insgesamt 37 Zeugen und 11 Sachverständige zu vernehmen.

Inzwischen ereigneten sich leider noch mehrere traurige Zwischenfälle, da während der aufregenden Verbrecherjagd zwei unbeteiligte Menschen ihr Leben lassen mussten, weil man sie irrtümlich für den flüchtigen Hein hielt.

Über den Prozess wurde im Coburger Tageblatt, zum Teil in ausführlichen Sonderseiten, berichtet.

Hein wurde im ersten Prozess zwei Mal zum Tode und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Im Jahr 1929 wurde die zweifache Todesstrafe in lebenslängliche Gefängnisstraße umgewandelt.

Im Jahr 1933 wurde in einem erneuten Gerichtsverfahren die lebenslange Gefängnisstraße wieder in die Todesstrafe umgewandelt. Hein wurde aus Coburg fortgebracht und und im Mai 1933 hingerichtet.

 

Nachtrag:

Am 15.04.1942 feierte der Oberpostschaffner Friedrich Hädrich sein 40jähriges Dienstjubiläum.
Seit dem 01.05.1904 war er Postbote in Klosterlausnitz. Er hatte zusammen mit Postmeister Rink und Fräulein Köhler den Postraub mit erlebt.
 
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