Die Hermsdorfer Sage und die Steinkreuze

© Werner Peuckert † Hermsdorf
 

An der Stelle, wo jetzt das große stattliche Dorf Hermsdorf seht, lag vor langer Zeit mitten im Walde an der alten deutschen Reichsstraße ein einsames Waldwirtshaus "Zum Schwarzen Bär im grünen Walde". Ringsum aber wohnten, zerstreut bei ihren Meilern, nur wenige arme Köhler, die friedlich und genügsam ihre Kohlen brannten. Da beschlossen einmal zwei Herrinnen von (Schön) Gleina, eine bußfertige Wallfahrt nach der wunderkräftigen Kirche zu Warte (St. Gangloff) zu unternehmen. Zu Fuß und ohne Begleitung, wie es frommen Pilgerinnen wohl zukommt, zogen sie ihres Weges nach dem Gnadenort. In der Gegend des einsamen Gasthofes aber überfielen sie einige Wegelagerer, die ein großes Gelüste nach den reichen Gaben hatten, welche die Fräulein bei sich trugen um sie auf dem Altare des heiligen Gangloff niederzulegen. Auf den Hilferuf der angegriffenen Pilgerinnen jedoch eilten die Leute aus dem Gasthofe und die umwohnenden Köhler herbei, schlugen die Räuber in die Flucht und befreiten die arg geängstigten Fräulein. Da riefen diese in freudigen Dank für ihre Rettung "Hier her muss Dorf"! und versprachen ihren Rettern, nach ihrer Rückkehr von der Wallfahrt ihnen ihre Hilfe reichlich zu lohnen und Geld und Feld, so viel sie wollten, zu schenken, und sie hielten Wort die dankbaren Herrinnen Gleinas und erbauten an dem Ort ihrer  Rettung ein Gotteshaus, das sie so reichlich beschenkten, dass sich viel Volk aus Nähe und Ferne um die Kirche niederließ und seine Wohnungen baute, das Dorf aber heißt noch heute zur Erinnerung an den Ausruf jener Frauen: "Hermsdorf"!

Das wäre nach Kurt Greß, welcher erstmalig die Holzlandsagen 1869 herausgab, die Sage von Hermsdorf! Seine eigene Auffassung der man nichts hinzuzufügen braucht, ist in der Fußnote zu erkennen, hier schreibt er folgendes:

 „Statt sich mit der einfachen etymologischen Lösung zu begnügen, suchte der Volksmund die ihm entsprechende Erklärung in der Verbindung mit irgendeinem interessanten, jedoch völlig neutralen Vorgange >>Hermsdorf ist nach dem ersten Siedler Hermann genannt!<<“

Was ist nun wahres daran?

Hermsdorf wird urkundlich 1256 als Dorf an das Kloster "Lusenitz" verschenkt. Somit eine deutsche Siedlung, die nach dem Sippenältesten Hermann benannt wurde, wie die Dörfer und Wüstungen, Johnsdorf, Gumbrechtsdorf , Ulrich auf dem Walde, Ulrichswalde usw.

Die Entstehung fällt somit in die Zeit der allgemeinen Besiedlung dieser Gegend, um das Jahrtausend bis Elfhundert.

Ein weiterer Beweis, dass Hermsdorf eine deutsche Siedlung ist, sind die Hofgelängen welche sich durch die ganze Flur ziehen, bis an den Wald jenseits der Bahn. Alles was hinter dem Bären steht, zwischen Friedrich-Engels-Straße [1]  und Wiesenstraße ist oder war einst dem Bären zugehörig. So war es bei jedem Gehöft in der Ernst-Thälmann-Straße [2] vom Bären bis zum Alten Markt. Folglich war Hermsdorf ein Reihendorf und somit eine typische deutsche Sied­lung.

Die alte „Reichsstraße“ wie Greß sie nennt, ist die Regensburger Straße [3] , sie wird so alt sein wie der Ort selbst. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch die Nord-Südverbindung damals entstanden ist. Vorerst einmal als Verbindung der beiden Bischhofsitze  Naumburg und Regensburg. Zum anderen ist es nicht ausgeschlossen, dass die sächsischen Kurfürsten von Wittenberg, als Vikare des Kaisers, diesen Weg benutzt haben, wenn sie zu den Reichstagen nach Regensburg reisten.
Ist die Straße wirklich so alt wie der Ort, ist es nicht ausgeschlossen, dass auch der Bären um diese Zeit entstanden ist. Wie gesagt ist Hermsdorf als Dorf schon 1256 an das Kloster "Lusenitz" verschenkt worden, folglich ist Hermsdorf wie viele andere Orte in dieser Gegend, um die Zeit 1100 - 1150 entstanden und die Wallfahrt [4]  müsste dann noch vor dieser Zeit stattgefunden haben was sehr unwahrscheinlich ist.

So bleibt von der Sage nur noch die Wallfahrt und der Überfall zu untersuchen. Wenn es heißt, jede Sage enthält ein Körnchen Wahrheit, trifft es auch hier zu. Greß schreibt, der Überfall geschah in Rufnähe des Bären.

Das da auch wirklich etwas geschehen ist, bezeugen drei Steinkreuze die 1894 an der Ecke Schulstraße gefunden wurden und von denen noch ein Rest in meinem [5] Garten steht."

Diese Steinkreuze können Sühnekreuze sein für Mord oder Totschlag, sind aber auch als Dank, oder Gedenksteine gesetzt worden, für Errettung aus Leibesnöten. Beides, Wallfahrt und Steinkreuze sind aus der vorreformatorischen Zeit, also vor 1517. Man könnte hier den ersten Zusammenhang vermuten von Sage und Wirklichkeit oder sollte es Zufall sein?

Betrachtet man den Weg den die beiden Frauen gegangen sind, ergibt es sich von selbst, dass es kein Zufall ist.

Die heutigen Straßen, ob die von Schöngleina nach hier, oder die von hier nach Schleifreisen, auch die Straße nach Stadtroda, alle sind weit jüngeren Datums. Dagegen ist der Zeitzgrund als eine der ältesten Straßen überhaupt anzusprechen. Diese Straße verband das Saaletal mit dem Elstertal und führte weiter nach Osten. Die Bedeutung des Zeitzgrundes als eine wichtige Straße wird erhärtet durch die Rabsburg. Wenn die Burg auch als Raubritter­burg bekannt ist, erbaut wurden sie doch als Wegesicherung und bestimmt nicht an Nebenstraßen. Es war alten Hermsdorfern noch bekannt, dass auf diesem Wege die Wachablösung von Altenburg bis nach der Fröhlichen Wiederkunft marschierten. Auch zwei alte Wegweiser, zwischen Bockmühle und Rechhain beweisen die Wichtig­keit der Straße. Rechnet man die Wüstungen entlang dem Zeitz­grund den noch bestehenden Dörfern zu, ergibt sich fasst eine geschlossene Reihe von Dörfern von Schöngleina bis Schleifreisen. Bis Schleifreisen waren die Dörfer ausschließlich Lehnsdörfer von Gleina. Was liegt da näher, als dass die Fräulein den Zeitzgrund benutzt haben bei ihrer Wallfahrt. Von Schleifreisen bis zum Bären bestand bis zum Bau der Autobahn ein direkter Weg, über den „kleinen Teich“ wie er heute noch heißt, und der hier an der Ecke Schulstraße bis Regensburger Str. erreichte. Ist es Zufall, dass auch hier die Sühnekreuze standen.

Wenn es heißt, der Überfall war im Walde, der Weg  die heutige Friedrich-Engels-Straße, in Verlängerung der Felsenkellerweg, waren die Be­grenzung dar Hofgelänge des Bären. Alles was in Richtung zum Rathaus liegt, lag damals außerhalb der Ortsflur und war bis Ende 1700 beziehungsweise Anfang 1800 noch Wald.

Was die reiche Schenkung anbelangt, auch die könnte zutreffen. Die Hermsdorfer Kirche hatte im Verhältnis zu anderen Orten der Umgebung einen großen Waldbesitz, der an die Wälder derer von Gleina, heute Schleifreisner Bauernwald, angrenzt.

Bliebe nur noch ein Wort zu den Steinkreuzen zu sagen.

Wohl, es kennten Sühnekreuze sein, aber bei einem Überfall be­stand keine Veranlassung für einen Erschlagenen Sühne zu leisten. Es brauchen aber keine Sühnekreuze zu sein, wie ich schon erwähnte. Wenn die Schenkung an die Kirche zuträfe, könnte es durchaus sein, dass die Steinkreuze als Dank- oder Gedenksteine gesetzt wurden, wobei das eingehauene Schwert nur das Symbol der Gewaltanwendung wäre. Solche Dank- oder Gedenksteine sind auch in anderen Gegenden bekannt und brauchen hier nicht als einmaliger Zufall angesehen zu werden. Es lag in der Mentali­tät jener Zeit in allen Zufällen eine göttliche Fügung zu sehen und der Kirche dafür ein Opfer zu bringen.

Somit ergibt sich, dass die Hermsdorfer Sage wahrscheinlich keine Sage zu sein braucht. Die wirklichen Zusammenhänge konnte Greß beim niederschreiben der Sage nicht ahnen, da er die Steinkreuze nicht kannte, sonst hätten wir aller Wahrscheinlichkeit nach mehr erfahren. Der Volksmund hat darüber nichts zu berichten gewusst. Verwunderlich!

Alle diese Steine sind mit einer Sage oder Geschichte umwoben, selbst seit Jahrzehnten verschollene oder zerstörte Steine haben an ihrem Standort Sagen hinterlassen, die noch heute von Ge­schlecht zu Geschlecht weiter leben.

Zugegeben, es hatte an der alten Regensburger als einer mittel­alterlichen Reichsstraße etwas geschehen sein können was hätte gesühnt werden müssen, doch hätte sich da nicht in dem nahe ge­legenen Dorfe etwas davon erhalten. So gut wie die Sage von Hermsdorf über Jahrhunderte erhalten geblieben ist, ebenso gut hätte sich eine Legende der Steine fortgepflanzt. Hermsdorf war bis zur Auflösung des Klosters Lausnitz gegen 1520-1530 der Ge­richtsbarkeit des Klosters unterstellt. Wäre eine Gewalttat ge­schehen von der das Kloster eine Sühne gefordert hatte, müsste auch in den Klosterakten etwas verzeichnet gewesen sein. Da ein solcher Fall nicht bekannt ist, werden die Sage von Hermsdorf und die drei Steinkreuze nicht voneinander zu trennen sein.

Ende der Aufzeichnung Werner Peuckert

[1] heute Naumburger Straße
[2] heute Alte Regensburger Straße
[3] kein Zusammenhang mit der heutigen Alten Regensburger Straße zu sehen]
[4] gemeint ist die Wallfahrt aus der Sage
[5] Werner Peuckert - Verfasser des Textes

Ergänzungen Ottomar Peuckert
 

Das Haus Nummer 13 wurde 1890 oder etwas davor von einem Schneider,  das Haus Nummer 15 im Jahr 1890 bis 1891 erbaut, Bauherr war Hermann Peuckert. Beide Häuser stehen im ehemaligen „Serflings Teich“. Das Haus Nummer 13 wurde in der Folge von Hermann Peuckert zugekauft. Im Mittelalter gehörte das gesamte Gelänge, welches von der heutigen Alten Regensburger Straße - Eisenberger Straße - Schulstraße und Wiesenstraße begrenzt wurde, zum Gasthof „Zum Schwarzen Bär“. Die Straße von der Alten Regensburger Straße zur Schulstraße verlief direkt durch das Gelände der Gastwirtschaft. Einer der Bärenwirte hieß später Serfling, nach ihm wurde der Teich benannt. Mit der Zeit wurden nach und nach Grundstücksteile verkauft und es siedelten sich dort andere Hermsdorfer an.

In Höhe der heutigen Schulstraße verlief zum Zeitpunktes Hausbaues Nr. 15 ein Moorgraben. In diesen wurden die, in der Aufzeichnung meines Vaters Werner Peuckert genannten, drei umgestürzten und zertrümmerten Sühnekreuze gefunden. Diese Steine wurden, bis auf das am besten erhaltene Stück, in den Grundmauern des Hauses verbaut. Nachdem das bessere Stück zunächst längere Zeit im Hausflur lag, wurde es später an der Giebelseite des Hauses in der Schulstraße aufgestellt. Dort steht es noch heute und hat zum Glück auch die Ereignisse vom 09.04.1945, als das Grundstück ausgebombt wurde, gut überstanden.

Sühnekreuz
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Foto: Stefan Lechner