Die alte „Regensburger Straße“ war im Jahr 1698 in einem ganz erbärmlichen Zustand. Straßenpflaster gab es zu dieser Zeit noch nicht. Die durchziehen Fuhrwerke hinterließen tiefe Spurrinnen. War eine Fahrrinne in einem derartigen Zustand geraten, dass die schweren Wagen stecken blieben, trotz der sechs oder acht Pferde davor, fuhr man einfach neben dieser ausgefahrenen Rinne einen neuen Weg. So entstand die oft in großer Breite nebeneinander herlaufenden Gräben.
In diese Zeit gab es um Hermsdorf, Reichenbach und St. Gangloff Wildschweine in Hülle und Fülle. Die Bauern führten deshalb beim Herzog Christian von Eisenberg Beschwerde, da die Schweine ihrer Felder verwüsteten. Deshalb hatte der Wildmeister des Herzogs eine Saujagd angesetzt.
Die Wälder in Richtung Schleifreisen und entgegengesetzte Richtung Reichenbach waren zur damaligen Zeit noch von zahlreichen Mooren und Sümpfen durchzogen. Diese Gelände wurden von den Menschen gemieden, waren für das Wild aber ein willkommener Aufenthaltsort.
Etwa einhundert Treiber waren für diese Saujagd aufgeboten, an der diesmal Herzog Christian selbst teilnahm. Weniger aus Liebe zur Jagd, sondern weil er den Grafen Reuß als Gast hatte, der ein eifriger Jäger war. Gleich in mehrfacher Hinsicht war aber dieser Tag vom Unglück verfolgt.
- Der Hermsdorfer Treiber Christian Dämmrich wurde von einem Wildschwein lebensgefährlich verletzt und musste so nach Hause getragen werden. Es ist nicht überliefert, ob er diese Verletzungen überstanden hatte.
- Ein anderes Tier, durch die Spieße der Jäger mehrfach verwundet, trieb eine fürstliche Jagdgesellschaft in das Moor, sodass für diese die Gefahr bestand, in dem weichen Morast zu versinken. Man hatte Bäume fällen müssen, um zu den im Moor stecken gebliebenen eine Brücke zu bauen, hält doch bekanntlich Moorgrund seine Opfer mit zähem Widerstand fest.
- Der dritte Fall, der die Jagdgesellschaft in Aufregung versetzte, war ein Waldbrand. Verursacht wurde dieser durch unvorsichtiges handeln der herzoglichen Küche. Es war vorgesehen, im Wald ein Jagdessen zu verabreichen.
Herzog Christian war durch seine religiöse Einstellung kein Freund der Jagd, außerdem gesundheitlich angeschlagen. Er fand an der Jägerei kein Vergnügen und ließ, wegen der geschilderten unliebsamen Vorkommnisse, dem Weidmannsvergnügen Halt gebieten.
Nun aber kamen der Vierte unliebsame Fall hinzu, und dieser betraf Herzog Christian selbst. In seiner geschlossenen Kutsche begab er sich auf den Rückweg nach Eisenberg. Er hatte fast Hermsdorf erreicht, als das Hinterrad der Kutsche brach. Die Fensterscheiben des Wagens zerbrachen, ohne jedoch den Insassen zu verletzen. Das von der Jagdgesellschaft zur Verfügung gestellte Reitpferd lehnte der Fürst ab und begab sich zum Gasthof „Zum Schwarzen Bär“, um hier für die Zeit ein Einkehr zuhalten, die zur Ausbesserung des Wagens benötigt wurde.
Die Gaststube war überfüllt, als Christian mit seinem Gefolge eintrat. Die Treiber warteten auf die Auszahlung des Lohnes durch den Wildmeister. Außerdem war gerade von Naumburg ein Fuhrmannszug mit zehn Wagen angekommen, der Wein aus Naumburg nach Nürnberg bringen sollte. Heiterer Gesang klang dem Herzog entgegen und wurde auch nicht ungebrochen, als er in die Gaststube trat. Die Holzländer haben ihren Stolz, den Herzog erkannten sie als ihren Landesherren an, befolgten willig seine Befehle, aber die Unterwürfigkeit und scheinheilige Demut dem imstand höhergestellten gegenüber war ihnen fremd. Bald aber verstummte das Singen, die Zecher steckten geheimnisvoll die Köpfe zusammen, ein Tuscheln und Raunen ging leise von Mund zu Mund. Am Mienenspiel war zu erkennen, dass heitere Dinge die Ursache waren. Hätte Herzog Christian öfters am Stammtisch seiner Holzländer geweilt, er hätte gewusst, oder ahnen können, was man heimlich still und leise ersann: Holzlandstreiche! Noch heute hat der Hermsdorfer hierfür ein besonderes Talent, aber die Väter in jener Zeit in besonderem Maße. Der Schneider Hebenstreit war damals als Erfinder vieler Streiche bekannt. Besagter Schneider Christian Hebenstreit eilte zunächst zu dem Dorfschmied Tobias Plötner, der eine gezähmte Dohle besaß. Sein Plan ging nach Wunsch, Plötner gab ihm das Tier, war auch einverstanden und anwesend, als der Malermeister Traugott Büchner das Gefieder des Vogels mit leuchtenden bunten Farben übermalte. Schwieriger gestaltete sich das Weitere. Hebenstreit Benötigte für das von ihm erdachte Vorhaben den großen Holzkäfig, in dem der Magister Flötzer einen Papagei hielt. Flötzer war nicht zu Hause. Seine Ehefrau wollte sich nicht bereit erklären, den Käfig herauszugeben, erst recht nicht, als sie erfahren hatte, welchen Zweck dieser dienen sollte. Aber der Schneider, der Schmied und der Malermeister waren nicht nur echte und rechte Holzländer, sondern auch Holzköpfe, und so kamen sie mit dem Käfig, indem die bunt bemalte Dohle saß, zum Gasthaus zurück. Erwartungsvolle Stille trat im Gastraum ein. Alle blickten auf das „Kleeblatt“ - die Ehefrau des Dorflehrers hatte sich angeschlossen - und den mitgebrachten Käfig. Diese gingen auf den Herzog zu, Hebenstreit begann: „Durchlaucht, die Gemeinde Hermsdorf hat heute die Ehre, Euere Durchlaucht als Gast im Ort zu haben. Dieser Tag ist für uns Hermsdorfer ein geschichtlich wichtiges Ereignis. Euer Durchlaucht sitzen zwar nicht aus geplanter Absicht unter Euer Durchlaucht untertänigsten Untertanen, vielmehr sind die heillos schlechten Straßen Ursache, dass uns die Ehre wird, die uns durch Euer Durchlaucht Gegenwart ist. Euer Durchlaucht, wir Hermsdorf möchten, dass dieser Besuch in unserem stillen Waldort Euer Durchlaucht im Gedächtnis bleiben möge. Und so erlauben wir Hermsdorfer Euer Durchlaucht einen seltenen afrikanischen Kabetihiholita-Vogel zu verehren. Ein durchreisender Afrikaforscher hatte ihn vor einigen Monaten den Schmied als Pfand gelassen, weil auch ihm die Räder an seinem Wagen gebrochen waren, denn Durchlaucht, die Straßen sind in Stuart heillos liederlichen Zustand der und unserer Gemeinde hat nicht die Mittel, aber wenn Euro Durchlaucht die Gnade haben möchte, einen Zuschuss zur Ausbesserung zu geben …“
Der Herzog winkte und gab seinem Hofmarschall Anweisung, ihn am nächsten Tage daran zu erinnern, dass die Hermsdorf-Gemeinde aus der herzoglichen Privatkasse ein Geldgeschenk für den Straßenausbau bekommen solle. Über den bunten Vogel hat sich Herzog Christian sehr gefreut, während er es jedoch ablehnte, ihn als Geschenk nach Eisenberg mitzunehmen, denn Dohlen flögen genug um die Christiansburg herum und Malermeister habe er in seiner Residenz auch.
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