Der Lebensweg von Dr. Erich Werner Rath
Erich Werner Rath wurde am 17. August 1899 in Hagen /
Westfalen geboren. Er besuchte das Gymnasium seiner Geburtsstadt, absolvierte
vorzeitig ein Notabitur und wurde zum Kriegsdienst an die belgische Front
eingezogen. Nach Studium der Chemie in München und Leipzig promovierte
er an der Uni Leipzig 1923 mit der Arbeit „ Über die Bewertung
keramischer Massen auf Grund ihrer Unterschiede im physikalisch-chemischen
Verhalten” zum Dr. Phil. Seine Industrietätigkeit begann Dr.
Rath im keramischen Zentrallabor der HESCHO in der Porzellanfabrik Freiberg.
Neben Aufgaben der Betriebskontrolle und zur Verbesserung herkömmlicher
Keramikwerkstoffe legte er mit der Entwicklung des HF-Werkstoffs Calit
auf Basis besonders reiner Magnesium-Hydrosilikate (Speckstein-Talk-Basis)
den Grundstein für eine neue Generation keramischer Sonderwerkstoffe.
Die Porzellanfabrik Freiberg, gebaut und ausgerüstet
von der Porzellanfabrik Kahla AG im Zeitraum ab 1904 für die Produktion
von Elektroporzellan, wurde 1906 mit sechs großen Rundöfen
in Betrieb genommen. Die Planungs- und Projektierungsarbeiten erfolgten
von der Porzellanfabrik Hermsdorf-Klosterlausnitz aus unter Direktor Oskar
Arke und unter maßgeblicher Mitwirkung von Dipl.-Ing. Werner Hofmann.
W. Hofmann war anfangs im Prüffeld der Hermsdorfer Porzellanfabrik
tätig und übernahm mit Inbetriebnahme der Freiberger Porzelline
deren langjährige Leitung. Mit dem Jahr 1906 war jedoch der Auf-
und Ausbauprozess der Freiberger Fabrik keinesfalls abgeschlossen. In
den Folgejahren wurde sie zu einer der modernsten Elektroporzellanfabriken
Europas ausgebaut, deren Bausubstanz bezüglich ihrer Industriearchitektur
auch heute noch ein beeindruckendes Ensemble darstellt .
Nachdem es zwischen der Porzellanfabrik Kahla AG und der Schomburg &
Söhne AG am 15.12.1922 zur Gründung der HERMSDORF-SCHOMBURG-ISOLATOREN
GmbH, kurz HESCHO genannt, gekommen war, entfielen auf die Freiberger
Fabrik dieses Unternehmensverbundes eine Reihe zentraler Aufgaben. Dafür
wurde ein keramisches Zentrallaboratorium unter Leitung von Dr. Otto Krause
gegründet und mit einer Prüfspannung von 1.000.000 V ging hier
1923 Europas leistungsstärkstes Versuchsfeld in Betrieb.
In Auswirkung der Weltwirtschaftskrise kam es 1931 zur Stilllegung der
Porzellanfabrik Freiberg. Das keramische Zentrallabor wurde in die Porzellanfabrik
Hermsdorf verlagert. Damit verbunden wechselte auch Dr. Rath zusammen
mit zahlreichen Facharbeitern, Technikern und Technologen nach Hermsdorf
und wurde in Bad Klosterlausnitz wohnhaft. Zahlreiche Werkstoff- und Erzeugnisentwicklungen
waren fortan das Ergebnis seiner zielstrebigen Entwicklungstätigkeit
als Chefchemiker und Laborleiter. Die Werkstoffe Calan, Ultra-Calan, Condensa
und Tempa stehen dafür als Symbol.
Mit Arbeiten zu „Untersuchungen über Lanthanoxyd als Zusatz
zu titanoxydhaltigen keramischen Kondensator-Baustoffen für die Hochfrequenztechnik“
(1938/39) und „Verbesserung titandioxydhaltiger keramischer Kondensator-Baustoffe
durch Zusatz von Thoriumoxyd“ (1940/ 41) im Rahmen einer Preisaufgabe
seitens der Auerforschungsstiftung Berlin zur Findung neuer wirtschaftlich
wertvoller Anwendungsgebiete von
La203 bzw. Th02 wurde Dr. Rath mit jeweils einem ersten Preis ausgezeichnet.
In den letzten Kriegsjahren leitete Dr. Rath neben seiner Industrietätigkeit
in Hermsdorf zusätzlich das Keramische Institut der TH Breslau in
Vertretung bzw. als Nachfolger von Prof. Dr. Otto Krause, der 1943 an
der Ostfront gefallen war. In Breslau hat W. Rath im Auftrag der „Forschungsführung
des Reichsministers der Luftfahrt und Oberbefehlshabers der Luftwaffe“
Arbeiten der Dringlichkeitsstufe SS 4941 zur „Schaffung keramischer
Maschinenbaustoffe“ geleitet. Für die dabei entwickelten Werkstoffe
Si-Calit und Sica-Pyrodur, die sich bei Gehalten von bis zu 40% SiC durch
eine hohe Wärmebelastbarkeit und hohe mechanische Festigkeit auszeichneten
und beispielsweise für Turbinenleitschaufeln konzipiert waren, wurden
nach dem Krieg die Schutzrechte von der MAN in Augsburg bzw. vom Guilleaume-Werk
in Beuel/Rhein übernommen. Um schließlich beiden Aufgabenbereichen
besser gerecht werden zu können und angesichts des Kriegsverlaufs
an der Ostfront strebte Dr. Rath eine Verlagerung des Breslauer Instituts
nach Thüringen an. Vorgesehen waren Räume in der Porzellanfabrik
Jäger in Eisenberg. Jedoch mit Ausnahme von sieben zwischengelagerten
Holzkisten mit Instituts-Inventar aus Breslau ging diese Aktion in den
Wirren des letzten Kriegsjahres unter. RATH wurde zusammen mit den Jenaer
Spezialisten von Zeiss und Schott von der amerikanischen Besatzungsmacht
nach Heidenheim / Brenz verbracht, wo er seinen reichen Erfahrungsschatz
zu dokumentieren hatte. Das unterstreicht die strategische Bedeutung der
Forschungen und Entwicklungen, die unter Dr. Rath in der HESCHO auf dem
Gebiet keramischer Sondermassen und darauf basierender Erzeugnisse realisiert
wurden.
Den Jahren in Heidenheim folgte eine weitere, halbjährige
Befragung in einem englischen Interrogation-Camp. Nach seiner Rückkehr
nach Deutschland 1948 siedelte sich die Familie in Lauf / Pegnitz an,
wo Dr. Rath ein Beratungsbüro für die keramische Industrie gründete
und vorwiegend für die Fa. Stettner & Co. tätig war. Seine
letzten Lebensjahre verbrachte er in familiärem Kreis im Umfeld von
Lauf, wo er 1987 verstarb.