Kraftsdorf

Wilhelm Bauer 1913
 

In einem der vielen parallel von Westen nach Osten zur Elster laufenden Täler liegt Kraftsdorf. Das Tal wird durchflossen vom Erlenbach, der auf Karten wenigstens in seinem unteren Teile auch öfters als Rubitzbach bezeichnet wird. Er bildet sich bei der Obermühle aus den beiden von Reichenbach und Oberndorf kommenden Wasserläufen. Während sich das Tal weiter unten erweitert, ist es bei Kraftsdorf ziemlich eng, doch mit nicht zu steilen Hängen, so dass die Lage des Ortes eine außerordentlich schöne und malerische ist. Hoch oben am linken Hange, zum Teil dem Felsen abgerungen, läuft die Bahnlinie. Es ist ein besonders schöner Anblick, wenn man am dunklen Abend die Dorfstraße entlang geht und oben den hell erleuchteten Eisenbahnzug vorüberfahren sieht.
Das Dorf liegt lang gestreckt im Grunde, es ist ein sogenannte Fadendorf und schon hierdurch seinen deutschen Ursprung. Nur in der Mitte ziehen sich nach rechts und links Häusergruppen (Winkel und Steinberg), so dass das Ganze die Gestalt eines länglichen Kreuzes annimmt. Der untere Teil grenzt unmittelbar an Harpersdorf. Von dort bis zum oberen Ende des Ortes hat man 1/2 Stunde zu wandern. 2 Häuser, darunter die sog. Fuchsmühle liegen ganz entfernt vom Orte im Reichenbacher Tale unmittelbar vor Reichenbach. Den ganzen Ort kann man wegen seiner Ausdehnung und etwas gewundenen Längsrichtung von keiner Stelle aus vollständig überschauen. Doch gibt es Standorte, von denen sich größere oder kleinere Ortsteile dem Auge in besonders anmutiger Weise darbieten. Schöne Blicke hat man z. B. von der Bahnlinie über dem Kirchsteige, von der Höhe hinter Tittelbachs Gehöft, von der Kornmutter und in weiterer Ferne von der Kaltenborner Höhe. Überaus lieblich ist auch ein Gang über den sogenannten Kirchsteig.
Die Kraftsdorfer Flur gehört in das Gebiet des Buntsandsteins, dem das ganze Tal angehört. Erst am Ausgange desselben bei Thieschitz ist der Zechstein aufgeschlossen. Der Boden ist sandig, aber nicht unergiebig. Gut gedeihen von Getreidearten Korn, Gerste, Hafer.
Die große Flur besteht aus 2 weiten, zu beiden Seiten des Tales liegende Hochebenen, welche von einigen Seitentälern (Langetal, Engetal, Kirchtal) durchschnitten sind. Umkränzt sind diese Hochebenen von Waldungen, welche zum Teil zu Kraftsdorf gehören, während auf der nordwestlichen Seite der große Klosterlausnitzer Staatsforst angrenzt.
Man unterscheidet 4 Hauptteile der Flur, auf jeder Seite des Tales 2: Tesse, Steinbusch, Zippenbusch, Birken. Andere Flurbezeichnungen sind Heideberg, Saugraben, Dreienbuchen, Kirchtal, Eichberg, Drachengraben, Wettertal, Langetal, Kornmutter, Fuhrgasse, Fuchsberg, Fuchsgrund, Mittelberg, Engetal, Mühlberg.
Von der Tesse, dem langen bewaldeten Grunde, welcher sich zwischen Kraftsdorf und Harpersdorf nach Südwesten zieht, behauptet der Volksmund, dass in demselben ehemals ein großer Ort, sogar eine Stadt gestanden habe. Letzteres ist jedenfalls nicht richtig. Löbe in seiner Geschichte der Kirchen und Schulen des Herzogtums Sachsen-Altenburg verwirft die Volksmeinung als unbegründete Sage und gibt an, Tesse bedeutet einen Vogelherd im Walde. Von anderen wird berichtet, es habe hier ein Kloster gestanden, was ganz ausgeschlossen ist. Und Brückner in seiner reußischen Landeskunde (Gera 1870) weiß zu berichten, dass Tesse ursprünglich eine Besitzung der Orlamündaer Grafen gewesen sei. Das dortige Rittergut habe 1184 ein Orlamünder Vasall namens Rüdiger innegehabt. In demselben Jahre habe Graf Siegfries das Gut Tesse dem Kloster Lausnitz übereignet. Noch gegen 1810 habe man Mauern daselbst getroffen und Napoleon habe den Ort 1806 auf seinen Karten verzeichnet gehabt. Der Ort sei z.T. an Sachsen z.T. an Reuß gekommen, die Einwohner seien nach Kraftsdorf übergesiedelt und wahrscheinlich rühre die zerschnittene Flur von Kraftsdorf davon her. Brückner ist nicht unbedingt zuverlässig. Er gibt keine Quellen für seine Behauptungen an, er scheint Richtiges und Falsches zu mischen. Wahrscheinlich ist, dass allerdings in der Tesse ehemals ein Gut oder Dorf gestanden hat, welches früh verlassen oder zerstört wurde. Es war vermutlich sorbische Ansiedlung im Seitentale, während die deutsche Ansiedlung Kraftsdorf im Haupttale entstanden war. Das Kraftsdorf eine deutsche Ansiedlung ist, ergibt auch der Name, welcher jedenfalls von einem Personennamen abzuleiten ist.
Urkundlich kommen die Bezeichnungen: Crafftistorff, Crafftestorff, Crafftstorf, Craphstorff vor.

Der Ort macht mit seien meist schmucken Häusern einen sehr freundlichen Eindruck. Es gibt eine ganze Reihe alter Holz- und Giebelhäuser, wobei besonders auf Häuser im unteren Dorfe und auf die Häuserreihe rechts des Marktes hingewiesen sei. In den Häusern finden sich noch häufig alte Bohlendecken und Bohlenwände. Einige Häuser sind recht alt. So weist das Krugsche Haus die Jahreszahl 1658, die untere Mühle 1727, das Haus von E. Rüdiger auf. Zu den ältesten Häusern, die bald nach den Verwüstungen des 30 jährigen Krieges erbaut worden sind, gehören jedenfalls auch das Bergnerische am Markte und die alte Schmiede. Eigentümlich ist, dass sich öfter die Scheune vorn an der Straße, das Wohnhaus aber hinten im Hofe befindet.