Landhilfe / Landdienst / Landdienstmädchen / Landdienstmädels

 

In der Weimarer Republik gab es unter der Bezeichnung Landhilfe ein arbeitsmarktpolitisches Angebot für Jugendliche, die nach dem achten Schuljahr (damals Vollzeitschulpflicht) die Schule verließen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde diese Maßnahme fortgeführt, ab dem Jahr 1934 ausgeweitet und als Landjahr für diese Schülergruppe verpflichtend. Die Jugendlichen wurden in Lagern zusammengefasst und erhielten dort auch eine national-politische Schulung. Sie war ursprünglich als Maßnahme gegen (Jugend-) Arbeitslosigkeit gedacht und sollte den Jugendlichen mögliche Berufsperspektiven in der Landwirtschaft aufzeigen und den Arbeitsmarkt entlasten.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde diese arbeitsmarktpolitische Maßnahme zunächst durch Erlass vom 03.03.1933 unter Beibehaltung der Bezeichnung „Landhilfe“ fortgeführt. Bis zum März 1934 waren 159.000 Jugendliche vorübergehend als „Landhelfer“ beschäftigt. Ihre Teilnahme wurde ihnen durch einen Landhelfer-Brief bescheinigt, dessen Vorlage bei Bewerbungen für landwirtschaftliche Berufe vorteilhaft war. Durch Gesetz vom 29.03.1934 wurde diese Maßnahme – zunächst probeweise in Preußen – zum neun Monate dauernden „Landjahr“ ausgeweitet, zur Pflicht erklärt und inhaltlich durch eine nationalsozialistische „Formationserziehung“ ergänzt. Das Landjahr war zunächst eine Ersatzlösung für eine allgemeine Einführung eines neunten Pflichtschuljahres, die finanzpolitisch nicht möglich war.
Als die nationalsozialistische Herrschaft gefestigt war, rückten andere Ziele in den Vordergrund. Neben einer berufslenkenden Absicht wurde die Heranbildung einer Elite angestrebt. In einer zeitgenössischen Informationsbroschüre heißt es:

„Das Landjahr ist eine staatliche Erziehungseinrichtung. Es untersteht dem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Im Landjahr sollen sorgfältig ausgelesene Jungen und Mädel zu verantwortungsbewussten jungen Deutschen erzogen werden, die körperlich gestählt und charakterlich gefestigt von dem Willen erfüllt sind, im Beruf und an jeder Stelle einsatzbereit dem Volksganzen zu dienen.“

Die einberufenen Jugendlichen wurden vom April bis Dezember in angemieteten Gemeinschaftsunterkünften wie ehemaligen Gutshäusern, Klöstern oder Wirtshäusern untergebracht. An drei bis vier Werktagen war der Vormittag dem Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft vorbehalten. In der Erntezeit wurde auch ganztägig gearbeitet. Eine Entlohnung war nicht vorgesehen; die Landjahrpflichtigen erhielten lediglich ein geringes Taschengeld von 0,05 RM täglich.

Der Erziehungsplan des Landjahrs umfasste für die Jungen „vormilitärische Ertüchtigung, Leichtathletik, Schwimmen, Boxen usw.“, für die Mädchen „Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen, Spiel und Tanz“. Als praktische und vorberufliche Erziehung werden für die Jungen „Werkarbeit, Arbeit im Lager, im Garten und beim Bauern“ aufgeführt, für die Mädchen „Küchenarbeit, Hausarbeit, Wäschepflege, Nähen und Flicken, Gartenarbeit, Hilfe im Dorfkindergarten und beim Bauern“. Auch die „Nationalpolitische Schulung“ wird als wesentlicher Bestandteil der Erziehung genannt. Abgeschirmt vom Elternhaus und Kirche waren die Jugendlichen einer Lagererziehung mit Diensten, Appellen, Ordnungsübungen, Geländespielen und Feiern mit nazistisch geprägtem Liedgut ausgesetzt. Bewerberinnen, die das Landjahr absolviert hatten, wurden in den Ausbildungsgang zur Kinderpflegerin oder als NS-Schwester bevorzugt aufgenommen.

Das Landjahr wurde auf die Ausbildungszeiten einer „Landarbeitslehre“ und einer „ländlichen Hauswirtschaftslehre“ sowie teilweise auch auf andere Lehrzeiten, die Lehrerausbildung und das später eingeführte „Pflichtjahr“ angerechnet. Begabten Jungen wurde überdies die Aufnahme in eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt oder eine Freistelle in einer Aufbauschule in Aussicht gestellt. Die Zahl der eingezogenen Landjahrpflichtigen betrug 1934 rund 21.000, stieg 1937 auf ein Maximum von 32.000 und sank bis 1944 auf rund 16.000 ab. Während anfangs die männlichen Teilnehmer überwogen, kehrte sich das Verhältnis am Ende kriegsbedingt um.
Die staatlichen Aufwendungen für einen Schüler im Landjahr betrugen rund 500 RM und überstiegen die Kosten für Schüler einer Mittelschule erheblich. Ab 1937 wurden die Finanzmittel für das Landjahr gedrosselt.

Das Landjahr stand in Konkurrenz zum Pflichtjahr und Reichsarbeitsdienst, die ab 1934 für männliche und 1939 für weibliche Jugendliche verbindlich wurden. Das Pflichtjahr konnte als „Landdienst“ in einem bäuerlichen Betrieb abgeleistet werden. In den Meldungen aus dem Reich, den geheimen Lageberichten des Sicherheitsdienstes, wird für 1938 eine anhaltende „Landflucht“ beklagt, die sogar die landwirtschaftliche Produktion gefährde. Die Bereitwilligkeit für den Landdienst sei unzureichend, oft wichen die weiblichen Jugendlichen aus und würden ihr Pflichtjahr lieber in der städtischen Hauswirtschaft ableisten.

Vorbereitungslager für den Landdienst von Mädchen und Jungen lagen oft dicht nebeneinander, was zur Folge hatte, dass es vor allem 1936 gehäuft zu Schwangerschaften kam. Allein bei 900 der BDM - Mitglieder, die in jenem Jahr vom Reichsparteitag in Nürnberg zurückkehrten, wurden anschließend Schwangerschaften festgestellt.

Gesindehaus
Blick in den Hof der Gaststätte "Zum Schwarzen Bär"
Rechts die heutige "Bärenhöhle" war Stall,. Hinten links das später abgerissene
"Gesindehaus", dort befand sich auch die Druckerei Aeppler.
Im hinteren Teil waren die Landdienstmädchen untergebracht.
 

Landdienstmädels in Hermsdorf

Nach einem Erlebnisbericht von Horst Beyer
 

Unsere Senioren sind heute ab und zu auf „großer Fahrt“ und treffen so  Senioren anderer Orte. Oft wird dann die Frage gestellt, wo jeder her kommt. So begann auch eine Geschichte, die der nun 80jähriger gebürtige Hermsdorfer Horst Beyer erlebte.

Eben auf diese Frage bekam er von Elfriede Lang, geborene Reich, die Antwort: „Aus Meuselwitz.“ Die Gegenfrage beantwortete er mit Hermsdorf. Elfriede berichtete, dass sie in ihrer Jugendzeit in Hermsdorf gewesen sei. Nach ihrer Schulentlassung war sie von April 1942, bis März 1943, als Landdienstmädel in Hermsdorf. Mit ihr waren etwa 15 Mädel des Jahrganges 1927 verschiedenen Bauern in Hermsdorf zugeteilt. Elfriede war bei den Strobel' s, in der heutigen Alten Regensburger Straße. Das Dienstlager befand sich im Hof der Gaststätte „Zum Schwarzen Bär“. Dieses Haus, früher auch als „Gesindehaus“ bezeichnet, beherbergte damals auch die Druckerei Aepler. Die Landdienstmädel waren im hinteren Teil untergebracht. Der Eingang befand sich an der Seite, in Richtung der Akazie. Das Haus wurde später abgerissen, heute befindet sich dort ein Parkplatz des Hotels.
Sie berichtete noch, dass sie hier einen Freund, Werner Hänseroth, und erinnerte sich, das Frau Strobel, wenn 18:00 Uhr Arbeitsschluss war, öfter zu ihr sagte: „Du musst dich beeilen, dein Freund wartet schon auf der Straße!"
Der damalige Freund lebt auch noch, er ist Witwer, und fährt jeden Tag mit seinem Fahrrad. Für Horst Beyer konnte das noch nicht alles gewesen sein. Seine Gedanken gingen zurück in die Kriegsjahre, an die Landdienstmädels von damals, an verschiedene Bauern wo Landdienstmädels beschäftigt waren. Manche hatten es gut, manche sehr schwer. Da waren unter den Mädels, die nach Hermsdorf kamen, auch drei aus Oberschlesien. Diese konnten 1945 durch die Kriegswirren nicht zurück und von wurden von ihren Bauern aufgenommen. Dort hatten sich  gut eingewöhnt und wollten hier bleiben, mussten aber dann 1948 doch zurück nach Polen. Horst erinnerte sich, dass seine Nachbarin Ilse verw. Schlegel auch hier im Landdienst war und später Heinz Schlegel in Hermsdorf geheiratet hatte. Es ergab sich beim nächsten Einkaufen, dass er sie traf.  In der Folge wurde ein Treffen organisiert, zu dem auch Elfriede Lang aus Meuselwitz kam.
So kam es, dass sich Leute trafen, die sich 65 Jahre nicht gesehen hatten. In der Unterhaltung wurden Fotos betrachtet und viele Erinnerungen ausgetauscht. Es wurde aber auch der Wunsch geäußert noch weitere Mädels von damals zu finden. Leider gibt es keine Anschriften und die Mädchennamen sind durch Heirat nicht mehr aktuell. In der Zwischenzeit konnte die Elfriede Planer verheiratete Balzereit, auch ein Landdienstmädel von damals ausfindig gemacht werden.

Landdienstmädels
Landdienstmädels in Hermsdorf
Im Hintergrund (Blick in die Neue Gasse) ist das Caffe Rühling zu sehen.
Landdienstmädels
Landdienstmädels in Hermsdorf
Die Aufnahme entstand im Freibad.
Landdienstmädels
Landdienstmädels in Hermsdorf
Landdienstmädels
Treffen von Elfriede, Ilse und Werner in Hermsdorf 2008
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