Die Geschichte der Dampfziegelei Hermsdorf - Teil 1 - 1897 bis 1936 (zum Teil 2)

© Friedmar Kerbe & Stefan Lechner

 
Hugo Schlenzig Auf den ersten Blick erinnert in Hermsdorf nur noch die Bezeichnung „Ziegeleiweg“ als Verbindung zwischen Schulstraße und Schleifreisener Weg an eine ehemalige Dampfziegelei.
Sie wurde 1897 vom Bautechniker Albin Hugo Schlenzig (Foto) gegründet, der am 03.03.1871 in Lessen, Pfarramt Roben, geboren wurde.


Der Standort, geologisch im mittleren Buntsandstein am Rande des Thüringer Beckens gelegen, wies für abbauwürdigen Lehm nur eine Mächtigkeit von ca. 1,5 bis 2 m auf. Schlenzig musste von Bauern als Abbaufeld eine verhältnismäßig große Fläche pachten. Vom Mutterboden befreit wurde der Rohstoff manuell abgestochen, in Kipploren einer gleisgebundenen Feldbahn verladen und unter Ausnutzung des leicht abschüssigen Geländes dem Ziegeleibetrieb zugeführt. Erschöpftes Grubenfeld musste dann für eine landwirtschaftliche Nutzung wieder renaturiert werden.
Noch heute kann man sich von der Großflächigkeit des ehemaligen Abbaureviers ein anschauliches Bild machen: Geht man den „Grünen Weg“ entlang bis zur Werner-Siemens-Straße stößt man auf einen Hang, der in etwa die Begrenzung des Grubenfeldes markiert. Entlang dieses Hanges in südöstlicher Richtung gelangt man auf eine große ebene Wiese, die von einem 1 bis 2 m hohen Erdwall begrenzt wird.
Auf Grund der örtlichen geologischen Gegebenheiten war die Lehmgewinnung relativ kostenintensiv im Vergleich zu anderen Ziegeleien, die Mächtigkeiten bis zu 10 m und mehr abbauen konnten. Trotzdem konnte sich die Hermsdorfer Ziegelei gegenüber Ziegeleien der Umgebung wie Eisenberg, Gera, Neustadt und Stadtroda behaupten; die Ziegelei in Oberndorf musste beispielsweise schließen.
Als Standortvorteil der Hermsdorfer Ziegelei wird auch deren „Höhenlage“ angeführt, was zumindest vorteilhaft war, solange der Abtransport der Ziegel mit Pferdegeschirr erfolgte.
 

Das derzeit bekannte älteste Dokument zur Hermsdorfer Ziegelei stammt von 01.05.1897; es ist eine „Zeichnung zur Erbauung einer Vorratsschuppe, sowie zu einer Geräthe- und Arbeiterbude auf dem Grundstücke des Herrn Ziegeleibesitzers Hugo Schlenzig in Hermsdorf, S.A.“.

 
Zeichnung zur Erbauung eines Vorratsschuppens vom 01.03.1899 mit Lageskizze
Pfeil 1 = heute Rodaer Straße    Pfeil 2 = heute Ziegeleiweg     Pfeil 3 = heute Schleifreisener Weg

Das vom Herzoglichen Gewerbe-Inspektor zu Altenburg geprüfte und vom Herzoglichen Sächsischen Landratsamt Roda genehmigte Vorhaben beinhaltet einen Lageplan auf dem Grundstück des Herrn Schlenzig (Flurb. No. 514) am „Weg nach Schleifreisen“ / “Feldweg nach Hermsdorf“, aus dem neben den zwei projektierten Gebäuden auch die damals bereits vorhandene Bausubstanz ersichtlich ist: Zwei Trockenschuppen und ein Brennofen mit Schornstein.

Zeichnung zum Neubau eines Ringofens und eines Dampfschornsteines für den Ziegeleibesitzer Herrn Hugo Schlenzig, Hermsdorf, S.A

In den ersten Jahren zählte man 10 Beschäftigte. Die Ziegel wurden im Handstrichverfahren geformt. Eine wachsende Nachfrage veranlasste Hugo Schlenzig im Zeitraum 1900 bis 1903 zur Betriebserweiterung und Modernisierung. Gemäß „Zeichnung zum Neubau eines Ringofens und eines Dampfschornsteines für den Ziegeleibesitzer Herrn Hugo Schlenzig, Hermsdorf, S.A.“ vom 24.11.1901 (Bild oben), geprüft vom Herzoglichen Gewerbe-Inspektor zu Altenburg am 11.12.1901 und genehmigt am 23.12.1901 vom Herzoglichen Sächsischen Landratsamt Roda, wurde der Bau eines Hoffmannschen Ringofens mit 16 Kammern beantragt; die projektierte Schornsteinhöhe betrug 20 m.
Dass Schlenzig auf ein so modernes Ofenaggregat wie den Hoffmannschen Ringofen setzte, zeigt seine Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Neuerungen. Bekanntlich war die Erfindung des Ringofens durch F. E. Hoffmann und A. Licht eine revolutionierende Entwicklung für die Ziegelindustrie, die am 27.05.1858 beim Preußischen Patentamt zum Patent angemeldet worden war.
Der oben rechts im Bild dargestellte Situationsplan weist neben dem projektierten Rundofen nebst Schornstein folgende bereits vorhandene Gebäude aus: Zwei Trockenschuppen, drei weitere Schuppen und ein Kessel- und Maschinenhaus. Noch nicht existent im Jahre 1901 war das spätere Wohnhaus von Hugo Schlenzig am Schleifreisener Weg 10.

 

Für den Absatz der Ziegel um die Jahrhundertwende dürfte die sich damals rasch erweiternde Porzellanfabrik Hermsdorf - Klosterlausnitz ein potenzieller Abnehmer gewesen sein, wurde doch deren historische Gebäudesubstanz ausschließlich in Ziegelbauweise errichtet. Berichtet wird auch, dass die Ziegelei Neustadt zum gleichen Preis nach Hermsdorf Ziegel lieferte wie der ansässige Ziegeleibetrieb. Existent ist noch ein Lieferschein vom 30.06.1906, wonach Schlenzig per Pferdegeschirr im Zeitraum 23. bis 30.04.1906 für die Gemeinde Hermsdorf in die Schulstraße insgesamt 1230 Mauerziegel lieferte - siehe unten. Diese Ziegel wurden für den Bau des neuen Schulgebäudes - heute Musikschule - verwendet.

 
 
Luftbildaufnahme 1910-1912

Luftbildaufnahme zwischen 1925 und 1930 entstanden. Der im Juli 1925 beantragte Schornstein (siehe unten) steht schon, das
1930 vor der Kirche eingeweihte Kriegerdenkmal steht noch nicht.
Klick auf Foto für großes Bild.

01 = Wohnhaus Ziegeleibesitzer Schlenzig (heute Weidenhaun)  | 02 = Ziegelei Schlenzig | 03 = heutiger Schleifreisener Weg | 04 = Lehm Abbaufeld
05 = Brücke Naumburger Straße Bahnlinie Gera-Weimar | 06 = Familienhaus Naumburger Straße 1890 errichtet, 1963 abgerissen
07 = Schornstein zum Sägewerk W.Albin Wötzel (1897 gegründet) neben der Schule | 08 = Schornstein zum Elektrizitäts- und Sägewerk Völkel (1903 gegründet) später Kraft |
09 = Schule (heute Friedensschule - am 09.04.1945 ausgebrannt) | 10 = Schule (heute Musikschule) | 12 = Kinderheim | 13 = Schulstraße | 14 = Gärtnerei Kirchner

 
Zeichnung - Antrag Bau eines Schornsteins.
 
Wie alle damaligen Ziegeleien arbeitete auch die Hermsdorfer Dampfziegelei im typischen Saisonbetrieb von Frühjahr bis Spätherbst. Es wurden jährlich etwa ¾ Millionen (an anderer Stelle sind 1,2 Millionen Stück genannt) Ziegel im Normalformat hergestellt von etwa 25 Arbeitskräften, die Hälfte davon Frauen. Während der Betriebsruhe im Winter waren nur 2 bis 3 Arbeiter beschäftigt.
Beschäftigte
Auf dem Foto ist eine Gruppe Ziegler (rechts außen Hugo Schlenzig) mit ihren
typischen Arbeitsmitteln, u.a. Handstrichformen, dargestellt.
 
Charlotte Schlenzig

Am 07.10.1928 verstarb Hugo Schlenzig 57-jährig in Hermsdorf.

In direkter Erbfolge übernahm seine Tochter Charlotte, geboren am 05.01.1899, als alleinige Besitzerin die Ziegelei (Bild links).

Auch sie bewohnte das Haus Schleifreisener Weg 10, dessen Bau in den Zeitraum nach 1901 bis vor 1905 einzuordnen ist. Hier wohnte ebenfalls Franz Schlenzig, der Bruder von Hugo, der in Einwohnerverzeichnissen von Hermsdorf (1912, 1925, 1928) als Ziegeleiarbeiter ausgewiesen ist.

Charlottes Bruder Otto war später als promovierter Jurist in Ebeleben als Amtsgerichtsrat tätig und ist 1945 im Krieg gefallen.

In den Anfangsjahrzehnten des 20. Jahrhunderts bot die Dampfziegelei Hugo Schlenzig mit Wohnhaus Schleifreisener Weg 10 folgende Frontansicht: (Bilder unten); auf der linken Ansicht ist auch der Leitungsmast einer Stromleitung erkennbar.
 
Ziegelei Ziegelei
 
   

Etwa 1934 wurde im Dampfmaschinengebäude ein Dieselaggregat der Firma Deutsche Werke Kiel AG installiert (Foto rechts vom 26.03.1934, mit Charlotte Schlenzig und links neben ihr Maschinist Schurmann). Aus dem entsprechenden Fundament- und Aufstellungsplan geht eine Motorleistung von 75 PS bei 375 U/min hervor. Eine spätere Umstellung auf elektrischen Betrieb mit einem großen Schleifringläufer ist zeitlich nicht belegbar.

Im November 1933 ist (gemäß Stadtrodaer Zeitung vom 24.11.1933) der Verbindungsweg von der Schulstraße nach dem Schleifreisener Weg als „Ziegeleiweg“ benannt worden.

Für 1936 wird von einer Produktionssteigerung auf 2,5 Millionen Ziegel berichtet, wobei der Preis für 1000 Stück bei 35 RM gelegen haben soll. Im Jahr 1936 / 1937 wurde die Ziegelei an den Bauunternehmer Erich Heuschkel verpachtet
(siehe Teil 2 der Chronik).

Besitzerin Charlotte Schlenzig (* 05.01.1899 † 20.11. 1983) war 1945 bei der amerikanischen Besatzungsmacht als Dolmetscherin tätig.

Ab 1949 als CDU-Mitglied Gemeindevertreter in Hermsdorf. Ab 1950 gehörte sie dem Wohnungsausschuss an und schied 1951 als Abgeordnete aus der Gemeindevertretung aus.

Am 14.02.1958 erhielt sie die Erlaubnis, das verbliebene Maschinenhaus in eine Wäscherei umzubauen. 1959 wurde die Wäscherei „Phönix“ eröffnet. Ihr Haus, Schleifreisener Weg 10, hatte 1965 Malermeister Karl Weidenhaun erworben. Dieses Haus wird auch heute noch von der Familie Weidenhaun bewohnt, die im Zuge der Betriebserweiterung der KWH ihren Geschäftssitz in der damaligen Karl-Marx-Allee 12 aufgeben musste. Es wurde 1963 abgerissen und stand in etwa Höhe des heutigen Kreisverkehrs am Stadthaus.

Charlotte Schlenzig bezog eine AWG - Wohnung am Käthe-Kollwitz-Platz 11 in Hermsdorf.
Sie verstarb am 20.11.1983.     


Die Deutsche Werke durfte nach dem 1.Weltkrieg wegen den Versailler Verträgen keine Waffen mehr herstellen. Da die Giessereien und Schmieden noch vorhanden waren, wurden 1920 die ersten Bettgestelle, Wasserhähnen, Abwasserdeckel und landwirtschaftliche Maschinen gebaut. Im gleichen Jahr fing man mit dem Fahrzeugbau an, wobei nicht nur die D-Räder, sondern auch Bahnwagons entstanden. Durch den Einfluss der Waffenschmiede waren die D-Räder auch sehr robust und schwer gebaut. Qualität wurde hoch angepriesen.   Die „Deutsche Kraftfahrzeugwerke AG“ war ein Tochterunternehmen der „Deutschen Werke AG“.
 

Mehr zu den Deutschland Werken siehe unter:

D-Rad

 
Seitenanfang