Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz

 

Die Wanderjahre, auch Walz, Stör oder Tippelei genannt, beziehen sich auf die Wanderschaft zünftiger Gesellen. Sie bezeichnet die Zeit des Wanderns der Gesellen nach Abschluss der Lehrzeit (Lossprechung). Die Wanderschaft war seit dem Spätmittelalter bis zur beginnenden Industrialisierung eine der Voraussetzungen für den Gesellen, die Prüfung zum Meister zu beginnen.
Das Reisen von Handwerkern hat Traditionen, die bis in das 12. Jahrhundert zurück reichen. Es hat jedoch nur im Bauhandwerk überlebt. Die Gesellen reisen durch die Welt, um sich mit Lebensgewohnheiten und Arbeitspraktiken anderer Völker vertraut zu machen. Die Reisezeit ist eine praktische Lebensschule, während der sich der Geselle grundsätzlich nach den Regeln seiner Zunft zu verhalten hat. Bei der Arbeit und auf Reisen muss stets die Kluft getragen werden. Kameradschaftlichkeit, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und Hilfsbereitschaft sind eine Selbstverständlichkeit. Die Walz dient dem Handwerker der handwerklichen Bildung. Es gehört zur Ehrenpflicht eines reisenden Fremden, seinen Lebensunterhalt während der Reise durch Arbeit zu verdienen. Ein Handwerker, der sich auf dieser traditionellen Wanderschaft befindet, wird als Fremdgeschriebener oder Fremder bezeichnet.

In der ehemaligen DDR war die Wanderschaft von oben verschmäht. Obwohl Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht Tippelbrüder waren. Hinzu kam, dass die Burschen, die auf die Walz gingen, nur das ehemalige Staatsgebiet der DDR erwandern konnten.

Unser heutiges Bild über die Gesellenwanderung ist häufig verklärt durch einzelne fragmentarische Überlieferungen, die sich überwiegend auf den Zeitraum des späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhunderts beziehen.

Um als Fremdgeschriebener die Welt bereisen zu können, müssen einige Bedingungen erfüllt sein. Auf die Wanderschaft darf heute nur gehen, wer die Gesellenprüfung bestanden hat, ledig, kinderlos und schuldenfrei ist. Die Wanderschaft soll nicht als „Flucht“ vor Verantwortung missbraucht werden. Oftmals ist ein polizeiliches Führungszeugnis ohne Einträge erforderlich. Die meisten Schächte haben eine Altersbegrenzung. Manchmal ist auch die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft erforderlich. Die Tippelei war und ist teilweise an schwierige Bedingungen geknüpft. So darf der Fremdgeschriebene in seiner Reisezeit einen Bannkreis von meist 50 km um seinen Heimatort nicht betreten, auch nicht im Winter oder zu Feiertagen. Er darf kein eigenes Fahrzeug besitzen und bewegt sich nur zu Fuß oder per Anhalter fort. Öffentliche Verkehrsmittel sind nicht verboten, aber verpönt.
Weiterhin muss er in der Öffentlichkeit immer seine Kluft tragen. Da Fremde oftmals auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen sind (zum Beispiel bei der Suche nach Arbeit oder einem Schlafplatz), hat dieser sich immer ehrbar und zünftig zu verhalten, so dass der Nächste ebenfalls gern gesehen ist. Eine gepflegte Erscheinung erleichtert die Kontaktaufnahme und das Trampen.
All sein Hab und Gut verstaut der wandernde Geselle in einem Charlottenburger oder Charlie oder (seltener) in einem Felleisen, einem historischen Tornister der Schweizer Armee.

Die von den Wandergesellen traditionell getragenen Ohrringe waren ursprünglich auch Kennzeichen der Zunftzugehörigkeit. Im Notfall konnten durch Verkauf auch finanzielle Engpässe, zum Beispiel bei vorübergehender Arbeitslosigkeit, überbrückt werden. Hatte sich ein Geselle unehrenhaft verhalten, wurde dieser zum Schlitzohr gemacht: der Ohrring wurde ihm ausgerissen. Wie bei Seeleuten konnte der Ohrring oder auch das silberne Gehänge an der Weste im Todesfall dem Bestatter als Entlohnung dienen.

In der am 25.08.1917 in Berlin uraufgeführten Operette „Schwarzwaldmädel“ setzte Leon Jessel (Libretto August Neidhart) ein musikalisches Denkmal für die Walz.

Wir sind auf der Walz
vom Rhein nach der Pfalz
und suchen nach freundlichen Gaben.
wir sind auf der Walz
vom Rhein nach der Pfalz,
in Bayern, in Sachsen und Schwaben.
Wir singen wie man es haben will,
wir singen manchmal zur Laute still
und dann zur Stille laut.
Wir singen wie der Vogel singt,
wir singen, wenn auch falsch es klingt,
bis hell der Morgen graut.

 
Handwerker auf der Walz, auf dem Foto befinden sich auch Burschen aus dem Holzland.
Handwerker auf der Walz, auf dem Foto befinden sich auch Burschen aus dem Holzland.

Handwerker auf der Walz, auf dem Foto befinden sich auch Burschen aus dem Holzland.
Handwerker auf der Walz, auf dem Foto befinden sich auch Burschen aus dem Holzland.
Bekannt sind hinten von links:
1 = Felix Plötner "Rostfelix" Tautenhain
4 = Oswin Eschke Tautenhain
5 = Hugo Schermann Tautenhain

Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
Friedrich Wilhelm Sperhake genannt Paul – ehemaliger Bürgermeister von Hermsdorf (* 06.07.1879  Langensalza † 18.03.1955 Jena) war Tippelbruder.
Er erlernte nach dem Schulbesuch den Beruf eines Buchdruckers. Nach der Lehre ging er vom Juli bis Dezember 1898 in Deutschland und Holland auf die Walz. In seinem Quittungsbuch (nächste Seiten) aus dieser Zeit ist als Vorname Paul eingetragen. Im Geburtenregister steht bei ihm „genannt Paul“ als amtlicher Eintrag.

Quittungsbuch der Wanderjahre von Sperhake

Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz

 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
 
Eine alte Handwerker Tradition - Auf der Walz
Seitenanfang