Ereignisse am Ende des 2. Weltkrieges, die Zeit von 1943 – 1945, insbesondere die Tage im April 1945

 
Erlebnisberichte
 

Christa Schilling, geborene Herling - Tochter von Walter Herling, Schulstraße:

"Als die Sirenen am Mittag des 9.4.1945 heulten (Bemerkung dazu von mir: mir ist nicht mehr bewusst, dass Mittag die Sirenen gingen - es war ja so viel "los", dass sie eigentlich am frühen Morgen heulten) saßen wir gerade beim Essen, und wir rannten, was wir noch nie getan hatten, in den Luftschutzkeller. Das Brummen der herannahenden Flugzeuge ließ uns wohl keine andere Wahl. Der Keller lag am hinteren Ende des Hofes und als unsere große Schwester die Kellertür hinter sich schloss, krachte es auch schon. Vorsichtig die Tür einen Spalt öffnend rief sie entsetzt: "Jetzt brennt es bei uns!" Vor der Kellertür schlugen helle Flammen empor, und wir mussten uns durch einen engen Notausstieg, den mein Vater eine Woche vorher auf dringendes Anraten eines Luftschutzexperten durch die Mauer gestemmt hatte, ins Freie kriechen. Die Werkstatt mit dem darüber liegenden Heu- und Strohboden brannte lichterloh. Ein paar Nachbarn und Verwandte halfen uns, das unmittelbar angrenzende Wohnhaus zu räumen. Dank unseres Onkels, der auf das Dach geklettert war und alle anliegenden Latten und Balken mit der Axt abhackte, konnte das Übergreifen des Brandes auf das Wohnhaus zum Stoppen gebracht werden. Das Schlimmste aber war, dass jetzt Tiefflieger über die Brandstellen im Ort flogen und die Menschen, die ihre Habseligkeiten zu bergen und zu retten versuchten, beschossen. Die Nacht verbrachten wir Kinder in einem Nebenraum im Seitengebäude, während unsere Eltern ständig die Brandstelle kontrollierten, da immer wieder Flammen aus den glimmenden Balken und Holzvorräten in der Werkstatt schlugen."

Erlebnisbericht Rudolf Girbert, Jahrgang 1936:

“Zunächst möchte ich mich kurz vorstellen. Mein Name ist Rudolf Girbert, geboren am 30.10.1936 in Hermsdorf, Schulstr. 1. Dieses Gedächtnisprotokoll ist aus eigenem Erleben am 9. April 1945 entstanden.
Zur Vorgeschichte: Ich wohnte damals in der Eisenberger Str. 10. In meinem Elternhaus lebten u. a. meine Tante und mein Onkel aus Duisburg-Harnborn, wo sie bereits zweimal ausgebombt waren. Mein Onkel war vorübergehend als Bäckermeister in der damaligen Konsum-Bäckerei in der Wiesenstr. tätig. Meine Tante hatte mich zum Mittagessen eingeladen und deshalb war ich gegen Mittag in der Schulstraße.
Vormittags wurde bereits die „Hescho", insbesondere westlich der Naumburger Straße (so genannten Gelände II) durch amerikanische Flugzeuge bombardiert. Gerüchteweise wurde auch von Toten durch Tiefflieger gesprochen. Wir warteten auf meinen Onkel, um gemeinsam Mittag zu essen. Gegen 12.30 Uhr war plötzlich Fliederalarm."

(Hier muss ich unterbrechen: hier irrt Herr Girbert. Ich komme auf mein persönliches Erleben zurück: kurz nach 6.00 Uhr morgens bereits waren Tiefflieger über Hermsdorf! Ich hatte ja um 6.oo Uhr meine Musterung zu erleben. Es müsste also bereits zu diesem Zeitpunkt Fliegeralarm gewesen sein. Konkret kann ich mich nicht erinnern, aber, wie gesagt, um 12.30 Uhr gab es keinen (!) Fliegeralarm. ) Nun weiter im Text von Herrn Girbert:

„Meine Tante nahm mich an der Hand und wir begaben uns in den Luftschutzkeller des Nachbarhauses - Albin Kraft - Schulstr. 3. Dort hatten mehrere Leute aus der Nachbarschaft und die Bewohner des Hauses (möglicherweise auch Arbeiter des Sägewerkes) Zuflucht gesucht. Darunter waren auch einige Kinder (z.B. die Geschwister Heinz und Klaus Rosenkranz) und ein Kleinkind oder auch Säugling (im Körbchen). Nach kurzer Zeit waren ringsum Detonationen zu hören und Erschütterungen zu spüren. Plötzlich wurde eine sehr starke Erschütterung wahrgenommen. Alle glaubten, dass das Haus getroffen wurde. Tiefflieger heulten und Geschosse von Bordwaffen wurden abgefeuert. Die Menschen im Keller waren alle sehr unruhig und drängten nach dem Ausgang. Der Verantwortliche (?) ( mit Helm und Gasmaske ) hatte Mühe, die Leute zurückzuhalten. Er ging die Kellertreppe hinauf, um die Lage zu ergründen (wir Kinder waren natürlich immer ganz vorn.) Als wir auf den Hof sahen, brannte ringsum alles. Rechts, die Glaserei Wetzel, vor uns die Hintergebäude von Kraft und Girbert, links die Stellmacherei (Wagner) Emil Böhme und die Fleischerei Peukert. Der Keller sollte deshalb nicht über den Hof verlassen werden. Alles zurück in den Keller mit dem Hinweis „wir müssen den Schutzraum durch das Kellerfenster in Richtung Straße verlassen. Als alles nach dem Kellerfenster drängte, gab es eine starke Detonation und die gesamte Kellerwand einschl. Fensteröffnung brach in den Raum. Eine Bombe war direkt vor das Haus gesetzt worden."

„Die bereits am Fenster waren, besonders wir Kinder, konnten sich gerade noch retten. Panikartig stürmte alles wieder zur Kellertreppe und drängte hinaus. Durch herumliegende brennende Teile haben wir über den Hof das Grundstück in Richtung Schulstraße verlassen. Auf der anderen Straßenseite befand sich das Sägewerk der Gebrüder Kraft. Auch hier brannte alles. Ich sehe noch das Bild vor mir, als wir durch die Halle in Richtung Holzplatz gingen. Die Vollgattersägen waren rotglühende „Monster". Auch die Eisentür zwischen Halle und Sägewerk war eine glühende Platte.
Zum Schutz vor den Tieffliegern haben wir uns auf dem Holzplatz unter die Holzstammhaufen gelegt. Dort haben wir nahezu regungslos bis etwa 16.00 Uhr gelegen. Keiner wusste etwas vom Anderen! Gegen 16.00 Uhr etwa wurden wir dann in den Keller der Familie Schleif, Felsenkellerweg (E.-Werk) geholt und haben dort etwas zu essen und trinken bekommen. Wir waren alle noch am Leben. Ringsum brannte alles.

Ganz besonders waren Holzbetriebe betroffen wie z.B.

Sägewerk Kraft
Sägewerk Herling (Mops)
Kistenfabrik Puchta (ehemals Edmund Krautwurst)
Glaserei Wetzel
Böttcherei Gräfe
Tischlerei Klaus
Stellmacher Böhme
(Bemerkung: er hat Kistenfabrik Walter Herling vergessen)

Weiterhin waren

Zigarren-Schlegel
Cafe Rühling
Buchbinder Kramer
( hier irrt Her Girbert, dieses Haus wurde nicht beschädigt)
Fleischerei Peukert
Wohnhaus Schilling
Wohnhaus Füchsel
und die Schule mehr oder weniger ausgebrannt."

„Aber es gab auch noch weitere Teilschäden, wie z.B. Bombentreffer ohne Brandauslösung und Bombentrichter. Es waren insbesondere eine Vielzahl von Stabbrand- bzw. Phosphorbomben zum Einsatz gekommen.
Die Feuerwehren konnten wegen der Tiefflieger teilweise Hermsdorf gar nicht erreichen. Auch die Löscharbeiten wurden ständig durch Tiefflieger gestört, so dass eine gezielte Brandbekämpfung nicht möglich war. (Es waren auch Ausländer (Fremdarbeiter?) - schreibt Herr Girbert - bei den Löschkräften eingesetzt.)
Als die Amerikaner wenige Tage später Hermsdorf besetzten, schwelten teilweise immer noch Brandherde.
Eine sinnlose Zerstörung ziviler Ziele! Gez. R. Girbert"

Erlebnisbericht Frieda Weiß:

"Am Dienstag, dem 10. April, arbeiteten nur noch wenige Deutsche in der Hescho, und diese mussten sogar noch herangeholt werden. Den ganzen Tag über war Luftgefahr im Werk gegeben, man konnte sich nur wie ein Dieb am helllichten Tage auf der Straße bewegen.
Bei Einbruch der Dunkelheit fielen einige Bomben auf das Werk und einen Geschützzug, der seit einigen Tagen auf den Gleisanlagen neben dem Werk stand. Dabei sollen auch 2 Soldaten umgekommen sein. Ihre Namen sind nicht bekannt. Am Mittwoch, dem 11. April, fielen in den Vormittagsstunden gegen 11.00 Uhr Bomben auf das Bahnhofsgelände und einen Munitionszug, der auf den Gleisanlagen in der Nähe des Tunnels stand. In kürzesten Abständen gab es größere Explosionen und vernichtete den ganzen Wald in der näheren Umgebung. Durch die Bomben wurden auch mehrere Häuser in der Nähe des Bahnhofs beschädigt. Die Bevölkerung flüchtete in die Keller. Unter Leitung des Walter Hopfe, Hermsdorf, Wielandstr. 2, wurde die Übertunnelung des Raudenbaches zur Unterkunft von ca. 300 Personen eingerichtet. Von den Morgenstunden an bis spät saßen die Menschen dicht gedrängt, alt und jung in diesem Tunnel, immer in der Angst, wann würden die Amis eine Bombe vor den Eingang des Tunnels setzen; denn bei der großen Anzahl der im Tunnel
sich aufhaltenden Personen gingen immer Menschen ein und aus".