Renthendorf,
im südlichsten Zipfel des Landkreises, ist bekannt geworden als Heimatort
der beiden Naturforscher. Alfred Edmund Brehm, der weltbekannte Verfasser von "Brehms Tierleben"
ist wohl der berühmteste Sohn unseres Landkreises.
Christian Ludwig Brehm, am 24. Januar 1787 als Sohn und Enkel eines Pfarrers
in Schönau vor dem Walde bei Gotha geboren, kam 1813 als Gemeindepastor
nach Renthendorf und wohnte dort bis zu seinem Tode am 26. Juli 1864.
Im Jahr 1813 heiratete er die Tochter eines angesehenen Renthendorfer
Bürgers, die jedoch schon 1826 starb. Sie gebar ihm acht Kinder,
von denen sechs wiederum sehr früh starben.
Bereits 1827 heiratete der rüstige Witwer die erst achtzehnjährige
Pfarrerstochter Berta Reiz, die ihm sechs Kinder zur Welt brachte. Ihr
erster Sohn Alfred Edmund Brehm erblickte am 2. Februar 1829 im lutherischen
Pfarrhaus Renthendorf, im damaligen Ortsteil Unterrenthendorf, das Licht
der Welt.
Alfred Brehms Mutter war eine lebensfrohe, gebildete und sehr belesene
Person. Dass sie einen prägenden geistigen Einfluss auf
den späteren Schriftsteller Alfred Brehm, auf seinen klaren, durchgeformten
Stil, seine plastische Schilderungskunst und sein poetisches Talent ausgeübt
hat, steht außer Zweifel.
Doch der stärkere Einfluss ging sicherlich vom Vater aus. Christian
Ludwig Brehm war ein fürsorglicher Vater, ein guter Seelsorger, aber
ein noch besserer Naturkenner. Seine ganze Liebe galt der Ornithologie
- der Vogelkunde. Das Pfarrhaus von Renthendorf, in dem es von ausgestopften
und lebenden Gefiederten nur so wimmelte, wurde zu einem privaten Forschungszentrum,
zu einem Mekka für Vogelfreunde und -forscher aus Deutschland und
dem Ausland, die hier praktischen Rat, wissenschaftliche Anregungen, Anschauungs-
und Vergleichsmaterial in seltener Vollständigkeit fanden.
Christian Ludwig Brehm
gehört neben Johann Matthäus Bechstein (1757-1822) und Johann
Friedrich Naumann (1780-1857) zu den frühesten deutschen Ornithologen,
die im modernen Sinn Feldforschung betrieben und die heimische Vogelwelt
in freier Natur studierten.
Bewaffnet mit Fernglas und Büchse, durchstreifte Vater Brehm, dem
der theologische Beruf offensichtlich sehr viel freie Zeit ließ,
die thüringischen Wälder, um Vögel zu beobachten, zu belauschen
und zu schießen. Wie seine überreiche Ausbeute bezeugt, muss
der freundlich - weise blickende Dorfpfarrer ein sehr guter Schütze
gewesen sein. Moralische Bedenken hatte er dabei nicht, denn nicht der
heutige Naturschutzgedanken herrschte in den Köpfen der Menschen,
sondern die Lehre der Bibel, die den Menschen als "Krone der Schöpfung"
über alle Kreatur erhob und ihm einen gern akzeptierten Freibrief
ausstellte. Sachkundig und gezielt erlegte Pastor Brehm "die Vögel
unter dem Himmel" und trug sie nach Hause, um sie wissenschaftlich
zu untersuchen, zu sezieren und kunstgerecht auszustopfen.
Christian Ludwig Brehm
legte seine Erkenntnisse und Forschungsergebnisse in viel beachteten Büchern
und Abhandlungen nieder. Mehr als 200 Einzeltitel umfasst das Verzeichnis
seiner Schriften. Bereits 1823/24 erschien sein zweibändiges "Lehrbuch
der Naturgeschichte aller europäischen Vögel", und als
sein Sohn Alfred gerade zwei Jahre alt war, folgte eine zweite Gesamtdarstellung
"Handbuch der Naturgeschichte aller Vögel Deutschlands, worin
nach den sorgfältigsten Untersuchungen und genauesten Beobachtungen
mehr als 900 einheimische Vogelgattungen zur Begründung einer ganz
neuen Ansicht und Behandlung ihrer Naturgeschichte vollständig beschrieben
sind".
Bei der "Begründung einer ganz neuen Ansicht" ging es Brehm
vor allem darum, aufgrund exakt beobachteter Gefieder- und Gestaltmerkmale
den starren Artbegriff aufzulösen und immer neue Unterarten oder
Rassen einzuführen. Damit nahm er in gewissem Sinne - und sicherlich
ungewollt - sogar das Prinzip der Artdifferenzierung vorweg, das wenig
später in Darwins Evolutionstheorie so große Bedeutung erlangen
sollte.
Schon sehr früh
übertrug sich die Liebe zur Natur im allgemeinen und zu den Gefiederten
im besonderen von Vater Brehm auf seinen Sohn Alfred - wie übrigens
auch die naive Jagdleidenschaft. Alfred durfte seinen kundigen Papa regelmäßig
auf dessen Pirschgängen in den thüringischen Wäldern begleiten.
Dabei erhielt der Knirps einen erstklassigen Naturkundeunterricht, so
dass er die Namen der meisten Tiere und Pflanzen kannte, noch ehe
er richtig schreiben und lesen konnte. Er erfuhr, wie man die einzelnen
Vogelarten anhand des Gefieders, des Gesangs oder des Geleges zuverlässig
bestimmt und wie man gefangene Wildvögel sachgemäß pflegt
und behandelt.
Man sollte meinen,
bei einem solchen Vater hätte es für den gelehrigsten Sohn keine
andere Berufswahl geben können, als die Zoologie, doch Alfred wollte
Architekt werden.
Im Frühjahr 1844 kam Alfred Brehm zu dem Maurer- und Baumeister Friedrich
Sprenger in Altenburg in die Lehre. Dort lernte er den Umgang mit Maurerkelle,
Zollstock und Zeichenstift und absolvierte nebenher eine Art Gewerbeschule.
Alfred Brehms
Abschlusszeugnis,
ausgestellt in "Altenburg in Sachsen den 9. Sept. 1846", hat
sich erhalten:
"Der Vorstand der hiesigen Kunst- und Handwerks-Schule bescheinigt
hiermit der Wahrheit gemäß, dass der Maurerlehrling Alfred
Edmund Brehm aus Unterrenthendorf diese Anstalt von Ostern 1844 bis heute
ziemlich regelmäßig besucht hat. Seine Leistungen beim Eintritte
in unsere Schule waren genügend, sein Fleiß erfreulich, seine
Fortschritte ausgezeichnet, sein Betragen untadelhaft."
Noch Ende 1846 übersiedelte
Alfred Brehm nach Dresden, um sein Architekturstudium zu beginnen. Doch
dann nahm sein Lebensweg eine jähe, endgültige Wende. Bereits
1847 brach Alfred Brehm als Sekretär und Gehilfe des Barons Johann
Wilhelm von Müller zu einer Expedition in die Nilländer nach
Ägypten, Sudan, Kordofan, Blauer Nil und Sinai auf. Alfred Brehm
absolvierte 1853 bis 1855 sein Studium der Naturwissenschaften in Jena,
das er am 1. Mai 1855 mit der Promotion abschloss.
Mit seinem Bruder Reinhold unternimmt Alfred Brehm 1856 eine Spanienreise.
Anschließend übersiedelt Brehm nach Leipzig als freier Schriftsteller.
Dort lernt er E. A. Roßmäßler und Ernst Keil, den Verleger
der "Gartenlaube" kennen. Er schreibt zahlreiche Beiträge
für wissenschaftliche und populäre Zeitschriften.
Am 14. Mai 1861 heiratet
Brehm seine Cousine Mathilde Reiz. Sie schenkt ihm fünf Kinder. Eine
Reise nach Habesch (Abessinien) im Gefolge seiner Hoheit des regierenden
Herzogs Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha unternahm Brehm 1862. Brehm
wird als erster Direktor des zoologischen Gartens nach Hamburg berufen.
1864 Jahr stirbt der Vater Christian Ludwig Brehm.
Am 29. Oktober 1866
kündigt Brehm - nach zunehmenden Reibereien mit dem Verwaltungsrat
des Zoologischen Gartens - seine Stellung. Im nächsten Jahr 1867
beginnt Alfred Brehm mit den vorbereitenden Arbeiten für das neugegründete
Berliner Aquarium. Am 11. Mai 1869 fand die Eröffnung des von Brehm
geschaffenen Berliner Aquariums statt.
In Wien lernt Brehm 1873 den österreichischen Thronfolger Rudolf
kennen. 1874 legt er sein Amt als Leiter des Berliner Aquariums nieder.
Er wohnt zwar weiterhin in Berlin, verbringt aber die Sommermonate meist
in Renthendorf. Eine Reise nach Westsibirien mit Otto Finsch und Graf
von Waldburg-Zeil-Trauchburg unternahm er 1876. Die zweite Auflage des
"Tierlebens" ist 1879 abgeschlossen und Brehm arbeitet fortan
als freier Schriftsteller und Vortragsreisender.
Im Jahr 1877 stirbt
Alfred Brehms Mutter. Im Frühjahr 1878 unternimmt Brehm eine 15-tägige
Donaureise mit Kronprinz Rudolf. Am 18. September 1878 stirbt seine Ehefrau
Mathilde nach der Geburt des fünften Kindes. Im Jahr 1879 unternimmt
Alfred Brehm eine zweite Spanienreise zusammen mit Kronprinz Rudolf. Alfred
Brehm absolvierte in den Jahren 1883 und 1884 eine Vortragsreise in Nordamerika.
Im Sommer 1884 übersiedelt
Alfred Brehm nach Renthendorf und stirbt dort am 11. November 1884.
Alfred Brehms bedeutendste
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