Bäckerei Stöbe / Rödiger - Konsum - Eisdiele - heute Blumenwerkstatt

  • Gründung der Bäckerei durch Gustav Stöbe im Jahr 1888, das Haus in der Abbildung unten wurde einige Jahre zuvor auf dem ehemaligen Grundstück Martin erbaut
  • In den alten Adressbüchern finden sich zu Stöbe & Rödiger folgende Einträge:
    1912: Gustav Stöbe, Bäckermeister Bahnhofstr. 25 Hausbesitzer
    1925: Friedrich Stöbe, Bäckermeister Bahnhofstr. 25
    1928: Friedrich Stöbe, Bäckermeister Bahnhofstr. 25 - Gustav Stöbe, Bäckerei Bahnhofstr. 25
    1939: Friedrich Stöbe, Bäckermeister Bahnhofstr. 25 Telefon 421 - Gustav Stöbe, Bäckermeister in Ruhe Bahnhofstr. 25
    1948: Friedrich Stöbe, Bäckermeister Bahnhofstr. 25 - Rödiger Heinz, Bäckermeister Bahnhofstr. 25
  • Gustav Stöbe übergab das Geschäft an seinen Sohn Karl, Friedrich (Fritz) Stöbe in den 20er Jahren.
  • 1925 / 1926 erfolgte an das Haus ein Anbau und somit die Erweiterung der Wohnung und der Bäckerei
  • Im Jahr 1943 erhielt Friedrich Stöbe eine amtliche Anzeige wegen zu leichter Backwaren, hierzu erfolgten halbjährliche Kontrollen der Behörden - siehe auch "Kriminalfälle"
  • Friedrich Stöbe hatte eine Tochter Gisela, diese heiratete 1947 den Heinz Rödiger (Bäckermeister), bereits vier Wochen nach der Hochzeit übergab Friedrich Stöbe das Geschäft an seinen Schwiegersohn Heinz Rödiger. Für die Hermsdorfer blieb das Geschäft stets "Stöbensbäcker"
  • Unmittelbar nach der Geschäftsübernahme wurde die Bäckerei modernisiert, im Ladengeschäft wurde außerdem ein kleines Kaffee
  • 10.05.1949 Bäckermeister Heinz Rödiger erhält die Erlaubnis zur Herstellung von Speiseeis und eine Eisverkaufsstelle eingerichtet.
  • 03.05.1953 gehen Gisela und Heinz Rödiger in die Bundesrepublik nach Kulmbach, später in Bayreuth und Bad Kissingen (siehe weiter hinten).
  • Noch im gleichen Jahr wird die Bäckerei enteignet und wird KONSUM - Bäckerei, später nur noch Kaffee und Eisdiele.
  • 05.04.1964 Gisela & Heinz Rödiger kehren in die DDR zurück - Aufnahmeheim Eisenberg - Saasa.
  • 05.05.1964 Entlassung aus dem Aufnahmeheim nach Hermsdorf, Arbeit in den Keramischen Werken Hermsdorf.
  • Das Geschäft blieb weiter KONSUM und es wurde dort etwa bis Ende der 60er Jahre auch noch gebacken und man konnte die hausgebackenen Kuchen dort hinbringen. Das Kaffee blieb weiter bestehen.
  • in Kommission wurde das Geschäft dann durch verschiedene Personen geführt - Stoye - Kubisch, weiter 1988 - 31.12.2001 durch die Handelsgesellschaft Bsteh (HA-SE) und zuletzt durch Kosma.
  • Kauf des Objektes im Jahr 1994 - Sanierung und Ausbau zum Blumengeschäft Bohrisch,
    Geschäftseröffnung 1996. (siehe hinten)
 

Ausschnitt aus dem Foto oben von 1925 / 1926 Brot- & Weiss- und Feinbäckerei Mehl und Fettartikel Gustav Stöbe
in den Fenstern links: Minna Stöbe geborene Opel * 03.01.1864 Hermsdorf † 21.01.1935 Hermsdorf
rechts: Gustav Stöbe * 23.06.1861 Reichardtswerben † 21.11.1944 Hermsdorf
Eheschließung am 06.01.1889

Weiterer Ausschnitt aus dem Foto von 1925 / 1926
links: Ida Stöbe geborene Milker * 14.08.1892 Hermsdorf †16.03.1964 Hermsdorf
daneben Gisela Rödiger geborene Stöbe * 26.04.1922
in der Ladentür: Karl, Friedrich (Fritz) Stöbe * 16.05.1893 † 18.05.1974
Schild im Schaufenster: Rahma buttergleich
   

Ausschnitt aus dem Foto von 1925 / 1926:
Lehrling der Bäckerei Stöbe, stammte aus Ronneburg.
Er schaffte mit abgebildeten Hund und Handwagen immer Backwaren in die Tälerdörfer
70. Geburtstag von Bäckermeister Gustav Stöbe 23.06.1931
01 = Wally Stöbe geb. Voigt
02 = Anna Eisbrückner, geb. Stöbe (Schwester von 13)
03 = Frieda Freigang, geb. Stöbe
(Schwester von 13)
04 = Ida Söbe
05 = Artur Eisbrückner (zu 2)
06 =         
07 = Paul Freigang (zu 3)
08 = Hilde Eisbrückner verh. Büchner (Tochter von 2)
09 = Achim Eisbrückner (Sohn von 2)
10 = Gustav Stöbe
11 = Gisela Stöbe verh. Rödiger
12 = Minna Stöbe geb. Opel
13 = Friedrich Stöbe
     
Foto: 1938 Zum 50 jährigen Firmenjubiläum (rechts Ausschnitt)

Hochzeitsfoto
Gisela Rödiger geborene Stöbe * 23.04.1922 und Heinz Rödiger * 24.01.1915 † 28.11.1983
vorn von links: Ida Stöbe - Fritz Stöbe - Lina Rödiger - Otto Rödiger

Ansicht um 1954
Links das Haus Eisbrückners (heute Nr. 67) wird Mai / Juni 2005 abgerissen, weiter Konsumbäckerei, dann Martin
(abgerissen, jetzt Weg zur Porzelliner-Strasse es folgt Haus Ziche und Schütze gefolgt von KWH.

Ausschnitt aus Foto von 1954
Schriftzug Fritz Stöbe wurde entfernt und ein Plakat "Konsum" aufgehängt.
Am Strommast zur erkennen das Hinweisschild zur Autowerkstatt Adler in der Lessingstraße.

Belegschaft der KONSUM-Bäckerei (Stöbe)
01 = ?? Elke (Weißenborn Cousine zu 02)
02 = Eisbrückner, Irene
03 = Walther

04 = Aufmesser, Gretel
05 = Hering, Heinz "Heino"
06 = Eisbrückner, Achim
07 = Kern, Walter
08 = Diete, Fritz Tautenhain
09 = Reichelt, Fritz Bad Klosterlausnitz

Presseartikel in der Beilage der Volkswacht vom 24.12.1964


Familie Rödiger war 1953 in die BRD gegangen und kehrte 1964 zurück. Dies wurde entsprechend in der Presse ausgeschlachtet und die obige Aufnahme gestellt. Bei den "Weihnachtspäckchen" handelt es sich um leere Kartons.
Die Hermsdorfer ereiferten sich damals, dass man erst in den Westen abhauen müsse und nach der Rückkehr alles bekäme. Familie Rödiger erhielt aber kein Haus, sondern zog in das von Gustav Stöbe erbaute Haus.


Text des Presseartikels

Rückkehr ins Morgen

Heinz Rödigers Irrweg 11 verlorene Jahre - Fremde in einem anderen Land - Weihnachten endlich wieder in der Heimat.

Ein weiter Weg lag vor ihnen.

Und, obwohl sie an jenem 3. Mai 1953 mit ihrem PKW „Opel-Kadett” die glatte, wie mit dem Lineal gezogene schnurgerade Fahrbahn der Autobahn von Hermsdorf nach Berlin benutzten, begann damit für sie ein steiniger; auswegloser Irrweg, der elf lange Jahre ihres Lebens forderte.

Dieser Irrweg führte in das Gestern. Er dauerte elf unwiederbringlich verlorene Jahre, Jahre gnadenloser Härte, die sie dennoch reifen ließen, ihre Erkenntnisse, ihr Bewusstsein formten bis zu der Entscheidung, die sie neu in das Leben, in das Heute zu treten zwang.

Sie sprechen nicht gern von den verlorenen elf Jahren - den 132 Monaten und zwei Tagen - der 49-jährige Bäcker- und Konditormeistermeister Heinz Rödiger und seine Frau Gisela; die jetzt beide als Schichtarbeiter in den Keramischen Werken Hermsdorf arbeiten.
Sie blicken lieber nach vorn, sie arbeiten für die lohnende Zukunft, die neu gewonnen vor ihnen liegt, und für ihre 15-jährige aufgeweckte Tochter Iris, die schon mit beiden Beinen fest in diesem Leben steht, es fleißig und lernend gestaltet, weil es ihr hier und jetzt ganz einfach Spaß und Freude macht.
Ja, Iris. Alles, was du hier der Gesellschaft zu geben bereit bist, wirst du von ihr wiederbekommen. Und wenn auch noch für euch der große und sehnliche Wunsch nach einer eigenen Wohnung offen ist – es ist zu eng in euren vier Wänden, und Großvater schnarcht nachts so laut –; das bleibt nicht so. Neue Häuser wachsen.
Blickt nach vorn. Es lohnt. Ihr lebt und arbeitet bei uns. Und dieses Leben und diese Arbeit sind schön und befriedigend. Die Zukunft liegt nicht düster und hoffnungslos vor euch. Ihr seit wieder zu Hause. Da wo ihr hingehört.
An jenem 3. Mai 1953 saß Heinz Rödiger am Steuer seines PKW. Seine Frau Gisela, mit der er damals 6 Jahre verheiratet war, hielt die kleine 3 jährige Iris im Arm. Gesprochen wurde nicht viel.
Sie hatten alles hinter sich gelassen. Das Geschäft. Die Arbeit. Die Sorgen. Auch die Freuden. Warum? Es hatte Ärger in der Familie gegeben. Nun ja, die Schwiegereltern ….
Schwamm darüber. Das sollte vorbei sein. Aber da war doch noch etwas.
Einer hatte ihm gesagt: „Du wirst verhaftet .. Sie wollen dich einsperren … Hau ab, ehe es zu spät ist …“
Aber das kann doch nicht sein,“ sagte Heinz Rödiger erschrocken „ich habe nichts ausgefressen. Ich habe meine Arbeit gemacht, wie sich das gehört. Nein … das kann nicht sein, verhaften, einsperren … Warum? Wofür?“
„Ich weiß es ganz zuverlässig“, darauf der andere.
Heinz Rödiger sprach mit seiner Frau darüber. „Sollten wir nicht ganz einfach zur Polizei gehen? Vertrauen haben. Ehrlich sein?”
Nein, sie hatten kein Vertrauen gehabt. Das hatte den Ausschlag gegeben. Denn mit der Politik, damit hatte er sich nie beschäftigt. Für ihn gab es nur die Backstube. 13 bis 15 Stunden am Tage. Früh aus den Federn, spät todmüde ins Bett. Politik hatte ihn nie erwärmen können. Er hatte es erlebt, wohin das führte, die Politik, 1939 bis 1945. Er war Soldat. Krieg, Zerstörung, Leichen, Tränen und Not. Politik? Was kann der kleine Mann schon machen?
Er wollte nur seine Arbeit und Ruhe. Zeitungen, Radio? Keine Zeit. Was wusste Heinz Rödiger damals von Westdeutschland? Was kümmerte es ihn, dass die Hitlergenerale wieder Unheil brütet, was kümmerte es ihn, wenn er hörte, dort werden die Arbeiter ausgebeu¬tet? Ihm konnte das ja nicht passieren, er war ja Geschäftsmann. Kriege oder Frieden? Das war Sache der Politiker, den „kleinen Mann” ging das nichts an.
Er erkannte nicht, dass solche „Freunde" mit ihren „Warnungen” nur Werkzeuge in den Händen der alten Feinde des Volkes waren, um die DDR zu unterhöhlen.Er war müde. Der Ärger. Die Drohung. Er kroch denn „Freund” auf den Leim. Aus.
In Westberliner Lager Marienfelde geriet er in den Sog der Menschenhändler. Vernehmung. Er wisse nichts, Wäre nie groß, aus seiner Backstube herausgekommen ...
Bloß raus aus dem Lager, der einzige Wunsch. Das war deprimierend, das Lagerleben.
Sie wurden ausgeflogen nach Frankfurt/Main in das Lager Hammelburg. Dann ging es nach Kulmbach/Oberfranken. Dort gab es Arbeit.
Aber es ging nicht vorwärts. Die Geschäftsmiete schluckte das meiste. Das war eine andere Welt, die er in Westdeutschland ken¬nen lernte. Wenig zählte dort ein Mensch. Dort ist sich jeder selbst der nächste. Er blieb immer ein Fremder in diesem anderen Land, in dem die Devise herrscht: „Hast du was – dann bist du was.” Denn nicht was der Mensch ist, sondern was er an Geld und Waren besitzt, das ist der Wertmassstab, nach dem ein Mensch in Westdeutschland gemessen wird.
Er arbeitete hart. Aber die Vertragsforderungen stiegen. Von früh bis spät schufteten beide in Laden und Backstube. Was sie einnahmen, schmolz dahin wie Schnee im Frühling. Die Pacht, die unerhört hohen Grundstückgebühren - die man ihnen bei Vertragsabschluss, verschwiegen hatte - fraßen den Verdienst schneller auf, als er in die Ladenkasse floss.
Und mit einer Wohnung wollte es absolut nicht klappen. Das Leben in der einen trübseligen Stube fraß an den Nerven.
Fünf Jahre hofften Rödigers, das Glück in Kulmbach zwingen zu können, später in Bayreuth und Bad Kissingen. Ein Trugschluss. Es klappte einfach nicht.
Noch schlimmer aber war: Es wollte und wollte ihnen nicht gelingen, ein freundschaftliches Verhältnis, gutnachbarliche Beziehungen zu den Einheimischen dort herzustellen. Der „Flüchtling aus dem Osten” blieb" für sie der „Zuag' roaste”, der ,.Reingeschmeckte", der „Rucksackdeutsche”, der hereingeschneit, kam und den Alteingesessenen ganz unerwünschte Konkurrenz machte.
Am unerträglichsten aber war das falsche Mitgefühl mancher für die armen Fremdlinge, die sich nach den ,.Hungerjahren in der Zone" nun endlich mal satt essen konnten, die, „vom Zwang befreit”, nun endlich frei von der Leber weg sprechen durften - wenn es nicht etwa etwas Gutes über ihre Heimat DDR war. Ein erniedrigendes Gefühl, wie der arme Verwandte behandelt zu werden, den der reiche Onkel gnädig bei sich aufgenommen hat.
In dieser Zeit begann das Nachdenken. Was haben wir nur gemacht, damals? Falsch war das, grundfalsch.
Da waren auch Freunde in der DDR, die anriefen: „Kommt, zurück!” Da war der Aufruf von Walter Ulbricht an die Bürger der DDR, die zeitweilig in Westdeutschland leben, zurückzukommen. Da waren die Gedanken über die DDR klarer und die Lügen- und Hetzgewebe der Kriegstreiber an Hand der Schule des eigenen Lebens leichter zu durchschauen.
Ja, die haben doch recht, die sagen: Wer sich nicht mit Politik befasst, der wird von der Politik erfasst. Und Heinz Rödiger wurde ein anderer.
Am 5. April 1964 fiel ihre Entscheidung. Sie kehrten in ihre sozialistische Heimat zurück. Nichts geschah ihnen.
Am 5. Mai 1964 verliefen sie das Aufnahmeheim für Übersiedler und Rückkehrer in Saasa bei Eisenberg. An diesem Tage begann für sie das neue, bessere und sinnvollere Leben.
Iris, Lehrling im zweiten Lehrjahr, gewählter Klassenaktivleiter, wird sicher auch dann weiterstreben, wenn sie Fachverkäuferin ist.
„Ich habe viel nachzuholen. Jetzt möchte ich erst einmal den Abschluss der 10. Klasse erreichen. Hier macht das Lernen Freude, weil man weiß, wofür man lernt.”
Heinz Rödiger und seine Frau Gisela sind im neuen Leben und durch ihre Arbeit zufriedene, glückliche Menschen geworden.
Frau Gisela gesteht ehrlich: „Was hätten wir uns alles in diesen elf Jahren in der DDR schaffen können! Es war die größte Dummheit, die wir begingen. Aber es ist noch nicht zu spät für uns, neu zu beginnen. Jetzt' können wir erst wieder wie Menschen leben!”
„Ich denke heute anders über die Politik. Sie gehört einfach zur Allgemeinbildung. Ohne sie kann man sich nicht richtig entscheiden. Heute weiß ich, wohin ich gehöre und was es heißt, Bürger der DDR zu sein”, so Heinz Rödiger.
Friedensweihnacht 1964. Frohe Menschen, die sie im ersten deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staat feiern. Zu ihnen gehören Heinz, Gisela und Iris Rödiger aus Hermsdorf, Friedrich-Engels-Strasse 69.
Sie werden Rückschau halten an diesen Tagen der Besinnung - und sie werden mit neuer Kraft an die Arbeit gehen, die allen nützt und ihnen selbst zugute kommt.
Ein weiter Irrweg liegt hinter ihnen. Zurück führte der Weg in das Morgen. H. Klimpke

 


Ansicht der ehemaligen Bäckerei
Das Objekt wurde 1994 von der jetzigen Eigentümerin erworben - um- und ausgebaut, am 01.03.1996 erfolgte die Geschäftseröffnung der:
Blumenwerkstatt VILA FLORA
Inhaberin Silke Bohrisch
07629 Hermsdorf, Eisenberger Str. 69
Telefon 03 66 01 - 4 69 39 / 7 12 26 Fax 4 69 38
Das linke Nachbargrundstück - vormals Eisbrückner Nr. 67 - wurde zugekauft und wird wegen Unbewohnbarkeit abgerissen.
Auf dem Grundstück entstanden Freiverkaufsflächen und Parkplätze.

 

Aufnahme der Häuser Eisenberger Str. 67 (links) und 69 (rechts)
Haus 67 steht kurz vor dem Abriss - die Fläche soll Freiverkaufs- und Parkfläche
für die Blumenwerkstatt VILA FLORA werden.