Dr. Erich Werner Rath

* 17.08.1899 in Hagen / Westfalen
† 15.01.1987 in Lauf
 
Dr. Erich Werner Rath     Dr. Erich Werner Rath
Die Forschungstätigkeit von Dr. W. Rath in den Porzellanfabriken Freiberg und Hermsdorf war verbunden mit der Entwicklung keramischer Sondermassen wie Calit, Calan, Ultra-Calan, Condensa und Tempa, die vorwiegend als Kondensatorwerkstoffe und Bauteile zu fundamentalen Entwicklungen in der Rundfunk-, Nachrichten- und HF-Technik beitrugen. Mit der Erfindung der Foliengießtechnik schuf er unter Substitution von Glimmer Kondensatoren hoher Kapazität und Güte und legte die verfahrenstechnischen Grundlagen für perspektivische Entwicklungen des Foliengießens.

Der Lebensweg von Dr. Erich Werner Rath

Erich Werner Rath wurde am 17. August 1899 in Hagen / Westfalen geboren. Er besuchte das Gymnasium seiner Geburtsstadt, absolvierte vorzeitig ein Notabitur und wurde zum Kriegsdienst an die belgische Front eingezogen. Nach Studium der Chemie in München und Leipzig promovierte er an der Uni Leipzig 1923 mit der Arbeit „ Über die Bewertung keramischer Massen auf Grund ihrer Unterschiede im physikalisch-chemischen Verhalten” zum Dr. Phil. Seine Industrietätigkeit begann Dr. Rath im keramischen Zentrallabor der HESCHO in der Porzellanfabrik Freiberg. Neben Aufgaben der Betriebskontrolle und zur Verbesserung herkömmlicher Keramikwerkstoffe legte er mit der Entwicklung des HF-Werkstoffs Calit auf Basis besonders reiner Magnesium-Hydrosilikate (Speckstein-Talk-Basis) den Grundstein für eine neue Generation keramischer Sonderwerkstoffe.

Die Porzellanfabrik Freiberg, gebaut und ausgerüstet von der Porzellanfabrik Kahla AG im Zeitraum ab 1904 für die Produktion von Elektroporzellan, wurde 1906 mit sechs großen Rundöfen in Betrieb genommen. Die Planungs- und Projektierungsarbeiten erfolgten von der Porzellanfabrik Hermsdorf-Klosterlausnitz aus unter Direktor Oskar Arke und unter maßgeblicher Mitwirkung von Dipl.-Ing. Werner Hofmann. W. Hofmann war anfangs im Prüffeld der Hermsdorfer Porzellanfabrik tätig und übernahm mit Inbetriebnahme der Freiberger Porzelline deren langjährige Leitung. Mit dem Jahr 1906 war jedoch der Auf- und Ausbauprozess der Freiberger Fabrik keinesfalls abgeschlossen. In den Folgejahren wurde sie zu einer der modernsten Elektroporzellanfabriken Europas ausgebaut, deren Bausubstanz bezüglich ihrer Industriearchitektur auch heute noch ein beeindruckendes Ensemble darstellt .
Nachdem es zwischen der Porzellanfabrik Kahla AG und der Schomburg & Söhne AG am 15.12.1922 zur Gründung der HERMSDORF-SCHOMBURG-ISOLATOREN GmbH, kurz HESCHO genannt, gekommen war, entfielen auf die Freiberger Fabrik dieses Unternehmensverbundes eine Reihe zentraler Aufgaben. Dafür wurde ein keramisches Zentrallaboratorium unter Leitung von Dr. Otto Krause gegründet und mit einer Prüfspannung von 1.000.000 V ging hier 1923 Europas leistungsstärkstes Versuchsfeld in Betrieb.
In Auswirkung der Weltwirtschaftskrise kam es 1931 zur Stilllegung der Porzellanfabrik Freiberg. Das keramische Zentrallabor wurde in die Porzellanfabrik Hermsdorf verlagert. Damit verbunden wechselte auch Dr. Rath zusammen mit zahlreichen Facharbeitern, Technikern und Technologen nach Hermsdorf und wurde in Bad Klosterlausnitz wohnhaft. Zahlreiche Werkstoff- und Erzeugnisentwicklungen waren fortan das Ergebnis seiner zielstrebigen Entwicklungstätigkeit als Chefchemiker und Laborleiter. Die Werkstoffe Calan, Ultra-Calan, Condensa und Tempa stehen dafür als Symbol.
Mit Arbeiten zu „Untersuchungen über Lanthanoxyd als Zusatz zu titanoxydhaltigen keramischen Kondensator-Baustoffen für die Hochfrequenztechnik“ (1938/39) und „Verbesserung titandioxydhaltiger keramischer Kondensator-Baustoffe durch Zusatz von Thoriumoxyd“ (1940/ 41) im Rahmen einer Preisaufgabe seitens der Auerforschungsstiftung Berlin zur Findung neuer wirtschaftlich wertvoller Anwendungsgebiete von
La203 bzw. Th02 wurde Dr. Rath mit jeweils einem ersten Preis ausgezeichnet. In den letzten Kriegsjahren leitete Dr. Rath neben seiner Industrietätigkeit in Hermsdorf zusätzlich das Keramische Institut der TH Breslau in Vertretung bzw. als Nachfolger von Prof. Dr. Otto Krause, der 1943 an der Ostfront gefallen war. In Breslau hat W. Rath im Auftrag der „Forschungsführung des Reichsministers der Luftfahrt und Oberbefehlshabers der Luftwaffe“ Arbeiten der Dringlichkeitsstufe SS 4941 zur „Schaffung keramischer Maschinenbaustoffe“ geleitet. Für die dabei entwickelten Werkstoffe Si-Calit und Sica-Pyrodur, die sich bei Gehalten von bis zu 40% SiC durch eine hohe Wärmebelastbarkeit und hohe mechanische Festigkeit auszeichneten und beispielsweise für Turbinenleitschaufeln konzipiert waren, wurden nach dem Krieg die Schutzrechte von der MAN in Augsburg bzw. vom Guilleaume-Werk in Beuel/Rhein übernommen. Um schließlich beiden Aufgabenbereichen besser gerecht werden zu können und angesichts des Kriegsverlaufs an der Ostfront strebte Dr. Rath eine Verlagerung des Breslauer Instituts nach Thüringen an. Vorgesehen waren Räume in der Porzellanfabrik Jäger in Eisenberg. Jedoch mit Ausnahme von sieben zwischengelagerten Holzkisten mit Instituts-Inventar aus Breslau ging diese Aktion in den Wirren des letzten Kriegsjahres unter. RATH wurde zusammen mit den Jenaer Spezialisten von Zeiss und Schott von der amerikanischen Besatzungsmacht nach Heidenheim / Brenz verbracht, wo er seinen reichen Erfahrungsschatz zu dokumentieren hatte. Das unterstreicht die strategische Bedeutung der Forschungen und Entwicklungen, die unter Dr. Rath in der HESCHO auf dem Gebiet keramischer Sondermassen und darauf basierender Erzeugnisse realisiert wurden.

Den Jahren in Heidenheim folgte eine weitere, halbjährige Befragung in einem englischen Interrogation-Camp. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1948 siedelte sich die Familie in Lauf / Pegnitz an, wo Dr. Rath ein Beratungsbüro für die keramische Industrie gründete und vorwiegend für die Fa. Stettner & Co. tätig war. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in familiärem Kreis im Umfeld von Lauf, wo er 1987 verstarb.