- 1815 zog sich
Krause wieder nach Dresden zurück, wo er weiter unter ärmlichsten
Umständen und hochverschuldet mit seiner Familie lebte. Der berühmte
Arzt und Naturwissenschaftler Carl Gustav Carus, mit dem Krause in
Dresden verkehrte und von dem er auch unterstützt wurde, hielt
Krause für "einen der ersten Philosophen und Mathematiker
Deutschlands". Kontakt ergab sich auch mit A. Schopenhauer, denn
beide wohnten mehrere Jahre im gleichen Haus.
- 1823 machte Krause
seinen Entschluß wahr und zog nach Göttingen, wo er sich
1824 erneut habilitierte. Bis zum Jahre 1830 wirkte er hier als eher
unwillkommener Privatdozent der Philosophie. Der eigenwillige Gelehrte,
der in das antispekulative Göttinger Szenario nicht paßte,
vermochte doch einen begeisterten Schülerkreis um sich zu scharen.
In diese Zeit fällt auch die Begegnung mit Fröbel, der von
Krause wichtige Anregungen für seine pädagogische Arbeit
erhielt.
- 1830 / 31 kam
es in Göttingen zu Studenten- und Bürgerunruhen, bei denen
Schüler Krauses, unter ihnen der später berühmt gewordene
Rechtsphilosoph Heinrich Ahrens und der Schwiegersohn Krauses, Heinrich
Plath, eine herausragende Rolle spielten. Die Revoltierenden bildeten
einen provisorischen Gemeinderat. Die Rebellion wurde niedergeschlagen.
Fast alle Schüler Krauses konnten fliehen. Nur Plath mußte
eine langjährige Gefängnisstrafe verbüßen. Krause
selbst wurde bei der nachfolgenden Aufklärung der Vorgänge
des Sympathisantentums beschuldigt. Obwohl er jede Beteiligung glaubwürdig
bestritt, konnte er wegen dieser gerichtlichen Untersuchungen nicht
länger in Göttingen bleiben - zumal der Verarmte in dieser
Zeit auch noch eine Erbschaft machte und sofort verdächtigt wurde,
das Geld von Pariser Revolutionskomitees erhalten zu haben. Schließlich
wurde Krause eine Freistellung von der Strafverfolgung zugesichert,
wenn er Göttingen verließe.
- Der Philosoph
ging notgedrungen darauf ein und wandte sich nach München, wo
sein Schüler H. Krause von Leonhardi (aber auch einer seiner
Söhne) lebte. Er hoffte auf eine Honorar-Professur. Es heißt,
Schelling habe das zu verhindern gewußt. Da die Göttinger
Nachrichten über diesen gefährlichen Mann auch nach München
gelangt waren, drohte ihm auch dort die polizeiliche Ausweisung. Der
Philosoph Franz von Baader und andere einflußreiche Persönlichkeiten
setzten sich indessen für Krause ein und erreichten beim König
die Aufhebung des Ausweisungsdekrets.
Krause
ist ein beachtlicher Exponent der Bewegung des Deutschen Idealisnus.
Sein philosophisches System ist durchaus originell und hat insbesondere
in Spanien und Südamerika eine erhebliche Wirkung auf den Gebieten
des Rechts und der Politik, aber auch der Pädagogik ausgeübt.
In Deutschland ist dieser eigen-sinnige Denker indessen in Vergessenheit
geraten. Der Titel »Panentheismus« ist auf besondere Weise
mit dem philosophischen System Krauses verbunden. Auf das Absolute als
Urwesen (oder: Grundwesen) bezieht sich der zentrale Begriff seiner
Metaphysik: Wesensschauung. Nach dieser Philosophie bleibt das Absolute,
welches sich in schöpferischer Tat selbst negiert und in Natur
und Vernunft ausdifferenziert, doch eines über allen Entgegensetzungen.
Alles gründet in Gott, und Gott ist in allen endlich-geschichtlichen
Prozessen `anwesend'. In zwei `Lehrgängen' entfaltet Krause sein
Wissenschaftssystem, das er (wie Fichte, Schelling und Hegel) als Fortführung
der Philosophie Kants begreift: Ein Weg führt von der `Selbstanschauung'
Ich analytisch-aufsteigend zu Gott; der andere Weg, synthetisch-absteigend,
nimmt seinen Ausgang bei der Wesensschau und legt den göttlichen
Grund als Wahrheitsgehalt aller auf Vernunft und Natur bezogenen Wissensgebiete
frei. In praktisch-philosophischer Hinsicht zeigt Krause in seiner »Lebenskunstwissenschaft«
auf, wie sich die Gesellschaft in einem organologischen System von `Bündnissen'
auf das eigentliche Ziel hinzubewegen hat: die Rechtsgemeinschaft des
Menschheitsbundes. - Auffällig ist, daß Krause in den Konkretionen
seiner Rechtsphilosophie zu Auffassungen gelangte, die von Zeitgenossen
wie Hegel nicht erreicht wurden. Zum Beispiel kennt Krause ein je eigenes
Recht der Frau, des Kindes und der Tiere; bei ihm finden sich ökologisch
relevante Festlegungen; und seiner Ablehnung einer Bedeutsamkeit von
Rasseunterschieden korrespondiert sein, wie Wollgast es formuliert,
»lebhaftes Interesse am Befreiungskampf der damaligen Kolonien«.
In der Freimaurer-Bewegung, der er 1804 beitrat, hat Krause so etwas
wie die Keimzelle jenes groß angelegten praktisch-sittlichen Bundes
gesehen, in dem zunächst Napoleon, später, ab ca. 1812, Preußen
eine wichtige Rolle zugedacht war. Krause verfaßte Freimaurer-Schriften.
Da sein Interesse an dieser Bewegung philosophisch orientiert blieb,
enthielt er sich nicht entsprechender öffentlicher Darlegungen
- und geriet mit den Verschwiegenheitsanforderungen dieser Kreise in
Konflikt. Sein Bruch mit den Freimaurern und die damit verbundenen Intrigen
haben gewiß entscheidend dazu beigetragen, daß Krause sich
im akademischen Bereich niemals erfolgreich etablieren konnte. (Heutzutage
übrigens würdigen die Freimaurer Krause als einen ihrer Großen.)
Doch nicht zu unterschätzen ist der theorie-immanente Grund für
die ausbleibende Rezeptionsgeschichte in Deutschland: In der Tradition
von Thomasius und Wolff hat Krause sich nämlich bemüht, die
griechisch-lateinische Fachsprache der Philosophie durch eine deutsche
Wissenschaftssprache zu ersetzen. Dieses Unternehmen führte zu
einer befremdlichen, auf die meisten Leser abstoßend wirkende
Sprachgestalt. Die enorme geschichtliche Wirkung dieser Philosophie
kam deshalb konsequenterweise nur über die kommentierende Übersetzung
in andere europäische Sprachen, insbesondere ins Spanische, zustande.
Das Phänomen des `Krausismo' gibt zu der Vermutung Anlaß,
daß entscheidende Einflüsse, die kulturelle Epochenschwellen
auslösen können, oftmals gerade nicht von jenen Repräsentanten
eines Neuanfangs ausgehen, die in der Rückschau als `erstrangig'
ausgegeben werden. Krause hat einmal seine religiöse Glaubensüberzeugung
wie folgt zum Ausdruck gebracht: »ich brauche keinen menschlichen
Vormund in Sachen der Religion und erkenne, was die religiöse Freiheit
betrifft, weder die katholische, noch irgendeine Kirchenpartei als meinen
Richter an. Ich denke und lebe im rein evangelischen Geiste Jesu, verehre
und achte das religiöse Streben aller kirchlichen Parteien und
bin der Überzeugung, dass sie, als Secten, insgesamt untergehen
müssen, und dass der ganzen christlichen Kirche eine große,
heilbringende Reform und vielmehr Palingenesie bevorsteht. Ich ehre
in Luther, Calvin, Melanchthon und anderen religiösen Männern
gerade diesen evangelischen Geist, sowie in jedem meiner Zeitgenossen,
wo ich ihn finde.... Mein äußeres Schicksal wende sich, wie
und wohin es wolle, ich werde dereinst gewiß als freier, achtungswürdiger
Mensch, voll frohen Hoffnungen auf Gott sterben, auf den ich einzig
mein Vertrauen setze«. - Der umfangreiche wissenschaftliche Nachlaß
befindet sich in der Sächsischen Landesbibliothek in Dresden. Obwohl
Krauses Schüler einen erheblichen Teil postum publizierten, harrt
das Meiste noch der Erschließung.
Einst
fast vergessenen Sohn der Stadt Eisenberg gewürdigt
Von
OTZ-Redakteurin Angelika Kemter Eisenberg. Mit der Wiedereinweihung
des sanierten Krause-Denkmals und einer Gedenkveranstaltung im Rathaus
wurde am Freitagabend (27.10.2002) der Philosoph Karl Christian Friedrich
Krause - Eisenbergs fast vergessener Sohn - anlässlich seines
170. Todestages geehrt. Dazu konnte Bürgermeister Ingo Lippert
(SPD) zahlreiche namhafte Gäste in der Geburtsstadt Krauses begrüßen.
Darunter den Geschäftsträger der Botschaft von Costa Rica,
Christian Kandler Rodriguez, den Leiter der Kulturabteilung der Spanischen
Botschaft, Pedro. J. Sanz, sowie die Mitarbeiterin der Botschaft Chile,
Astrid Cacitua, in deren Ländern sich die Lehre des Eisenberger
Philosophen bis heute im gesellschaftlichen Leben niederschlägt.
Sanz
nannte Krause den "wichtigsten deutschen Philosophen in der spanischen
Geschichte". Und für Kandler Rodriguez "verbindet sich
der Name Krause mit wirksamer Demokratie."
In
den vergangenen Wochen wurde das über hundert Jahre alte Krause-Denkmal
für fast 40 000 Euro von der Firma Bennert aus Hopfgarten saniert
und konserviert. Dazu steuerte die Denkmalpflege 6400 Euro bei, der
Rest sind Mittel aus der Städtebauförderung wobei die Stadt
Eisenberg einen Eigenanteil von rund 4200 Euro aufzubringen hatte.
Gemeinsam mit dem Jenaer Philosophie-Professor Klaus-Michael Kodalle
enthüllte Lippert das Denkmal.
Zuvor
war Kodalle der Frage nachgegangen, ob Krauses Ideen als "Seitensprung
des Weltgeistes" zu betrachten sind, und hatte in bewegenden
Worten, angereichert mit Anekdoten, das Leben des Eisenberger Philosophen
skizziert und sein Werk gewürdigt.
Bei
der anschließenden Festveranstaltung im Eisenberger historischen
Rathaussaal zeigte der Rechtshistoriker Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter
Landau aus München (dort ist Krause begraben) auf, wie aktuell
die Rechtsphilosophie Krauses ist, in der er Sozialutopie und Naturrecht
verbindet (siehe auch "Aktueller denn je").
Prof.
Dr. Enrique Ure¤a aus Madrid sprach über die Wirkung von
Krauses Philosophie in Spanien und weltweit. Dabei verdeutlichte er,
wie der im "Krausismo" mit freimaurerischen Gedanken verbundene
Panentheismus sich vor allem auf Erziehung und Bildung auswirkte.
Auch die Pädagogik von Krauses Freund Friedrich Fröbel spiele
dabei eine Rolle. Das Gedankengut Krauses war erst nach dessen Tod
über seine Schüler an der Universität Heidelberg und
den spanischen Professor Julian Sanz del Rio nach Spanien gekommen,
hatte sich von da aus in viele Länder Mittel- und Südamerikas
verbreitet. Es schlage sich bis heute in der Gesetzgebung auch vieler
europäischer Ländern nieder, von Italien bis Schottland.
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