Am
08.11.1895 entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen (1845 - 1923) in
seinem Labor in Würzburg die ein Jahr später nach ihm benannten
Strahlen. Die deutsche Industrie erkannte bald das neue Fachgebiet. Anfang
der 1930-er Jahre kamen zwei Meister jenes Fachs aus Süddeutschland
nach Gera und fanden in der Firma Traugott Golde AG eine neue Beschäftigung.
Ab 1934 produzierte die Abteilung Röntgenwerk die ersten Röntgeneinrichtungen.
Dazu zählten das Universal-Untersuchungsgerät „Golde
- Rotaskop", die Röntgenapparate der „Perfex" -
Serie, die Rollfilmkassetten mit Kondensatorapparat und der Röntgen-Musterungszug.
In verhältnismäßig kurzer Zeit konnten sich diese Produkte
mit der großen Konkurrenz messen. 1940 / 41 trennte sich die Fa.
Golde wegen anderer Vorhaben aber von der Röntgenproduktion. Zwei
Herren aus dem Röntgenwerk machten sich im Einvernehmen mit der
Fa. Golde selbstständig. Herbert Patzer gründete eine
neue Firma, die später als „Röntgen-Patzer" Hermsdorf
bekannt wurde. Herr Böhme siedelte seine Firma in der Geraer
Flurstraße
6 als „Ingenieur A. Willy Böhme, Spezial-Fabrik für Röntgen-
und elektromedizinische Apparate" an. Er übernahm aus dem Golde
- Programm die Fertigung der Röntgenapparate „Perfex 25" und „Perfex
50" mit entsprechenden Geräten. Ein Gerät wurde, in Zusammenarbeit
mit Dr. med. R. Schwetas, einem Geraer Lungenspezialisten, entwickelt
und erhielt den Namen „Schwetas - Stativ". Zum weiteren Fertigungsprogramm
gehörten diverse Lichtbäder und Milchbrustpumpen.
Nach Ende des 2.
Weltkrieges wurde der Betrieb von Herrn Böhme
enteignet. Die Produktion wurde zunächst mit gleichem Sortiment
fortgeführt. Anfang der 1950-er Jahre wurde aus dem landeseigenen
Betrieb der Volkseigene Betrieb (VEB) Röntgenwerk Gera. Zur Versorgung
des Gesundheitswesens erfolgte eine Sortimentserweiterung. Für die
Röntgen-Werker aus Gera hieß es, Neuland zu betreten. Erzeugnisse
wie die Röntgen-Flachblende, Röntgen-Dental-Einrichtungen,
Röntgen-Schichtaufnahmegeräte u. a. mussten neu konstruiert
und in die Produktion überführt werden. Mit „Piccolo" wurde
der kleinste Röntgen-Apparat der Welt kreiert, der in Fachkreisen,
auch im Ausland, Beachtung fand. Exporte, wie zum Beispiel nach Belgien,
belegten die Leistung des Werkes.
Da die Produktionsräume in der Flurstraße nicht mehr ausreichten,
wurde das leer stehende Fabrikgelände der ehemaligen Firma Friedrich
Erdmann in der Franz-Mehring-Straße 39 d neue Geraer Röntgenwerk
mit allen Fertigungsbereichen.
Das Transformatoren- und Röntgenwerk Gera, Franz-Mehring-Straße,
hier eine Aufnahme vom Sommer 1978.
Nach über sechs Jahrzehnten wurde 1995 hier die Produktion eingestellt.
Seit dem Februar 2004 gibt es selbst das hier gezeigte Gebäude
nicht mehr. (Foto: privat)
1958 wurde das Geraer
Röntgenwerk Zweigbetrieb des Transformatoren-
und Röntgenwerk Dresden. Seit dieser Zeit erfolgten verschiedene
Investition zur Verbesserung des Gesamtablaufs der Produktion. Die gesamte
Röntgen-Dentaltechnik wurde zu Gunsten der CSSR spezialisiert. Damit
wurde das Gera Röntgenwerk zum Röntgen-Gerätehersteller
und seine Konstrukteure modernisierten den Arbeitsplatz für Röntgenaufnahmen.
Ab 1993 belieferte das Geraer Werk den Siemens-Konzern und wurde als
dessen Standort 47 geführt.
Mit der Wende 1989/90 trennten sich die Wege zwischen den Betrieben Dresden
und Gera. Die Perspektive der Geraer Werke war unklar. Mit der Treuhand
gab es unterschiedliche Versuche der Privatisierung. 1992 gründeten
Wolfgang Rösken und Klaus Kunze den Betrieb AFG Röntgengeräte
und Systembau Gera GmbH. Mit neuen Erzeugnissen und Kooperationsleistungen
wurde die Produktion bis 1995 fortgeführt, bis im Oktober 1995 Sequestration
angeordnet wurde.
Von
Gerhard Brendel und Horst Michael Gera |
Der
Betrieb „RÖNTGEN-PATZER” wurde in Hermsdorf am 01.10.1945
gegründet. Der Gründer, Herbert Patzer, wählte bereits
als junger Mensch die Röntgentechnik als seine Lebensaufgabe. Gelernt hatte er in Hermsdorf bei der Firma Sänger. Durch
seine jahrelange Tätigkeit auf diesem Gebiet hatte er sich gute Kenntnisse
und Erfahrungen erworben. Mit fünf Mitarbeitern wurde ein Unternehmen
ins Leben gerufen, das schon nach wenigen Jahren durch seine verhältnismäßig
schnelle Aufwärtsentwicklung für den Aufbau des Gesundheitswesens
Bedeutung erlangte. Vor allem galt es, einen Röntgenzug dem Gesundheitsdienst
zur Bekämpfung der Tuberkulose wieder arbeitsfähig zur Verfügung
zu stellen. Bereits 1948 konnte dieser Zug wieder eingesetzt werden. Die
ersten Jahre seit der Gründung des Betriebes waren hauptsächlich
mit der Fertigung von Bedarfsgütern ausgefüllt, da die Materialbasis
für eine Röntgenfertigung noch nicht vorhanden war.
Aus Benzinleitungen von Flugzeugen wurden
z. B. Tauchsieder, aus Gasmasken elektrische Kocher, aus Bomben Sägespäneöfen
und Kartoffeldämpfer und einiges mehr gefertigt. Die Zwischenzeit
wurde aber auch zu Neuentwicklungen genutzt, die später der Fertigung
von Röntgen- und elektromedizinischen Geräten dienen sollten.
Erst im Jahre 1948 konnte praktisch mit der Produktion begonnen werden.
Es handelte sich dabei fast ausschließlich um Apparate für
Röntgenreihenuntersuchungen zur Tuberkulosebekämpfung, die in
den Tuberkulosefürsorgestellen eingesetzt wurden. Die Belegschaftsstärke
hatte inzwischen 35 Mitglieder erreicht. In Gemeinschaftsarbeit mit den
vorhandenen technischen Kadern und einem Stamm guter Facharbeiter, die
größtenteils aus eigener Lehrlingsausbildung hervorgegangen
waren, wurden laufend Neuentwicklungen von Röntgengeräten und
Zubehör durchgeführt, so dass bereits 1949 - im Jahr der Gründung
der Deutschen Demokratischen Republik - die serienmäßige Fertigung
auf genommen werden konnte. Bereits in diesem Jahr war es möglich,
eine transportable Schirmbildanlage mit strahlensicherer Kabine, einer
vollautomatischen Filmkamera und einem in Kleinstformat gehaltenen Vierventil-Röntgenapparat
in die Produktion aufzunehmen. Diese Anlage erregte nicht nur im Inland,
sondern über die Grenzen der damaligen DDR hinaus auf der Leipziger
Frühjahrsmesse 1950 größtes Interesse und Beachtung in
der Fachwelt, da zu diesem Zeitpunkt ähnliche Apparate in einer derart
gut entwickelten Ausführung noch nicht auf dem Markt waren.
Diese transportable Anlage war die Grundlage für den Aufbau der heutigen
Schirmbildstellen und die Voraussetzung für die Einrichtung der Röntgenreihenkataster.
Im Jahre 1951 wurde weiterhin eine Nebenproduktion auf dem Gebiet der
Wärmetechnik, speziell in elektrischen Heizrohren, aufgenommen. Bis
zu diesem Zeitpunkt mussten diese Erzeugnisse für die Industrie der
ehemaligen DDR noch aus der BRD eingeführt werden. In Anbetracht
der bereits gesammelten Erfahrungen in der Fertigung von Heizrohren für
den Eigenbedarf zum Einbau in medizinische Geräte war es möglich,
die Industrie, speziell die chemischen Großbetriebe, zu versorgen.
Im Zuge der Rekonstruktion und Spezialisierung der Betriebe wurde diese
Produktion später zum Teil verlagert, da auf Empfehlung der Betrieb
Patzer nur noch auf dem Sektor „Röntgen” produzieren
sollte.
Vor große Aufgaben wurde er gestellt, als ihm ein Exportauftrag
über 20 Stück Röntgenwagen für die Sowjetunion übertragen
wurde, der sich auf die Jahre 1963 bis 1965 erstreckte. Zur gleichen Zeit
stand die zusätzliche Fertigung von 20 Röntgenreihen-Untersuchungswagen,
Typ „Weimar“, mit den neuesten technischen Mitteln und Geräten
ausgerüstet, auf dem Programm. In den Folgejahren wurde, außer
mehreren anderen Apparaten und Geräten, besonders auch das Schirmbildgerät
SMJ mit der Röntgenfilmkamera des VEB Carl Zeiss JENA, weiterentwickelt
und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Es würde zu weit
führen, auch die übrigen Erzeugnisse des Betriebes noch besonders
zu erwähnen, die eine umfangreiche Palette darstellen.
Das Firmenzeichen „Röntgen-Patzer" mit der Röntgenröhre
als Symbol (s. Anzeigenteil), welches sich in den Fachkreisen inzwischen
eingeprägt hatte, wurde zum Qualitätsbegriff für Patzer-Erzeugnisse.
Ein steter Aufstieg des Betriebes war zu verzeichnen. Im Jahre 1955 waren
100 Mann beschäftigt. Nach einer Vielzahl elektromedizinischer Geräte,
mit denen viele Krankenhäuser, Polikliniken und Ambulanzen im Laufe
der Zeit ausgerüstet werden konnten, lag das Hauptaufgabengebiet
der Firma Patzer in der Fertigung von Röntgenanlagen für Reihenuntersuchungen
im Schirmbild- und Großbildverfahren.
Ein weiteres für den Chirurgen produziertes Gerät war das K
o p f k r y p t o s k o p, mit welchem der Arzt im hell erleuchteten Operationssaal
während der Operation Fremdkörper erkennen konnte.
Am 30.10.1958 nahm die Firma Patzer als einer der erster Betrieb im ehemaligen
Kreis Stadtroda die Produktion mit staatliche Beteiligung auf. Es war
der freie Entschluss des Privatunternehmers Herbert Patzer. Er sah darin
eine Perspektive gegeben, die mit Unterstützung des Staates eine
systematische Weiterentwicklung ermöglichte. Dies wirkte sich vor
allem in der Erweiterung der Produktionskapazitäten und Materialversorgung
positiv aus.
Komplizierte Geräte, wie z. B. das Spitzenerzeugnis „Hochdruckinjektionsgerät
DZ 11” erforderten eine gut entwickelte Technologie und qualifizierte
Fachkräfte. Dieses Gerät, das Kernstück des funktionsdiagnostischen
Arbeitsplatzes, wurde 1970 zur Leipziger Herbstmesse mit einer Goldmedaille
ausgezeichnet.
Der Betrieb Patzer legt besonderen Wert auf eine gute Zusammenarbeit mit
den Erzeugnisgruppen und dein wissenschaftlich-technischen Zentrum bei
weiteren Neuentwicklungen und entwickelt verstärkte Kooperationsbeziehungen
zu den Großbetrieben der radiologischen Technik und dem wissenschaftlichen
Gerätebau.
Der Firmengründer Herbert Patzer leitete den Betrieb bis 1963 (†30.10.1963).
Sein Sohn Dipl.-Ing. Horst Patzer war Techn.Direktor bis 1963, er hatte
besondere Verdienste bei der Entwicklung einer Belichtungsautomatik für
die Röntgengeräte. Horst Patzer nutze 1963 eine Reise mit dem FDGB Urlauberschiff
"Völkerfreundschaft" aus, um die ehemalige DDR zu verlassen.
1970 konnte der Betrieb noch das 25-jährige Firmenjubiläum feiern.
Wenige Jahre später wurde er, wie die meisten der Betriebe in einen
Volkseigenen Betrieb umgewandelt. In der Folge wurde daraus der VEB Carl
Zeiss Jena, Fertigungsbereich Hermsdorf und ab 30.06.1990 bis zur endgültigen
Schließung im Herbst 1992 JENOPTIK GmbH, Werkteil Hermsdorf. Produziert
wurde bis zum 30.04.1992
- Röntgendiagnose-Geräte
- Helium-Neon-Laser
- Elektrowärmegeräte
und
- Krankenhaus-Einrichtungen.
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