Heimatschutz im Holzland

Wilhelm Bauer †- gekürzter Vortrag, gehalten in der Lehrerkonferenz Hermsdorf
im Jahr 1914 im Ratskeller Hermsdorf - Überarbeitet (*****) 1944

 

Man könnte wohl die Frage aufwerfen, steht es so schlimm mit unserer Heimat, dass sie eines Schutzes bedarf. Nur ein Gang durch Hermsdorf genügt, um die Antwort zu erhalten, dass es fast zu spät ist, mit der Arbeit einzusetzen, denn das einst so schöne Dorf ist entsetzlich entstellt worden. Mit Wehmut denke ich an meine Kindheit zurück. Der Weg vom Bahnhof ins Dorf führte durch prächtigen Kiefernwald. Er musste der Fabrik und den gegenüber derselben liegenden Wohnhäusern weichen. Reizend war das Dorfbild zwischen der Quelle (jetzt Konsumverein) und Eduard Lauckner. Die im Fachwerk gebauten Häuser schoben sich wie Kulissen der Straße zu. Die meisten besaßen kleine Vorgärten, in welchen bunte Blumen, Rosen, Malven und Georgien leuchteten. In den Höfen standen hoch aufgeschichtet die Bretterschränke, denn in fast jedem dritten Haus erklang in den Handschneidemühlen das Kreischen der schweren Sägen. Zwischen der Schulstraße und dem Gasthof „Zum Schwarzen Bär“ lag der große Wirtsgarten, der von einer hohen Hecke umfriedet war. Gegenüber der alten Schule war im Garten ein Teich angelegt und davor sah man an der Straße drei uralte Steinkreuze. In den Gärten hinter den Häusern standen mächtige Birnbäume. Die Birnen, besonders die Zapfenbirnen, ließ man teigig werden und verwendete sie zum Backen.

Obwohl der Holzländer nicht viel zum Beißen hatte, war er ein fröhlicher Gesell, der seinen Kummer durch einen lustigen Jodler aus seinem Herzen schmetterte. Sonntags am Abend gingen Burschen und Mädchen in Reihen durchs Dorf und sangen die alten Spinnstubenweisen. Die älteren Frauen trugen noch die Thüringer Tracht, Faltenmäntel, Kopf- und Brusttücher und zum Gottesdienst die Bandmützen. Den Fuhrmann erkannte man an seinem blauen „Schmitzkittel“.

In wenigen Jahren hat sich das schöne Dorfbild verändert, das neue Bild kennen wir mit seinen vielen hässlichen Häusern. Die meiste Schuld an der Entstellung trägt neben der Fabrik der unkünstlerische Geist unserer Zeit. Wir wollen es nicht verkennen, dass die Fabrik den armen Holzländern viel Geld zufließen lässt, aber wir müssen es bedauern, dass sie uns so viel Schönheit und Leben genommen hat. Leider hat die Fabrik nichts getan, das Dorfbild durch neue geschmackvolle Beamten- und Arbeiterwohnungen anziehender zu gestalten (Nach dem Weltkriege sind freundliche und geräumige Häuser gebaut worden). Auch die anderen Dörfer sind von der Verschandelung nicht bewahrt geblieben.
Auf unseren Gängen betrachten wir uns zunächst das Bauernhaus. Wir wissen, dass unsere engere Heimat jahrhunderte lang im Besitz der Sorben war. Sorbendörfer waren Schöngleina, Serba, Möckern, Scheiditz, Bobeck usw. Die sorbischen Gehöfte standen dicht beisammen in einem Kreis um den Dorfplatz. Das Dorfbild des so genannten Rundlings hat sich in diesen Orten durch Neu - und Umbauten verwischt. Einen vorzüglich erhaltenen Rundling bietet uns das Dörfchen Tissa bei Roda. Es wäre wünschenswert, diese Dorfanlage zu erhalten.

Die Eindeutschung unserer Heimat war ein gewaltiges Werk, von denen in geschriebenen Urkunden leider nur wenig zu lesen ist. Als eine ungeschriebene Urkunde möge das deutsche Bauernhaus gelten. Die Anlage ist der so genannte fränkische - Wohnhaus, Stall, Scheune, Schuppen und Tor umschließende - viereckigen Hof. Diese Anlage, die einer Burg gleicht, hat sich bis zur Neuzeit erhalten. Hier fühlte sich der Bauer sicher vor den anstürmenden Feinden. Die meisten Bauernhöfe sind nach dem 30-jährigen Krieg erbaut worden, nur wenige Häuser haben die Stürme des furchtbaren Ringens überdauert. Denkmäler der Vorkriegszeit sind die Steintore mit den hohen Bögen. Reizende Renaissanceportale mit den seitlich angebrachten Steinsitzen befinden sich zu Rothenstein und Göschwitz. Gern durchwandern wir unsere Bauerndörfer und freuen uns über die schmucken Fachwerkhäuser. Es scheint, dass in den ältesten Zeiten der Blockbau üblich war. Der Meister haute die Stämme grob zu, brachte an den Enden die Einkerbungen an und schichtete diese Balken übereinander, die Balkenköpfe standen ein wenig hervor. In manchen Dörfern finden sich Reste der alten Blockbauweise. Frühzeitig entwickelt sich das Block- zum Umgebindehaus. Bei diesem steht das obere Stockwerk auf Säulen, die die Blockwände der Stube umschließen. Bis 1800 sind in unserer Heimat Umgebindehäuser errichtet worden. Das obere Stockwerk zeigt immer Fachwerk. Diese Fachwerkhäuser erzeugen eine höchst malerische Wirkung. Die waagerecht liegenden Balken sind die Schwellen, auf diesen sind senkrecht die Säulen aufgerichtet, die schräg eingesetzten Verbindungsbalken heißen Streben und die waagerechten Riegel. Dieses fein zusammengesetzte Gebälk soll nicht nur Gerippe sondern zugleich Schmuck des Hauses sein. Feine Schmuckformen sind die geraden und geschweiften Andreaskreuze. Die Schwellenhölzer sind öfters mit Schnitzwerk oder eingekerbten Schnitzwerk versehen. Beispiele bieten Reichenbach und Weißenborn. Das Weißenborner Haus, das sich im Verfall befindet, müsste erneuert werden (ist nach dem Weltkrieg geschehen). Die ältesten Häuser in unserer Heimat weisen ein eigenartiges Fachwerkgebilde auf. Die Anordnung von vier Streben erinnern an einen Mann, der Arme und Beine ausspreizt. Forscher halten diese Schmuckforum für Runen. Wohl das älteste und schönste Bauernhaus zu Schleifreisen ist kurz nach dem Krieg abgebrochen worden. Überaus reizend wirken solche Häuser, bei denen das Obergeschoss über den Unterbau weit hervorspringt. Sehr zweckmäßig sind an den alten Häusern die so genannten fränkischen Lauben vor den Eingängen, wir denken an Ottendorf und an die Neue Schenke bei Göschwitz. In unseren Dörfern trifft man noch öfters die Emporlaube an den Seitengebäuden an, sie wird auch Trockengang genannt, weil hier die Bauersfrau an regnerischen Tagen die Wäsche trocknete. In alten Zeiten war das Dach mit Schindeln bedeckt. Rechnungen geben uns Aufschluss über Preise der Schindeln und Schindelnägel. Wegen der Feuergefährlichkeit der Schindeln zwang die Behörde die Bauern, die Häuser mit Ziegeln zu decken.

Treten wir nun in das Innere des Hauses und besuchen die große Bauernstube. Die Wände oder die Decke sind mit dicken Brettern oder Bohlen bekleidet. Anziehend wird das Zimmer durch den starken ausgekehlten Träger. Den schönsten wohl im Holzlande besitz der Gasthof „Zum Schwarzen Bär“ in Hermsdorf. Diese bielwernen Stuben wurden vor den Festtagen tüchtig abgescheuert. Erwärmt wurde der Raum durch den mächtigen Kachelofen mit den Schüsselkacheln. Diese Öfen sind nicht mehr vorhanden. Um das Jahr 1890 habe ich noch solche in den Tälern gesehen. Am Ofen und um die Wände herum standen Bänke. In einer Ecke erblicken wir den aus Eichenholz hergestellten Bauerntisch. Die einzelnen Stücke waren nicht zusammen geleimt, sonder durch Keile zusammengehalten oder eingebohrt. Einen Schmuck der Stube bildete das Wandbrett mit den blank gescheuerten Zinn - und Kupfersachen. Erwähnt sei noch das Schüsselbrett, mit den bunt bemalten Schüsseln und Tellern aus Bürgel. Im Uhrenkasten hörte man das trauliche Ticken der Uhr. In einigen Bauernstuben sah ich als Wandschmuck schöne Kupferstich und Pastellbilder der Urgroßeltern. Um den Tisch standen die derben Holzstühle mit den feinen geformten Lehnen. In die meisten Lehnen hatte der Dorftischler Herzen eingeschnitten. Der Großvater saß gern im Polsterstuhl. Die hohe Lehne war vielfach kunstvoll durcharbeitet. Hier finden wir die feinen Zierformen des Barocks. Seiner Fantasie ließ der Dorfkünstler weiten Spielraum, wenn er die Schränke, Truhen, Betten und Wiegen mit Blumen, Blättern und Sprüchen bemalte. Vielfach sollen Frauen diese hohen künstlerischen Arbeiten angefertigt haben. Die Farbenpracht des Mittelalters hat der Bauer herüber gerettet in die nüchterne Neuzeit. Die Fenster besaßen kleine Scheiben, die mit Blei zusammen gegossen waren. In alten Häusern und in Kirchen findet man noch solche Butzenscheiben. Unsere Fenstertafeln werden jetzt noch Scheiben genannt. Die Bauersfrau liebte die bunte Pracht in ihrem Kleingarten. In den letzten Jahren hat sich der Sinn für bunte Blumen ziemlich gesteigert.

Wie hat sich nun in den letzten Jahren das alte schöne Bauernhaus verändert? Manchen Bauern galt das Fachwerk für altmodisch, er ließ es überputzen. Auch das alte Steintor wurde abgebrochen, weil nach seiner Meinung der Heuwagen nicht recht mehr hindurch konnte. Das alte schöne Holztor wurde durch ein hässliches, eisernes ersetzt. Den reizenden Blumengarten ließ man verwahrlosen. Die alten Bohlen in der Stube wurden vielfach entfernt, überweist oder mit Tapete überklebt. Der alte Kachelofen ist längst durch einen eisernen ersetzt worden. Im Jahre 1910 schleppte ein Händler einen Sack voll der schönsten Zinnsachen aus Kraftsdorf. Die schönen „Lietskrüge“ mit den blauen Pferden und Hirschen sind eine Seltenheit geworden. Die Geschmacklosigkeit unserer Zeit hat in der Bauernstube Einzug gehalten. Die junge Bauersfrau hat die zusammengeleimten, angestrichenen oder furnierten Möbel ins Haus gebracht. Das alte Schüsselbrett wurde in der größer gebauten Küche untergebracht. Nun prangte das unnütze Vertikow mit den hässlichen Nippsachen in der Stube. An die Wände hing man Fotografien, Soldatenbilder mit aufgeklebten Köpfen und fürchterliche Öldrucke. Hier muss der Heimatschutz einsetzen. Seine Aufgabe ist, das Gute, Alte zu erhalten und Schönes und Neues schaffen. Unsere neuzeitliche Möbelindustrie hat manch schöne Modelle erzeugt, aber es wird wohl noch lange Zeit dauern, ehe wir wieder zu einem schönen und zweckmäßigen Bauerngerät kommen.
Unserer Dörfer haben unendlich gelitten durch die Neu- und Umbauten. Man findet wohl kaum noch ein Dorf, das in seiner freundlichen Bauweise unversehrt geblieben ist. Die Tälerdörfer haben sich noch am besten erhalten. Hermsdorf, Schleifreisen, Scheiditz, Albersdorf sind sehr verunstaltet worden. Überall zwischen den alten Häusern erheben sich Bauten mit roten und gelben Verblendsteinen, Stadtvillen mit allerlei Verzierungen aus Gips und Sandstein. Der Baumeister nahm einfach eine Zeichnung als einem Vorlagewerk und baute darauf los. Aus Schmuckfenstern, die eher zu einem Schloss passen, schaut das Heu heraus. Der Sinn für harmonische Einheit war unseren Meistern verloren gegangen. Die alten Häuser in ihrer schönen Schlichtheit zeugten von Tüchtigkeit, Familiensinn, Genügsamkeit, die neuen dagegen von Aufgeblasenheit, Scheinwesen und Kälte. Ich weiß nicht, ob Leute, die man in solche kahlen Ziegelkästen sperrt, ordentliche Bauern werden, die das starke Heimatgefühl an die Scholle fesselt.
Auch an den Dächern wird heute viel gesündigt. Einige Häuser besitzen flache Dächer, die mit Dachpappe oder Zinkblech bedeckt sind. Diese Dächer sind eher unzweckmäßig, da von ihnen der Schnee nicht abrutschen kann. Doch hält man im Allgemeinen an der Form des alten einheimischen Giebeldaches fest. Der rote Dachziegel in seiner einfachen Form ist hier bodenständig. Fürchterlich wirken die glasierten und bunten Zementziegel. Auf manchen Dächern leuchten weit hin die Anfangsbuchstaben des Besitzers und die Jahreszahl der Erneuerung. Solche Geschmacklosigkeiten müssen vom Bauamt verboten werden.

Bei einem Gang durch unsere Dörfer betrachten wir uns die Bürgerhäuser wie Förstereien, Pfarreien, Kaufhäuser und Schulen. Das hässlichste dieser Gebäude ist die Oberförsterei Ascherhütte, mit den brennendroten Verblendziegeln. Eine Berankung mit Schlinggewächsen wäre hier sehr angebracht. Dagegen sind das myliussche Kaufhaus zu St Gangloff, die Oberförsterei zu Tautenhain, dass Lippersdorfer Pfarrhaus schöne Gebäude. Diese Häuser wirken so wohltuend für das Auge wegen der ruhigen geputzten Flächen und der mittelgroßen Fenster, deren Rahmen nicht bunt sondern weiß gestrichen sind. Es war der große Irrtum der neuen Meister, dass sie glaubten, schöne Häuser müssten viele Zierraten und große Fenster haben und überhäuften dieselben mit Simsen, Türmchen, Eckchen, Schnörkelchen, Laubsägearbeiten. Doch beginnt man wieder schön zu bauen und knüpft an die gefälligen Formen der Biedermeierzeit an. In den alten Häusern gefällt uns so außerordentlich der bequeme Treppenaufgang. Das Geländer besteht nicht aus gedrechselten Säulen, sondern aus schönen zugeschnittenen Brettern. In einem Landhaus fand ich ein ähnliches Geländer. Dass man versucht, wieder schöner und heimatgebundener zu bauen, beweisen die neue Pfarrei zu Ottendorf, Schlöben und Saara. Es wäre nun einiges über die Schulhäuser zu sagen. Was aus alter Zeit von Schulhäusern auf uns gekommen ist genügt nur selten den neuzeitlichen Anforderungen. Bei Schulneubauten ist in unseren Dörfern viel gesündigt worden. Die Backsteinkästen der Dorfschulen zu Albersdorf, Schöngleina, Reichenbach sind üble Denkmäler der Kultur unserer Zeit. Neue schöne Schulen wurden zu Bollberg, Möckern und Schleifreisen erbaut.

Das ehrwürdigste Gebäude im Dorf ist die Kirche. Einige Dorfkirchen sind noch romanischen Ursprungs. Während des 30-jährigen Krieges sind viele Kirchen verwüstet und verwahrlost worden. Einige Jahre nach dem Krieg setzten umfassende Erneuerung ein. So wurden Emporen eingebaut, die Fenster vergrößert, Orgeln aufgestellt. Leider gingen damals viele alte Bildwerke verloren. Ein reizendes Bauwerk ist die Kirche zu Tautenhain. Die romanischen Fenster besitzen die anheimelnden Butzenscheiben. Die herrlichen Holzdecken mit den Seilverzierungen stammen vermutlich aus der Zeit nach dem großen Kriege. Die im Jahre 1845 abgebrochene Kirche zu Kraftsdorf war romanischen Ursprungs. Schön war der im Fachwerk ausgeführte Turm. Der alte Altarschrank wird im Museum zu Geraer aufbewahrt. Die Kirchen zu Schöngleina und Bobeck zeigen noch die Spitzbogenfenster und das Gewölbe der Gotik. Im 18. Jahrhundert wurden viele Kirchen im Stil des Barocks erneuert. Kunstvolle Kanzeln und Altaraufbauten wurden aufgestellt. Das freundlichste Werk dieser Art besitzt die Kirche zu Schleifreisen. Die Kirchen zu Reichenbach, Hermsdorf, Schleifreisen und St Gangloff sind im 18. Jahrhundert in Barockstil ausgeführt wurden. Die neuen Kirchen zu Oberndorf und Eineborn sind Werke ihrer Zeit. Mit ihren glasierten Ziegeln, übergroßen Fenstern, Verblendsteinen, Schnörkel und Stützmauren passen sie nicht in das Dorf, sie stehen wie Fremdlinge da. Wie anziehend wirkt dagegen das bescheidene Kirchlein zu Tautendorf. Die Dorfkirche auf der Bauausstellung zu Leipzig besagt uns, dass die Baumeister es wieder verstehen, freundliche Gotteshäuser auszuführen. In den letzten Jahren sind die Kirchen zu Gröben und Lippersdorf erneuert worden. Mit großer Liebe hat man die alten Kunstschätze, die verstaubt auf dem Dachboden lagen, wieder ausbessern und in der Kirche aufstellen lassen. An dem Äußeren der Kirche hat sich in den letzten Jahrhunderten wenig geändert. Unpassend ist der gotische Anbau an der Hermsdorfer Kirche. Unsere Kirchen sind in der letzten Zeit durch hohe Feueressen verunstaltet worden.
Die alte Kirche stand stets inmitten des Friedhofs. Häufig mögen sanitäre oder andere Gründe maßgebend gewesen sein, den Friedhof außerhalb des Dorfes zu verlegen. Oft liegen sie verlassen und wüst draußen vor den Wohnungen der Menschen, die nicht daran denken, ihren Lieben eine würdige Stätte zu bereiten. Der Eingang ist meistens dürftig, nicht einmal hohe Bäume überschatten ihn. Abstoßend wirkt das Eisentor. Schön ist die Friedhofspforte zu Tautendorf. Die beste und schönste Einfriedung sind hohe Steinmauern wie zu Hermsdorf oder dichte Hecken. Hässlich sehen die aus roten Backziegeln ausgeführten Mauern und die Drahtzäune aus. Verschwunden ist leider auch die alte Friedhofskunst. Was für wundervolle Grabdenkmäler standen früher auf unseren Friedhöfen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Albersdorf, Ottendorf und Schöngleina besitzen noch einige, leider verwitterte Kunstwerke. Auch kunstvolle schmiedeeiserne Kreuze schmückten ehedem die Gräber. Vor einigen Jahren befand sich ein solches in Rüdersdorf. Bedauerlich ist, dass man wertvolle Grabplatten aus der Schöngleina Kirche entfernt und an der Wetterseite der Kirche aufgerichtet hat. Wir kennen die Friedhofskunst unserer Zeit mit den hässlichen Grabdenkmälern, die Glasplatten mit bunten Blumen, Porzellanengelchen, Fotografien tragend. Der Sockel besteht vielfach aus künstlichem Feldgestein. Abstoßend wirken protzige glänzend schwarze Granitsteine. Vielfach sind die Gräber mit Porzellanplatten, mit Schlacken, oder schweren eisernen Ketten eingefasst. Es war höchste Zeit, dass die Friedhofskunst einsetzte. Überall verspürte man einen künstlerischen neuen Geist. Der schönste Schmuck unserer Friedhöfe sind die deutschen Waldbäume, je dichter sie beisammen stehen, desto friedvoller wird der Gottesacker. Jetzt beginnt man auch, zwischen den Gräberreihen dichte Hecken anzulegen. Obwohl der Lebensbaum bei uns ein Fremdling ist, möchte ich ihn, wenn er besonders in Gruppen beisammen steht, nicht missen, da er den Besucher in eine ernste Stimmung versetzt. Die herrlichsten Lebensbäume besitzt der Klosterlausnitzer Friedhof. Schön wirken auf unseren Gräbern immer die bunten Bauernblumen. Es ist höchst bedauerlich, dass sich viele Dorffriedhöfe in einem recht traurigen Zustand der Verwahrlosung befinden. Die Gemeinden sollten vielmehr darauf sehen, durch gute Anlage und Instandhaltung der Wege, Hecken und Mauern und durch eine einfache zweckmäßig Anpflanzungen der Stätte des Friedens einen würdigen Zustand zu verschaffen. Dies wird auch auf die Inhaber der Grabstätten einen erzieherischen Einfluss ausüben (in dieser Hinsicht ist nach dem Kriege viel geschehen).

Durch den Bau von Wasserleitungen verschwinden leider immer mehr die lustig plätschernden Laufbrunnen. Vielleicht ließe sich mit der Anlage eines Kriegerdenkmals der Bau eines Laufbrunnens verbinden (Ist in Kraftsdorf geschehen). Um den Durst zu stillen, ist der Wanderer gezwungen den Gasthof aufzusuchen.
In der früheren Zeit war der Gasthofbesitzer meistens ein größerer Bauer. Die Wirtsstube war niedrig und behaglich. Vor dem Eingang lag die Laube, die den vorüber ziehenden Fuhrmann kurze Rast gewährte und zugleich gestattete, ein wachsames Auge auf seine Pferde zu haben (Neue Schenke bei Göschwitz). Zur Einkehr lud das weit hervorstehende schmiedeeiserne Schild ein (Zum Schwarzen Bär - Hermsdorf). Da der Verkehr wuchs, musste gebaut werden. Der Wirt ließ vor sein schönes Fachwerkhaus einen hässlichen Ziegelsteinkasten setzen. Oder das alte Haus wurde abgebrochen und ein neues Gebäude mit allen ästhetischen Untaten kam an die Stelle. Die Ausstattung der Wirtstuben ist meistens recht widerwärtig. Den Wandschmuck bilden Plakate aus Pappe oder Blech. Für Musik sorgt das unvermeidliche Grammophon (jetzt Radio). Tische und Stühle sind Schablonenware einer Möbelfabrik. Doch beginnt eine Besserung. Als Wandschmuck sah ich in einem Gasthaus heimatliche Steinzeichnungen und nach altem Muster angefertigte Stühle und Tische.

Eine Verschönerung des Landschaftsbildes wird eine industrielle Anlage nie bringen, doch kann ein guter Architekt vieles mildern. An der Hermsdorfer Fabrik wirken recht hässlich die roten Ziegelflächen und die dunkle Zementziegelbedachungen.
Auch durch Überlandzentralen kann die Schönheit des Dorfes und des Landschaftsbildes recht gestört werden. Die Behörden müssen darauf achten, dass Flur und Dorf nicht durch hässliche Masten und Transformatorentürme verschandelt werden.
Auch zu große und hässliche Reklameschilder in Dorf und in der Flur wirken oft störend.
Viele scheinbare Kleinigkeiten zeugen von der Geschmacklosigkeit unserer Bewohner, wir denken an die hässlichen Drahtzäune, an Lauben mit bunten Glasscheiben, an bunte Glaskugel auf Rosenpfählen, an Tonfiguren in Blumengarten und so weiter, an herumliegende Steine vor Häusern und auf Plätzen, Scherben und allerlei Unrat im Bach und im Wald. Ein ausländischer Künstler hat gesagt, die Deutschen wären das unkünstlerischste Volk Europas. Vielleicht ist er zu diesem Urteil beim Anblick der Reiseandenken gekommen (ist viel besser geworden).

Der Heimatschutz hat es sich zur Aufgabe gemacht Ruinen zu erhalten. Geschmacklos ist die künstliche Ruine an der Klosterlausnitzer - Tautenhainer Straße.
Der Heimatschutz pflegt auch Sitten und Gebräuche, Feste und Trachten (Heimatpflege). Der rastlose, nach Geld und Gut ringende Geist unserer Zeit hat furchtbar zerstörend auf das innere Leben des Volkes eingewirkt. Längst dahin ist unsere schöne Thüringer Tracht, und sie wird trotz aller Bemühungen nicht wieder erstehen. Nur sollte darauf geachtet werden, dass die farbenfrohen Gewänder nicht verwahrlost und aufgebraucht werden. (Ist nach dem Weltkriege leider geschehen.)
Nur eines Blaublümeleins möchte ich gedenken, des Spinnstubenliedes. Wie schnell ist es entschwunden. Noch um 1880 herum kamen Frauen und Jungfrauen in den Spinnstuben zusammen, spannen und sangen dazu die schönsten Lieder. Eine alte Frau berichtete mir, dass sie in ihrer Jugend gegen 50 Lieder gesungen hätte jetzt sind ihre nur noch 10 Lieder bekannt. Lehrer Hartenstein und noch einige andere Lehrer haben viele dieser Lieder niedergeschrieben. Abschriften liegen im Gemeindeschrank zu Klosterlausnitz.
Der schönste Schmuck unserer Dörfer sind die Bäume. Aus den Bildern Ludwig Richters und anderer Meister kann man erkennen, dass früher unserer Dörfer viel baumreicher waren denn jetzt. Kraftsdorf soll früher an Nussbäumen reich gewesen sein, man sieht jetzt nur noch wenige. Der große Dorfplatz zu Weißenborn war früher mit vielen Pappeln bepflanzt, diese Bäume sind bis auf wenige gefällt worden und man vergaß neue zu pflanzen. Schöne Dorflinden besitzen Kraftsdorf und Schleifreisen.

In Hermsdorf müssten folgende Bäume geschützt werden:
- die beiden Buchen auf dem Berg
- die Pappeln unterhalb des Rathauses
- die Akazien am schwarzen Bär
- die Lutherlinde der an der Kirche
- die Friedenseiche an Reichenbacher Straße.

Auch mächtige Waldbäume bedürfen des Schutzes, so:
- die große Kiefer Oberndorf (Schulmeister genannt), jetzt inmitten der MUNA gelegen,
- die Samenkiefer an der Bobecker Straße (1943 vom Sturm abgebrochen) und die
- prächtige Fichte unweit der Ziegenmühle.

Diese letzten Sätze führen uns zum Naturschutz hin. Die Naturschutzbewegungen versucht die einheimische Tier- und Pflanzenwelt, geologische Eigenarten und die Schönheit des Landschaftsbildes zu erhalten. Das 19. Jahrhundert wird das naturwissenschaftliche genannt, aber kein Jahrhundert hat an der Natur so schwer gesündigt wie dieses. Durch die Sammlungen der Forscher ist manch seltene Pflanze, mancher Schmetterlinge und Käfer dem Aussterben nahe gebracht worden. An der Entstellung unserer schönen Heimat ist vor allem die Technik schuld. In die silberhellen Waldbäche wurden die Fabrikabwässer geleitet, Forellen und Krebse starben. Bachtäler wurden mit Fabrikschutt eingeebnet. Schöne Stellen der Heimat wurden durch Steinbrüche verwundet. Waldsümpfe entwässerte man und brachte die eigenartige Pflanzenwelt zum Aussterben. Aber allmählich kommt das deutsche Volk zur Besinnung und hält schützend die Hand über seine heiligen Güter.

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