Tagebuch Familie Otto Steingrüber 1910 bis 1964

 

Bemerkung zur Abschrift

 
Zu den Personalangaben zu Beginn wurden einige Ergänzungen eingefügt und alle zusammengefasst zu Beginn aufgelistet. Außerdem wurden alle Datumsangaben zur besseren Übersicht vorangestellt, auch wenn diese im Text erschienen. Sonst entspricht die Abschrift dem Original, so wie dieses - über drei Generationen - niedergeschrieben wurde.
Obwohl dieses Tagebuch viele persönliche Dinge enthält, wurden alles hier mit aufgenommen. Spiegeln die Aufzeichnungen doch die Ereignisse, Sitten und das Leben ihrer jeweiligen Zeit wieder. So erfahren wir etwas über die damaligen Krankheiten, z.B. starben viele Personen an für heutige Verhältnisse "leichte" Krankheiten. Wir erfahren viel über Preise, Verdienste und einiges zur Stadtgeschichte.
Unser herzlicher Dank an die Nachkommen, die uns dieses
Material zur Verfügung stellten und die Veröffentlichung genehmigten.
Tagebuch der Familie Steingrüber   Tagebuch der Familie Steingrüber
Oben: Auszug aus dem Originaltagebuch, unten: Hochzeitsfoto
Tagebuch für Familie Otto Steingrüber

Mit Gott fang an, mit Gott hör auf, das ist der beste Lebenslauf!

Meine Eltern und Geschwister!

Vater: Johann, Christian, Gottlieb Steingrüber
* 03.08.1844 Oberndorf S.A. †18.10.1898 Hermsdorf

Mutter: Christiane, Therese, Henriette Steingrüber geb. Plötner
* 21.03.1847 Hermsdorf S.A. 01.07.1930 Hermsdorf

Schwester: Martha, Minna Steingrüber
* 28.12.1870 Oberndorf ??.??.19??
verheiratet mit Franz Poser aus Windischenbernsdorf (Frankenthal)

Bruder: Christian, Friedrich, Hermann Steingrüber
* 22.11.1872 Oberndorf 28.06.1930 Düsseldorf
verheiratet mit Berta Schnacke aus Klosterlausnitz

Bruder: Friedrich, Richard Steingrüber (Gerüstbaugeschäft in Köln)
* 19.10.1874 16.10.1939 Köln
verheiratet mit Ida, Alma Schlegel aus Hermsdorf

Bruder: Friedrich, Louis, Traugott Steingrüber (Forstbeamter)
* 17.09.1876 02.11.1914 Kommenten / Ostpreußen gefallen
verheiratet mit Frieda, Wilhelmine Wetzel aus Hermsdorf

Schwester: Emma, Martha Steingrüber
* 13.12.1878 ??.06.1936
verheiratet mit Hermann Diener aus Hermsdorf

Schwester: Emma, Angnes Steingrüber
* 02.09.1880 12.09.1883

Schwester: Anna, Klara Steingrüber
* 16.08.1882 ??.??.19??
verheiratet mit Hermann Trinks aus Hermsdorf

Bruder: Louis, Albin Steingrüber „Schmolns“ (Leitermacher und Obstpächter)
* 04.10.1894 † 03.05.1973
verwitwet 1. Ehe mit Martha Serfling aus Schleifreisen
verheiratet 2. Ehe geborene Wally Keil
aus Osterfeld bei Zeitz

Bruder: Karl, Otto Steingrüber (Obstpächter)
* 03.04.1887 Hermsdorf S.A. 29.08.1965 Hermsdorf
verheiratet mit Klara, Emma geborene Gräfe

Bruder: Karl, Louis Steingrüber
* 12.11.1888
10.02.1969 Wuppertal

Bruder: Hugo, Emil Steingrüber
* 18.05.1892 Hermsdorf S.A. 05.08.1893 Hermsdorf

Eltern und Geschwister von Klara

Vater: Karl, Friedrich, Gräfe - Schirrmacher
* 25.08.1859 Hermsdorf. 05.08.1909 Hermsdorf

Mutter: Hulda Gräfe geb. Schöppe
* 22.06.1856. ??.??.1??? Hermsdorf

Schwester: Anna Gräfe verh. Schröder
* 19.01.1883 Hermsdorf ??.??.19??
verheiratet mit Albin Schröder aus Hermsdorf gefallen
20.11.1917 Cambrai

Schwester: Frieda Gräfe verh. Busch
* 18.09.1881 Hermsdorf ??.??.19??
verheiratet (06.04.1912) mit Paul Busch zu Leipzig

Schwester: Elsa Gräfe verh. Planer
* 16.09.1893 Hermsdorf ??.??.19??
verheiratet mit Willy Planer aus Bollberg

Schwester: Ida Gräfe verh. Richter
* 18.08.1895 Hermsdorf ? ??.??.19??
verheiratet mit (28.11.1925) Walter Richter aus Leipzig

Pflegebruder: Karl Winter
* 17.08.1893 Hermsdorf ??.??.19??
verheiratet mit Anna Röder Hermsdorf

Adressen

H. Steingrüber Düsseldorf a. R., Ellerstr. 64
R. Steingrüber Köln, a. R. Norbertstr. 1
Tr. Steingrüber Rodaerstr., Hermsdorf
A. Steingrüber. Hermsdorf, Reichenbacher Str. 23
S. Steingrüber Elberfeld, Berlinerstr. 39
Franz Poser Windischenbernsdorf b. Gera, Materialist
Hermann Diener Hermsdorf, Ernststr. 40
Hermann Trinks Hermsdorf, Schulstr.
Albin Schröder Hermsdorf, Naumburger Str. gefallen
Paul Busch Leipzig - Lindenau, Flemmingstr. 15
Ida Gräfe Leipzig, Waldstr. 50 - 52

Lebenslauf

Ich Karl Otto Steingrüber, bin als fünfter Sohn, des Fuhrmann Christian Steingrüber am 03.04.1887 in Hermsdorf Sachsen-Altenburg (Westkreis) geboren. Meine Mutter war Henriette Steingrüber, geborene Plötner. Ich wurde (am 10.04.1887) evangelisch getauft und in diesem Sinne erzogen. Ich besuchte dann von meinem 6. bis 14. Lebensjahr die Volksschule. Nach meiner Konfirmation arbeitete ich zwei Jahre in der hiesigen Porzellanfabrik, dann habe ich 3 Jahre bis 1906 in den Sommerhalbjahr mit meinem Bruder Hermann mit Obst und Beeren gehandelt und erlernte in den Winterhalbjahren das Leitermachen.

Ostern 1907 reiste ich nach Köln zu meinem Bruder Richard und verkaufte mit Leitern. Gleichen Jahres, am 09. Oktober 1907, rückte ich zum Militärdienst beim 8. Thüringisches Infanterie-Regiment Nr. 153, 6 Kompanie in Altenburg ein, im folgenden Jahr, am 21.09.1908 zum Gefreiten ernannt.
1909, am 21. September, wurde ich als Unteroffizier-Aspirant nach Hermsdorf entlassen. Während meiner Dienstzeit war ich zweimal krank und zwar das erste mal an Mittelohrentzündung und dann an eiternder Mandelentzündung.

Am 30. Oktober 1909 musste ich wieder in das Rheinland, zuerst nach Elberfeld, wo ich bei meinem Bruder im Geschäft mit arbeitete.
Zum Neuen Jahr 1910 verlobte ich mich mit der ledigen Klara Gräfe aus Hermsdorf, die wir leider nicht zusammen gefeiert haben.
Im Februar 1910 machte ich nach Düsseldorf zu meinem Bruder Hermann und arbeitete daselbst im Gehöft. Am 21.04. des gleichen Jahres erhielt ich die fröhliche Nachricht, dass ich Vater von einem kräftigen Jungen geworden war und meine liebe Braut Klara es glücklich überstanden hat. Pfingsten gleichen Jahres reiste ich zu meinem Bruder Louis nach Hermsdorf.

Am 2. Pfingstfeiertag hatten wir zu Hause bei meiner Schwiegermutter Kindtaufe, betreffs meines Sohnes und bekam den Namen Karl, Friedrich, Herbert. Als Paten hatten wir Bruder Louis, Schwägerin Frieda und Ida. Wir verweilten noch etliche Tage und Montag nach Pfingsten fuhren wir wieder ins Rheinland. Es waren für mich glückliche Tage, die ich da verlebt habe. In Düsseldorf wieder angekommen, fing das alte wieder an. Aber viel Sehnsucht nach meiner lieben Klara und unserem Sohn Herbert. Am 22. Dezember des gleichen Jahres fuhr ich wieder zu meinen Lieben in Hermsdorf. Es war nun der lang ersehnte Tag gekommen. Am 26. Dezember des gleichen Jahres trat ich in den Bund der glücklichen Ehe mit meiner lieben Klara. Es war ein glücklicher Tag für uns, es fing ein neues Leben an.
Zum neuen Jahr 1911 erkrankte ich plötzlich an eiternder Mandelentzündung und so kamen schon die ersten Sorgen unserer Familie. Wir wohnten vorläufig bei unserer Mutter, da ich doch wieder ins Rheinland wollte und ich nun etliche Wochen hier noch verweilen mochte.
Ausgangs Januar wurde ich wieder gesund und fing an zu arbeiten. Einen Tag hatte ich gearbeitet, schon musste ich die Arbeit wieder wegwerfen. Eines morgens konnte ich nicht aufstehen und ich war wieder krank an Gelenkrheumatismus. Es war meine schwerste Krankheit unter vielen Schmerzen. Ich habe dann gelegen bis Anfang April. Hierzu hatte ich noch einen Herzklappenfehler und Dr. Adrian tröstete uns schlecht, so war uns der Mut genommen ins Rheinland zu ziehen.
Ich arbeitete dann bei Louis Klaus als Leitermacher. Anfang April konnte Herbert das Laufen. Am 01.07.1911 verzogen wir nach Ernststraße 40, da es bei unserer Mutter am Platz fehlte.

27.04.1911 wurden wir mit einem kleinen Mädchen beschenkt und am 10. November getauft auf
Klara Liesbeth. Paten: Albin Schröder, Klara Trinks und Frau Schöppe, Leipzig.
Hierbei wurde Klara an der linken Brust geschnitten durch Dr. Schuster.

12.11.1911 schlachteten wir das erste Schwein. Ich war noch krank, an eiternder Mandelentzündung.

1912 Anfang des Jahres hatte Klara immer viel Zahnschmerzen. Im Juni 1912 Liesbeth krank an
Zahnkrämpfen und Keuchhusten und im Juli darauf Herbert ein Geschwür am Bein geschnitten
durch Dr. Adrian.

04.08.1911 fing ich in der Fabrik (Stanzerei) an zu arbeiten. Im November hatte ich wieder eiternder
Mandelentzündung, im April litt ich wieder an Mandelentzündung.

20.04.1911 Frieda Hochzeit, mit Paul Busch Leipzig. Im Mai lag ich an Gelenkrheumatismus wieder. Am 2. Mai
fuhr ich nach Jena (Klinik) zur Untersuchung. Ich soll mich sehr in acht nehmen. es stände nicht
gut. Im Herbst hatten Herbert und Liesbeth die Masern, Herbert noch Lungenentzündung mit.
Dr. Adrian. Zur selben Zeit ging Klara nach Roda zum Zahnarzt. Einen Zahn einsetzen. Im
November verreiste Klara mit Liesbeth nach Leipzig bei Frieda.

Februar 1914 Liesbeth schwer krank an Lungen- und Rippenfellentzündung. Dr. Adrian. Im März hatte ich wieder
Mandelentzündung. Im Juli musste ich die General Aushebung in Roda mitmachen. Hierbei wurde
ich bis 1916 Feld- und Garnisonsunfähig zurück geschrieben. 24., 25. und 26. Juli war ich in
Weimar Kreisturnfest. Acht Tage darauf am 1. August abends 6.00 Uhr Mobilmachung. Somit
begann der schreckliche Krieg. Schon Sonnabend Morgen mussten die ersten Reservisten fort.
Abends: das ganze Dorf in Aufregung. Die Musik zog durch das Dorf und spielte „Deutschland über
alles.“.

02.08.1914 Sonntag - 1. Mobilmachungstag - war Bruder Traugott hier und nahm Abschied von Mutter und
Geschwistern, muss morgen schon in Altenburg sein. Dienstag - 3. Mobilmachungstag, musste
Bruder Albin fort nach Wittenberg. Bruder Louis war unterdessen schon in Berlin eingetroffen. So
mussten so Viele von Hermsdorf fort. Traugott und Albin blieben vorläufig in ihrer Garnisonsstadt.
Louis musste gleich nach seinem Eintreffen nach Belgien. Auch Frieda sein Mann Paul musste
auch die ersten Tage fort. Ende August wurde Bruder Louis bei Auvelais bei Namur verwundet. Linke Hand Zeigefinger abgeschossen, kam zunächst nach Godesberg a. R. ins Lazarett.

13.10.1914 musste Bruder Traugott ins Feld nach Russland.

15.10.1914 Bruder Albin auf der Fahrt nach Belgien. Ende Oktober Bruder Albin verwundet am Bein, bei
Dixmuiden, nicht schlimm, kam nach Borghorst in Westfahlen Lazarett.

07.11.1914 erhielten wir die traurige Nachricht, dass unser lieber Bruder Traugott am 2. des Monats,
Nachmittag 4.00 Uhr bei Skomentnen in Ostpreußen in der Schlacht den Heldentod gestorben ist.
Er war Offizier Stellvertreter Infanterie Regiment 231, 10. Kompanie, 50. Reserve Division, 25.
Reserve A.K. Es schmerzt uns sehr, denn er war mit Recht der Stolz in unserer Familie. Ehre
seinem Andenken.

01.12.1914 erhielten wir wieder eine traurige Nachricht, dass Minnas einziger Sohn Erich, im
Alter von 13 Jahren, gestorben ist.

04.12.1914 Klara ging zum Begräbnis nach Windischenbernsdorf. Bruder Albin war um diese Zeit auf Urlaub.
Ende November rückte Karl zum Militär nach Altenburg ein.

08.12.1914 Liesbeth krank an Lungenentzündung. Dr. Adrian.

10.12.1914 Bruder Louis muss wieder ins Feld nach Frankreich. Bruder Albin bleibt vorläufig in Berlin.

19.12.1914 schlachten wir wieder. Schwein war von unserer Mutter. Bruder Richard war auf Besuch hier.
Nun kommt das Jahr 1915, aber immer noch tobt der scheußliche Krieg und noch keine Aussicht
auf Frieden.

01.02.1915 zog Traugott seine Frau Frieda nach Hermsdorf, Rodaer Straße. Mitte Februar rückt Karl ins Feld
nach Westen und wurde dem Infanterie Regiment 153, 2. Kompanie zugeteilt.

20.02.1915 die ersten Brotmarken verteilt, auf den Kopf 4 Pfund Brot die Woche.
Wir arbeiten seit Beginn des Krieges 3 Tage in der Woche ab 01.03.1915 arbeiteten wir 6 Tage.

04.03.1915 verunglückte ich, kam beim Ausspannen in die Maschine, wobei ich mir die ganze Hand
zerquetschen konnte, meiner Geistesgegenwart habe ich zu verdanken, dass es mit einer leichten
Quetschung am linken Daumen abging.

05.03.1915 wurden die Kartoffelbestände jedes Einzelnen, durch die Gemeinde aufgenommen (2 Zentner) und
erhielt die Nachricht von Bruder Richard, dass Bruder Hermann auch eingezogen ist und Richard
sich am 26.03.1915 stellen muss.

06.03.1915 war ich morgens beim Arzt und denk, dass ich bald wieder arbeiten kann. Zur gleichen Zeit hatte
Herbert ein Gerstenkorn am linken Auge.

08.03.1915 versuchte ich wieder zu arbeiten, es ging aber noch nicht vom Besten, an den Daumen immer noch
Schmerzen. Seit Anfang März haben wir wieder Winter, Schnee und ziemlich kalt.

09.03.1915 erhielt ich von Bruder Hermann aus Danzig Nachricht, dass er eingezogen ist, zum Landsturm Btl. I.
Metz. 1. Comp.

10.03.1915 Bruder Albin seine Tochter gestorben. 2 Jahre alt.

11.03.1915 Bruder Albin kam 6 Tage auf Urlaub Begräbnis.
Zuerst bekamen wir 4 Pfund Brot oder 1560 g Mehl, von jetzt an nur noch 1400 g Mehl auf den
Kopf. Meine Hand ist vollständig wieder abgeheilt.

15.03.1915 Liesbeth hat großes Fieber

16.03.1915 Nachricht von Frieda, sind am 15.03. morgens mit einem Mädchen beschenkt worden.

17.03.1915 Klara und Liesbeth reisen nach Leipzig, zur gleichen Zeit fährt Bruder Albin mit fort.

28.03.1915 Schwager Hermann Diener hat Order bekommen und muss sich am 31.03. in Altenburg stellen.

29.03.1915 bekomm ich einen Schlaganfall in der Fabrik, Nachmittag 4.00 ich wurde nach Hause getragen.

30.03.1915 Klara kam von Leipzig zurück.

31.03.1915 Schwager Hermann Diener muss fort und kommt nach Cöln-Nippes Ersatz Btl., Res. I.R. 27.
Bruder Traugott seine Frau Frieda hat ein kleines Mädchen bekommen.

03.04.1915 mein 28. Geburtstag und ich konnte das erste Mal das Bett wieder verlassen. Es ging aber noch
nicht vom Besten. Der Doktor sagt nur Ruhe.

04.04.1915 war Ostern, es war wieder ein Fest ohne alle Freunde ich krank und immer noch der schreckliche
Krieg. Wir kauften einen Zentner Kartoffeln, die die Gemeindeverwaltung hatte kommen lassen für
5,25 M. Es ist alles teuer, Kartoffeln bis 9,00 M Zentner .

19.04.1915 fuhr ich nach Jena zur Untersuchung, soll mich schonen und viel Ruhe, dann kann ich auch alt
werden. Morgens und abends ganz kalt abreiben.

21.04.1915 Herbert hat seinen 5. Geburtstag, er ist ein großer strammer Junge auf sein Alter, hoffentlich wird
er mal unser Versorger, wenn wir alt sind.

26.04.1915 war ich zur Kriegsmusterung in Roda, vorläufig nicht verwendungsfähig. Bruder Albin war 14 Tage
auf Urlaub hier.

30.04.1915 Klara in Gera hat ein Sofa in die Küche gekauft für 30 M.

10.05.1915 hab ich die Arbeit wieder in der Fabrik aufgenommen. Es ging aber noch nicht vom Besten.

23.05.1915 Pfingstfest Schwager Hermann Diener war auf Urlaub. Ersten Feiertag waren wir mit den Kindern
Weißer Berg, Papiermühle, Ziegenmühle, Schleifreisen und zurück, war eine schöne Partie. Liesbeth
war wieder krank, erholte sich aber bald. Dieser Sommer war ziemlich trocken, der ganze
Wiesenrasen war verbrannt, es war keine gute Stimmung unter den Leuten: der Krieg, kein Regen,
kein Futter für das Vieh und alles so teuer. Es waren Zeiten, wie sie noch nicht da gewesen sind. Das
Pfund Wurst kostete bis 1,80 M. Fleisch war ebenso teuer. Ein Ei kostete 12 und 13 Pfennig. Keine
alten Kartoffeln (14) gab es mehr und neue das Pfund 15 Pfennig und das weinige Brot es war nicht
zum Satt machen. Es wurden dann die Heidelbeeren und Klara holte fleißig welche und hatten was
zu essen.

11.07.1915 gab es Brot zu Lagen 700 Gramm für Leute die schwer arbeiteten und nicht auskamen. Der liebe
Gott half und es regnete auch was.

16.07.1915 regnete es auch wieder aber nicht von Bedeutung, es war immer noch trocken.

29.07.1915 war ein schöner Regen. Obst gab es viel, es war aber auch teuer.

03.09.1915 abends brannte Wetzels Sägewerk in der Schulstraße völlig nieder.

04.09.1915 bekommen wir Brot zu Lagen jeder Kopf ½ Pfund mehr also 4 ½ Pfund. 8 Tage später wurde das
halbe Pfund wieder abgezogen. Kartoffeln wurden sehr viele gebaut aber trotzdem teuer. 6 Zentner
4 M und mehr. Die Lebensmittel waren immer noch gestiegen. Fett und Speck gab’s überhaupt
nicht mehr, Butter ganz wenig und teuer, das halbe Pfund bis 1.60 M.

14.10.1915 musste ich wieder zur Musterung nach Roda und wurde eingestellt Garnisonsdienstfähig.

18.10.1915 Klara ließ sich fünf Zähne ziehen, sie hatte immer viel Zahnschmerz.

20.10.1915 bekomme ich Order nach Altenburg und am 02. November, die paar Tage vergingen schnell und ich
musste Abschied nehmen von meinen Lieben.

24.10.1915 haben wir uns noch ein Familienbild machen lassen. Mir fiel es ja leicht das Fortmachen, die
Hauptsache ist, dass ich gesund bleib, denn ich muss mich immer noch schonen.
Der liebe Gott wird schon helfen und wird mich in der Gesundheit erhalten. Nun leb wohl meine
liebe Klara, Herbert und Liesbeth bleibt alle gesund, hoffentlich kann ich recht bald wieder in Euerer
Mitte verweilen. Sollte es ja sein, dass ich nicht bald wieder zu Dir, meine liebe Klara kommen kann,
und Sehsucht bekommst nach mir, so hast Du ja unseren Herbert, mein Ebenbild, noch hier.
Auf baldiges Wiedersehen Euer Vater.

02.11.1915 Heute musste Otto fort nach Altenburg, aber nicht lange, denn abends kam er schon unverhofft
wieder. Es war eine große Freude. Diese sollte aber nicht lange dauern, denn am 6. November
kam schon wieder Order.

11.11.1915 musste Otto sich in Merseburg melden. Diesmal war aber unsere Hoffnung vergebens; denn er
kam nicht wieder.

13.11.1915 Nachricht erhalten. Es ging alles gut, Otto seine Adresse lautete 7. Landsturm Inf Ers. Batt., 4 Komp., Merseburg. Hier musste er Gefangene bewachen. Er hatte es sonst aber gut.

24.11.1915 feierte ich meinen 27. Geburtstag. Aber leider eine gedrückte Stimmung.

28.11.1915 Nachricht von Schwägerin Berta, ihr Sohn Max im Alter von 12 Jahren an Scharlach gestorben. Ihr
Mann liegt in Russland.

29.11.1915 Liesbeth hat wieder fürchterlich Fieber. Arzt Dr. Wulschner konstatierte Keuchhusten. Liegt schon
drei Wochen und noch keine Änderung.

05.12.1915 Otto kam zwei Tage auf Urlaub. Die Freude war groß. Herbert kann sich von ihm nicht trennen.
Durch Liesbeths Krankheit geht es mit mir auch nicht gut.

15.12.1915 mit Liesbeth geht es wieder besser, aber der Husten quält sie immer noch sehr. Ebenfall darf man
von jetzt ab keine Kuchen mehr backen. Die Leute sind alle sehr empört, da doch das
Weihnachtsfest so nahe vor der Tür steht. Dienstags und Freitags dürfen auch keine Fleischwaren
mehr verkauft werden. Schwager Richard und Frau waren hier auf Besuch und haben ein großes
Schwein geschlachtet.

25.12.1915 heute sind traurige Weihnachten. Die Kinder haben zwar Freude an ihren kleinen Weihnachtsgaben,
welche sie bekommen haben. Für mich aber ist die Freude verschwunden, denn es sind sehr teure
und traurige Zeiten, der Krieg will immer noch kein Ende nehmen.

01.01.1916 Otto kommt zu unserer Freude abends auf zwei Tage Urlaub. Somit haben wir das neue Jahr ganz
gesund und glücklich empfangen.

04.01.1916 war ich in Gera und habe verschiedenes gekauft. Kostüm, das Pfund Speck kostet 2,15 M, Butter 1 M
bis 1,40 M das Stück. Auf Fleisch, Butter. Wurst, Brot, Fett sind alles Höchstpreise gezahlt worden.

06.01.1916 Liesbeth spring jetzt wieder in der Stube herum. Herbert hat schlimme Hände.

15.01.1916 heute ist herrliches Wetter grad ein Frühjahr. Habe meine Unterstützung geholt. Bekomme den
Monat 30,- M Staatsunterstützung und wöchentlich noch 7 M aus der Fabrik. Trotzdem heißt es aber
tüchtig einrichten, denn es sind kollusal teure Zeiten, man ist froh für Geld etwas zu bekommen.

25.01.1915 Herr Kunze bringt gute Nachricht von Otto.

01.01.1916 Heute früh ½ 5 Uhr ausgerückt nach Eisenberg, mit uns fünf Frauen, um uns etwas zum Leben zu
holen, aber leider vergebens wo überall gab es nichts. Habe für 30,-M Wurst und Speck gekauft, aber
man sieht es kaum, so wenig bekommt man für Geld. Habe auch eine schlimme Zehe davon
bekommen.

05.02.1916 Sehr herrliches Wetter, schöner ist es im Sommer auch nicht, die Leute holen alle feste Holz, aber
leider kann ich nicht mit.

10.02.1916 Heute gibt es zum ersten Mal wieder Schnee. Herbert habe ich in der Schule angemeldet. Karl
kommt nicht auf Urlaub, da eine große Schlacht im Westen geplant ist und er in der vordersten Linie
liegt. Gebe Gott, dass alles zum Besten ausgeht und bald Friede wird. Er hat schon viele Schlachten
mitgemacht. Gott sei sein Beschützer.

12.02.1916 Sehr kalt. Wollen soeben zur Bahn und unseren lieben Vater abholen. Hat einige Tage Urlaub.
Freude ist groß.

13.02.1916 Sehr schlechtes Wetter, schade. Können nun nicht spazieren gehen. Abends waren wir einige
Stunden in Cafe Rühling.

14.02.1916 Viel Regen. Die Gemeinde verteilt Brikett an bedürftige Familien, jeder einen Zentner.

17.02.1916 Früh 8 Uhr musste unser lieber Vater wieder fort. Die paar Tage sind sehr schnell vergangen. Hätten
gern noch paar glückliche Tage mehr verlebt, denn es war zu schön, aber leider darf es nicht länger
sein. Hoffentlich kommt er bald mal wieder.

19.02.1916 Gute Nachricht von Otto erhalten. Noch immer viel Regen.

24.02.1916 Frieda hat mir in Leipzig noch etwas Kaffee und Kakao besorgt. Alles sehr teuer.

29.02.1916 Die Gemeinde hat gute Molkereibutter zu verkaufen, das Pfund 2,40 M.

01.03.1916 Otto schickt durch Herrn Kunze ein Paket mit Apfelsinen und verschiedenen. Die Freude ist sehr
groß.

04.03.1916 ein sehr herrlicher Tag. Liesbeth hat noch tüchtig Husten.

07.03.1916 Heute ist ein großer Freudentag für uns. Früh ½ 6 Uhr rückten Herbert und ich nach Merseburg, um
unseren Vater zu besuchen. ½ 10 Uhr ging das Wetter, dann aber fing ein sehr schlechtes an.
Dadurch wurde uns die ganze Aussicht verdorben. Gefallen hat es uns sehr gut. Otto hat es ganz
schön. Nur klagt er wieder über Halsdrücken. Abends ¾ 8 Uhr kamen wir wieder hier an.

12.03.1916 Hatte ich ein Zahngeschwür tüchtige Schmerzen und dicke Backe.

20.03.1916 Otto sein Hals ist wieder besser. Mit mir geht es ebenfalls wieder gut.

24.03.1916 Otto kam unverhofft auf Urlaub.

25.03.1916 Tüchtig reinemachen.

26.03.1916 Gera gefahren, Möbel gekauft.

27.03.1916 Ein Tag des Schreckens. Ziehe heute um nach Naumburger Strasse 33. Tüchtig schuften. Hier ist es
sehr schön.

28.03.1916 Viel Arbeit, tüchtig räumen.

29.03.1916 Otto reist wieder ab.

05.04.1916 Schwägerin Klara von einem Mädchen entbunden worden.

10.04.1916 Fahre wieder in die Stöcke. Es sind Holzzettel verteilt worden. Jeder kann Stöcke heraus tun soviel
und wo er will bis 30. September. Es ist ja keine leichte Arbeit für eine Frau. Aber schön ist es doch,
denn es gibt kein Feuerholz zu kaufen.

12.04.1916 Schwägerin Martha abgeholt, kommt 10 Tage auf Urlaub.

16.04.1916 Waren heute bei Schwager Hermann Diener zum Palmsonntag. Olga kommt aus der Schule, leider
ist ihr Vater auch im Felde.

20.04.1916 Soeben komme ich von Schleifreisen und habe Milch und Butter geholt, hier gibt es keine. Nicht
einmal für Geld bekommt man etwas.

23.04.1916 Zum zweiten male feiern wir Ostern in dieser traurigen und eisernen Zeit. Das Wetter ist ja ganz nett,
aber der Friede ist noch immer weit entfernt. Jeder sehnt sich nach Friede, damit er doch mal wieder
wird. Die Zeiten sind noch sehr schlecht. Auf alles sind Höchstpreise gesetzt worden.
Schweinefleisch kostet das Pfund 1,70 M
Rindfleisch kostet das Pfund 2,80 M
geräucherte Wurst kostet das Pfund 2,00 M
geräucherter Speck kostet das Pfund 2,50 M
Rindertalg kostet das Pfund 1,80 M
Schweinefett kostet das Pfund 2,00 M
ein Ei kostet 0,16 M (Pfennig)
Margarine gibt es überhaupt nicht mehr. Talg ist auch beschlagnahmt.
Frieda ist mit ihren Kindern verreist nach Leipzig. Ihr Mann kommt einige Tage aus dem Felde. Er ist
ein Jahr nicht hier gewesen. Schwester Ida ist hier auf Besuch.

26.04.1916 Die Kartoffeln sind sehr knapp. Auf den Kopf kommen täglich 1 ½ Pfund. Die Leute erdrücken sich
bald, wenn welche ausgeteilt werden, das besorgt die Gemeinde.

27.04.1916 Haben Fleischzettel erhalten. Jeder muss sein Fleischbestand aufschreiben. Es gibt jetzt
Fleischmarken, auf den Kopf kommen wöchentlich 600 gr. Kinder bis zu 6 Jahren erhalten die Hälfte.
Auch gibt es heute Seifenmarken der Kopf erhält monatlich 1 Pfund. Seife ist sehr teuer. Das Pfund
kostet 2 Mark. Auch wird es bald Zuckermarken geben.

29.04.1916 Unser lieber Vater kommt auf Urlaub.

30.04.1916 Heute ist es sehr schön. Gehe spazieren nach Ziegenböcke und Klosterlausnitz. Liesbeth macht
schlapp. Auch ist sie noch nicht richtig gesund.

01.05.1916 Ein Tag des Gedenkens. Um Mitternacht sind alle Uhren um eine Stunde vorgerückt worden.
Und dadurch Lichtgeld zu ersparen. Es ist etwas komisch, aber und man muss sich daran gewöhnen.
Seit Menschengedenken wird das wohl auch das erste Mal sein. Das bringt nur alles der schreckliche
Krieg mit sich. Jetzt heißt es sparen wohl bekannt. Herbert ist heute ebenfalls in die Schule
gekommen. Er ist ganz außer sich vor Freude, trotzdem es keine Zuckertüte mehr gab, die sind auch
verboten worden. Das ist das erste Mal Ostern ohne Zuckertüte. Herbert ist der 34. Schüler, 40 sind
ihrer rein gekommen.

02.05.1916 Heute ist Jahrmarkt, aber leider nicht viel. Auch sind heute Zuckermarken ausgegeben, der Kopf
erhält monatlich 1 1/2 Pfund.

03.05.1916 war mit Liesbeth beim Arzt. Hat chronisch Keuchhusten. Abends ¼ 6:00 Uhr macht unser lieber
Vater wieder fort.

05.05.1916 Frieda kommt mit Mann und Kindern wieder zurück von Leipzig.

07.05.1916 Waren heute spazieren in Klosterlausnetz mit Schwestern und Mutter. Liesbeth macht wieder mal
schlapp.

10.05.1916 Frieda ihr Mann macht wieder fort nach Frankreich. Der Abschied fällt sehr schwer

15.05.1916 das ganze Vieh muss heute angemeldet werden. Auf dem Rathaus ist alles zum Ort rücken. Die
schon zum dritten Mal hin, hoffentlich habe ich nun Glück. Wir haben 12 Kaninchen.

19.05.1916 gestern und heute ging es ins Holz. Es ist sehr schönes Wetter, die Felder sehen sehr grün aus.
Hoffentlich gibt es dieses Jahr wieder gute Ernte und wir aushalten können bis der schreckliche
Krieg zu Ende ist.

20.05.1916 Früh 8.00 Uhr kam ein Flieger und landete draußen am Schützenhause. Die Reparatur dauerte
vielleicht eine halbe Stunde dann stieg er wieder in die Höhe. Es war sehr interessant, ihn
anzusehen. Menschen kamen sehr viele, zumal hier der erste Flieger war, der in der Höhe zu
zu besichtigen war.

25.05.1916 Kartoffel und Gurken sind sehr schön.

03.06.1916 unser lieber Vater kommt abends 7 Uhr auf Urlaub. Herbert geht Ihnen abholen. Es ist schlechtes
Wetter.

04.06.1916 Waren spazieren in Ziegenmühle.

05.06.1916 tun feste Stöcke raus.

08.06.1916 Otto fährt 08.15 Uhr wieder in die Garnisonen. Nun sind wir wieder allein.

10.06.1916 Heute gibt es Brotzulagen. Der Kopf erhält 200 g mehr. Dagegen gibt es weniger Fleischmarken, der
Kopf erhält wöchentlich 300 g. Die Läden werden erst mittags 12:00 Uhr geöffnet.

11.06.1916 Pfingsten sehr schlechtes Wetter, windig, kalt und Regen. Wir gehen nicht spazieren.

13.06.1916 tüchtig Regen. Das Heu steht schon acht Tage, hoffentlich wird nun bald anderes Wetter.

20.06.1916 endlich trifft Heuwetter ein. Es gibt überall tüchtig Arbeit, denn es fehlt doch sehr an Arbeitskräften.

28.06.1916 waren das erste Mal in den Heidelbeeren. Es gibt nicht sehr viel. Leute gibt es mehr als
Heidelbeeren. Der Liter kostet 40 Pfennig im Anfang. Den zweiten Tag sind wir schon Mittag
zuhause, überall keine mehr zu finden.

03.07.1916 abends 7 Uhr gab es ein starkes Gewitter, der Blitz schlug in die Stallungen von Bauer und Plötner
und diese brannten nieder.

10.07.1916 Heute gibt es wieder Freude, unser Vater kommt auf Urlaub bis zum 16., wollen es uns aber
gemütlich machen. Zur gleichen Zeit kam Schwager Hermann Diener aus dem Felde auf einen Tag,
den er musste durch Telegramm wieder sofort zur Truppe.

17.07.1916 Nachricht von Karl, dass er verwundet ist, ein Streifschuss an Kopf, liegt im Lazarett zu Staßfurt.

20.07.1916 ist ein großer Lazarettzug durch, ach diese armen Menschen.

01.08.1916 jetzt gibt es Buttermarken, der Kopf erhält wöchentlich 90 Gramm. Fleisch bekommen wöchentlich
Erwachsene 125 g und Kinder die Hälfte. Es ist sehr, sehr traurig, nichts zu essen. Auch gibt es
Bezugsscheine für Kleidung und alles Sünden teuer.

04.08.1916 drei Tage verreist, bei meinem Mann, war herrlich.

05.08.1916 Seifenmarken monatlich 50 g und 250 g Seifenpulver der Kopf. Furchtbar teuer Pfund drei Mark.

12.08.1916 Otto kam unverhofft auf Urlaub. Mit ihm auch Schwager Louis und Albin. Feiern mal ein fröhliches
beisammen sein im Café Rühling bei einem Glas Bier.

16.08.1916 unser Vater macht wieder fort.

20.08.1916 Louis macht nach Köln.

25.08.1916 Lebensmittelkarten werden verteilt. Hierauf gibt es Gries, Nudeln, Hering, was alles zum Haushalt gehört; denn ohne Karte bekommt man nichts mehr.

30.08.1916 Waren mit Liesbeth in Jena in der Klinik, Dr. Wulschner ihren Rachen ausgepinselt und die Nase
geträufelt. Geht nicht gut.

05.09.1916 War mit Schwester Frieda in Kursdorf bei meiner Freundin ein schöner Spaziergang.

15.09.1916 Karl und Schwager Albin Schröder sind beide auf Urlaub, unser Vater ebenfalls. Ein Fest der Freude
aber nichts zu essen.

20.08.1916 Schwager Louis ist seit 12. September an der Somme vermisst.

25.09.1916 In Scheiditz nach Kartoffeln der Zentner kostet vier bis fünf Mark, jeder soll seinen Bedarf decken.
Der Kopf erhält täglich ein Pfund.

30.09.1916 Koche zwei Zentner Pflaumenmuss der Zentner 7,50 Mark. Es gibt dieses Jahr sehr viel, aber teurer
bis 11 Mark.

05.10.1916 Äpfel geholt der Zentner für 14 Mark. Schwager Hermann Diener ist nochmals hier im Urlaub für 14
Tage.

10.10.1916 mit Liesbeth wieder in Jena. Noch keine Änderung. Hat furchtbar viel Schwellung, kann Tag und
Nacht nicht ruhen.

15.10.1916 Schwager Louis ist in Gefangenschaft und zwar in Pueril. Somit ist er doch vom Tode gerettet.

20.10.1916 unser Vater wieder einige Tage auf Urlaub. Es ist wieder mal schön. Kaum ist wieder im Feld und
zwar nach Rumänien. Traugott Grunick gefallen meiner Cousine Ida ihr Mann. Sehr traurig. Am 8.
Oktober an der Somme.

25.10.1916 furchtbar kalt schon alles gefroren.

26.10.1916 mit Liesbeth beim Arzt in Ronneburg.

01.11.1916 war in Scheiditz nach Quark und Eiern. Die Bauern rücken nichts heraus. Der Quark kostet
das Pfund 50 Pfennig, Eier das Stück 25 Pfennig.

8.11.1916 nochmals in Ronneburg, geht nicht gut mit Liesbeth, viele Husten und immer Fieber.

15.11.1916 mit Liesbeth geht es schlecht. War nochmals in Jena. Die Untersuchung dauerte lange. Das Ergebnis
war: auf beiden Lungen krank.

18.11.1916 Schwager Paul wollte auf Urlaub kommen, aber bis jetzt noch nicht eingetroffen.

20.11.1916 unser lieber Vater hat wieder sechs Tage Urlaub.

24.11.1916 heute ist mein 28. Geburtstag, fühle mich sonst noch wohl und munter.

30.11.1916 mit Liesbeth noch beim alten, furchtbar viel Fieber und Husten.

05.12.1916 Fieber hat abends nachgelassen.

10.12.1916 haben noch viel Arbeit, bis auf die Feiertage. Furchtbarer Nebel.

15.12.1916 Schwager Paul ist endlich eingetroffen.

16.12.1916 wieder unter Klinik noch keine Änderung. Sehr kalt!

22.12.1916 nochmals in Jena. Immer dasselbe.

23.12.1916 unser Vater hat Urlaub und somit können wir die Feiertage wenigstens miteinander verbringen.

25.12.1916 1. Feiertag, der 3. Kriegswinter. Unter den Leuten ist wenigstens Hoffnungen auf Frieden, trotzdem er
vielleicht noch weit entfernt ist; denn unsere Feinde lehnen alle die Friedensvorschläge ab. Nun
einmal muss es doch werden.

26.12.1916 Ida und Paul sind ein Stündchen bei uns. Abends waren wir im Café Rühling. Um 10:00 Uhr ist schon
Polizeistunde. Dieser Sturm gestern furchtbar.

27.12.1916 ich reise wieder nach Leipzig.

28.12.1916 unser lieber Vater verlässt uns heute auch wieder. Hoffentlich war es nicht das letzte Mal.

01.01.1917 das Jahr hat sehr ruhige begonnen. Liesbeth ist heute erstmals mobiler.

2.01.1917 von heute abgibt es Milchkarten, Kinder und Kranke erhalten Milch:
Kinder von 1 + 2 Jahren 1 Liter
Kinder von 3 + 4 Jahren ¾ Liter
Kinder von 5 + 6 Jahren ½ Liter,
somit ist wenigstens für die Kinder besser gesorgt, denn sonst könnte man keine bekommen.

03.01.1917 viele Neuschnee. Haben sehr viel. Müssen jetzt mit der Seife sparen, denn es gibt keine Märkte
kaufen.

06.01.1917 mittags war ein Himmelszeichen zu sehen und zwar sehr deutlich ein sehr großes schönes weißes
„F“. Das bedeutet hoffentlich Frieden. Ich habe es selbst mit sichtlichen Augen gesehen und beruht
sich auf Wahrheit.

09.01.1917 sehr viel Sturm. Fühle mich auch nicht wohl. An der Seite viel Schmerz. Liesbeth noch beim Alten
und Herbert fährt selber Schlitten. Unser Vater schreibt, jetzt bin ich Feldsoldat geworden und werde
bald einrücken.

11.01.1917 Liesbeth sehr schwer krank. Arzt geholt.

12.01.1917 Liesbeth etwas besser.

13.01.1917 immer noch dasselbe.

14.01.1917 in der Nacht verschlimmert der es sich sehr bis Sonntagmittag. Von 12:00 Uhr an wurde es wieder
besser. Hatte Appetit zum Essen.

15.01.1917 hat sich gebessert mit Liesbeth. Telegramm abgeschickt nach Merseburg an unseren Vater. Sofort
kommen!
16.01.1917 die Nacht ruhig bis 1/2 5 h, dann wieder etwas unruhig, 05.45 Uhr tot. Sehr gut eingeschlafen im
Alter von 5 1/2 Jahren. Nun hat Gott unsere liebe Liesbeth zu sich genommen. Es ist der sehr
schwer. Aber Gott macht alles recht und das ist der einzige Trost für uns. Früh 7 Uhr
traf unser lieber Vater ein, aber leider konnte er unser liebstes nicht noch einmal lebend sehen.
Mittag 1 Uhr bekam unser lieber Vater wieder Telegramm. Zurück Einkleidung ins Feld. ¼ 3Uhr
musste er fort und so war ich in meinem Schmerz allein.

17.01.1917 sehr kalt und öde und leer. Fühle mich auch krank und verlassen.

18.01.1917 Liesbeth wird sehr verehrt. Hat viel Blumenschmuck. 1/2 4 Uhr kann unser Vater wieder und zwar
feldmarschmäßig.

19.01.1917 sehr kalt. Liesbeth wird Nachmittag 2 Uhr beerdigt. Träger sind Traugott Machels, Walther Remms,
Richard Bermig und Walter Schröter Eisenberger Straße. Es ist ein sehr schwerer Gang, der
allerletzte mit unserer lieben Liesbeth. Was nützt aber alles trauern, der Tod fragt nicht danach.
Abends ¾ 8 Uhr fährt unser lieber Vater wieder fort nach Merseburg. Der Abschied fällt sehr schwer.
Wissen ja nicht ob wir uns noch einmal wieder sehen.

20.01.1917 fühle mich sehr angegriffen von all den schweren Tagen.

21.01.1917 war auf dem Friedhof. Aber alles einsam, kann hier auch keinen Trost finden.

22.01.1917 Nachricht von unserem lieben Vater, kommt ins Feld, wohin noch unbestimmt.

23.01.1917 der erste Tag, seitdem Liesbeth begraben, dass ich etwas Ruhe zuhause finde. Es ist doch sehr
schwer, ein gutes, liebes, braves Kind zu verlieren - noch furchtbar kalt. Die Fenster bringt nun
nichts runter.

27.01.1917 Herbert hatte die Nacht durch Fieber und Husten. Noch tüchtig kalt.

30.01.1917 Von unseren Vater Nachricht, kommen fort ins Feld, haben wenig zu essen.

02.02.1917 Mit Herbert hat sich gebessert. Viel Schnee und sehr kalt. Fühle mich nicht wohl. Sehr viel Husten
und Kopfschmerzen. Noch tüchtig kalt. Morgen Nachmittag in Eisenberg, Butter erhält der Kopf
wöchentlich 62,5 g. Sehr wenig.

04.02.1917 war Nachmittag bei der Mutter, aber immer noch sehr kalt. Ein Ei kostet 32 Pfennig.

06.02.1917 war bei Arzt Dr. Wulschner. Habe viele Seitenschmerzen. Habe ein Nerven stärkendes Mittel
bekommen. Grausig kalt.

10.02.1917 sind warm bei der Mutter und nähen.

10.02.1917 unser Vater hat seine Soldatenkiste geschickt. Allem Anschein nach sind sie fort. Gebe Gott, dass er
bald wieder gesund zu uns zurückkehren kann. Noch immer tüchtig kalt.

11.02.1917 Nachricht von unserem lieben Vater, dass sie heute Mittag 11 Uhr verladen worden sind. Vorderhand
wiesen sie noch nicht wohin. Seine Adresse lautet 4. Kompanie Landst Inf Battl IV / 117.

14.02.1917 endlich tritt milde Witterung ein. Woher auch heute wieder mit in Scheiditz und etwas Quark geholt.
Das Pfund kostet 50 Pfennig.

16.02.1917 heute ein schöner Tag. Möchte gern ins Holz gehen, aber noch viel Schnee.

20.02.1917 war nochmals beim Arzt Dr. Wulschner, geht wieder besser.

22.02.1917 wir bekomme Butterzuschuss. Nachricht von unserem lieben Vater, sind schon in Ungarn. Immer
wieder kalt.

28.02.1917 nach langer Zeit wieder Nachricht von unserem lieben Vater. Sie befinden sich in Rumänien und zwar
in Craiova. Seine Adresse hat sich geändert und lautet 4. Kompanie Landst Inf Battl 2 Feldpost 389
Magdeburg IV / 17 Rumänien.

05.03.1917 es ist wieder tüchtig kalt geworden.
08.03.1917 heute nochmals mit Frieda in Scheiditz nach Quark und Eiern. Es war aber sehr viel Schnee.

09.03.1917 diese Nacht hat sich das Schnee sehr vermehrt und tüchtig kalt. Habe fast kein Holz mehr zum
Abbrennen. Überall herrscht Kohlenmangel.

13.03.1917 Habe heute Wäsche. Endlich mal wieder Nachricht von unserem lieben Vater erhalten, befindet sich
weit in Rumänien drin.

17.03.1917 war in Gera verschiedenes besorgen.

20.03.1917 tüchtig am Schneien und sehr kalt.

23.03.1917 war in Hetzdorf nach Eiern und Quark.

28.03.1917 ein Kaninchen verkauft, auf dem Rathaus werden Schuhsohlen verteilt.

03.04.1917 unser Vater feiert heute seinen 30. Geburtstag im Feld.

08.04.1917 wieder mal klingen die Osterglocken. Der Krieg will noch kein Ende nehmen. Mir ist es heute doppelt
schwer. Wetter ziemlich schön.

09.04.1917 Mittag bin ich mit Herbert ins Holz und eine Fuhre geholt. Es wurde mir tatsächlich leichter.

12.04.1917 waren wieder mal in Scheiditz und Mörsdorf nach Eiern und Quark. Es wird nun so allmählich mit alle.

16.04.1917 heute wurden wieder die Brotmarken gekürzt und zwar erhält der Kopf wöchentlich drei Pfund. Nun
heißt es aber: Essen ist Nebensache. Fleisch soll jetzt der Kopf ein Pfund bekommen. Aber man
meint nur vorübergehend, damit die Leute sich beruhigen. Sehr schönes Wetter.

17.04.1917 der Jahrmarkt war am Rathaus abgehalten. Aber leider ist nicht viel, es regnet auch dazu.

21.04.1917 Herbert unser einziger noch feiert heute seinen 7. Geburtstag. Ach nein schön wäre dass, wenn
unsere gute Liesbeth noch mit hier wäre. Wie glücklich könnten wir seinen. Aber es soll nicht sein.

30.04.1917 muss wieder mal übers Land nach etwas zu essen. Wird aber bei jedem Mal weniger.

16.05.1917 nehme heute eine Aufwartung ein und zwar bei Familie Rusche. Etwas muss man mitverdienen. Die
Unterstützung reicht meist nicht weit.

20.05.1917 Wäsche bei Rusche. Sind sehr nette Leute gefällt mir sehr gut.

27.05.1917 das herrliche Pfingstfest ist wieder da. Sehr schönes Wetter. Sollte meinen der Krieg müsse ein Ende
nehmen bei dem schönen Wetter, aber noch kein Gedanke an Frieden.

28.05.1917 Mittag kam Besuch von meiner Freundin aus Kursdorf. Freue mich sehr fällt mir doch wenigstens ein
Feiertag nicht zu schwer. Waren spazieren Klosterlausnitz.

29.05.1917 gegen Abend mit Herbert nach Oberndorf beim Pfingstsetzen. Liesbeth ihr Stein wird sehr schön. Bis
nachts 12 Uhr Gewitter, von 2 bis 5 Uhr schon wieder.

01.06.1917 wieder ein schweres Gewitter.

02.06.1917 Felder und Wiesen sehen sehr schön grün aus.

06.06.1917 Schwester Anna hat ein kleines Mädchen bekommen. Ida drei Wochen Ferien aus Leipzig.

07.06.1917 waren im Holz. Sehr heiß.

15.06.1917 Heu machen. Es ist sehr heiß.

20.06.1917 noch immer kein Regen. Die Wiesen sind alle verbrannt.

22.06.1917 furchtbar heiß.

25.06.1917 Wäsche bei Rusche und Heu machen.

01.07.1917 endlich regnet es ein wenig. Seit vier Wochen kein Regen und immer tüchtig heiß. Die Wiesen und
Felder alle verbrannt. Gott mag helfen, dass sich alles wieder erholt, sonst müssen wir verhungern.
Die Zeiten sind sehr schlecht. Alles auf Marken und sehr wenig, der Krieg will trotzdem kein Ende
nehmen.

04.07.1917 endlich sind die Heidelbeeren aufgetan. Alles rennt und springt. Mittag war schon alles ausgepflückt,
die Beeren sind sehr teuer, der Liter 50 Pfennig bis 1 Mark.

08.07.1917 es gibt Bezugsscheine auf Kirschen.

10.07.1917 endlich fängt es mal wieder an tüchtig zu regnen. Es wird auch höchste Zeit, denn alles bleibt
furchtbar zurück.

15.07.1917 Post von unserem lieben Vater, liegt krank im Lazarett.

22.07.1917 heute sind die Glocken herunter genommen worden. Man hört nichts mehr alles ist leer.

25.07.1917 bin krank habe tüchtig Leibschmerzen, Kopfschmerzen und Fieber.

28.07.1917 geht wieder etwas besser mit mir.

29.07.1917 war mal wieder auf dem Friedhof. Liesbeth ihr Grab sieht schön aus.

08.08.1917 verreise mit Herbert zu Voigts nach Roßbach. Es ist sehr schön dort.

12.08.1917 fahren wieder zurück.

15.08.1917 war seit langer Zeit wieder mal Holz holen.

26.08.1917 Heute schönes Wetter. Spaziergang gemacht bis nach Kursdorf.

09.11.1918 nahm endlich der schreckliche Krieg ein Ende. Es war auch höchste Zeit. Die Menschen waren dem
Verhungern nahe. Im Oktober brach eine Krippeepidemie aus. Sehr viele sind daran gestorben. Ich
war auch krank und dem Auslöschen nahe. Hatten wir doch sehr viel Hunger. In der größten null kam
ein Lebensmittelpaket von unserem Vater. Er war jetzt in Frankreich in Vharleville und da gab es zu
kaufen. Ich hatte ihm 100 Mark geschickt. Es war ein kleines Paket mit einer Pferdewurst, etwas Mehl
und Feigen. Die Freude war sehr groß. Man glaubt gar nicht wie Hunger Elend macht.

25.11.1918 kam der Tag des Wiedersehens! Nachmittag 2 Uhr kam Herbert gesprungen ins Kino, beim Förster
ich arbeitete dort Geschosskörbe, Mutter komme nach Hause, der Vater ist da.

25.11.1918 wurde ich aus dem Kriegsdienst entlassen. Es blieb nichts anderes übrig, ging wieder in die Fabrik.
Schwere Zeiten, Revolution, Arbeitslosigkeit, Lebensmittelknappheit, alles furchtbar teurer.

1919 die Zeiten wurden immer schlechter. Alles wurde immer teurer, immer noch beschränkt arbeiten. Im
Sommer fing ich mit Friedrich Plötner Obsthandel nebenbei an wir kauften Kirschen und im Herbst
Hartobst in Mertendorf.

01.01.1919 verlegten wir unsere Wohnung nach Naumburger Straße 20 bei Clara ihrer Schwester Anna.

1920 die Teuerung nahm immer noch zu. Im Frühjahr kaufen wir uns ein kleines Schwein für 200 Mark, am
13. Dezember haben wir es geschlachtet von 2 ¼ Zentner. Kennzeichen der Teuerung: ein Zentner
Kartoffeln 30 Mark, das Pfund 40 bis 50 Pfennig. Ein Pfund Schweinefleisch 22 Mark. Fast alle
Bedarfs Artikel das 10 bis 30fache gestiegen.

31.12.1920 abends 10 Uhr wurden wir mit einem kleinen Mädchen beschenkt, die Freude war groß. Es war ein
strammes Ding, 8 Pfund schwer. Hinten und an den Seiten dunkle lange Haare und auf der
Oberfläche des Kopfes ganz wenig.

1921 es war ein lebhaftes Kind, eine Stramplerin, mit den Händen in der Luft herum fassend und einen
sehr scharfen Blick. Abends konnten wir sie nicht zur Ruhe bringen es war ein kleines Schreimensch. Im September hatte sie Ohren laufen, der Arzt stellte Mittelohreiterung fest, welche
sich bis Ende des Jahres wiederholte. Am Schluss des Jahres musste ich feststellen das Clara sich
von dem Kriegshungerjahren wieder etwas erholt hatte. Herbert blieb der alte Nichtsnutz, er wächst in
die Höhe, aber immer schlank.

1922 Als Zeichen der Teuerung möchte ich aufführen: ein Zentner Kartoffeln im Januar 150 Mark - eine
Schraube ohne Ende.

22.01.1922 hatten wir Kindtaufe. Als Patent hatten wir drei Frauen. Diese hat ihre Taufe selbst mitgefeiert, im
Schlitten hat Herbert sie in die Kirche gefahren. Es gab einen sehr strengen Winter viel Schnee. Im
Mai machten wir eine Reise nach Elberfeld, Düsseldorf und Köln. Ich steckte unsere ganze Barschaft
ein es war viel Geld und verrät den für 10 Tage bei meinen Brüdern, es war herrlich. Als wir
wiederkamen, wollte Ilse von uns nichts wissen, sie erkannte uns nicht wieder.

1923 im Frühjahr 1923 fingen wir an uns ein Haus zu bauen, durch Selbsthilfe alles hat mitgeholfen, Clara,
Herbert. Die Inflation hatte den Höchstpunkt erreicht, im November hatten wir fast 1 Billionen, 1
Millionen Mark.

28.01.1931 Heute kommt mir das Buch in die Hände. Ich lese es mit großem Interesse durch. Es ist wirklich schön, etwas von den früheren Zeiten wieder zu erfahren und die auch in Rom kommt gleich wieder, wo man sonst gar nicht mehr daran denkt. Nun möchte ich wieder etwas Lebensinhalt niederschreiben. Ach nein vieles hat sich verändert in diesen ziemlich 10 Jahren. Als erstes sind wir alle noch gesund und wohl auf. Hungern brauchen wir jetzt nicht mehr und haben uns sogar zu sehr
erholt. Ich wiege zum Beispiel als 42 jährige Frau 155 Pfund. Dagegen mit 27 Jahren 99 Pfund - ist das nicht ein großer Unterschied? Unsere Ilse ist auch ein aufgewecktes und gesundes Kind. Nur einige Krankheiten ohne Bedeutung hat sie bis zu ihrem 10. Jahre erlebt. Jetzt sitzt sie mit am Tisch und passt auf was ich schreibe. Das ganze Buch habe ich ihr müssen vorlesen. Sie war so begeistert, und äußerte nur den einen Wunsch, Mama schreib alles rein, was du weißt. Ich lege mir auch so ein Buch zu und schreibt alles auf. Sie ist für ihr Alter sehr verständig und furchtbar mitleidig. Hoffentlich bleibt sie so und macht uns nur Freude. Herbert ist auch ein sehr guter Junge und ich
freue mich sehr über ihn. Er ist inzwischen ziemlich 21 Jahre alt geworden und weilt in der Fremde, denn er muss doch sein Brot selbst verdienen. Zwar müssen wir immer öfter mal ein Paket mit Wurst und Kuchen schicken, aber das mache ich sehr gern, weiß ich doch, dass er Arbeit hat; denn die Arbeitslosigkeit ist sehr groß. Es ist wirklich traurig mit anzusehen all die jungen kräftigen Menschen kommen und betteln. In mancher Familie und zwar in vielen jüngeren ist der Vater und die Söhne
ohne Arbeit. Unterstützung gibt es auch sehr wenig, so dass die Leute jetzt auch noch Hunger leiden und zwar bei vollen Fleischer- und Bäckerläden, aber wieder kein Geld. Das hatte nur alles der Krieg mit sich gebracht. Ostern 1924 hat Herbert die Schule verlassen und lernte in Gera bei Herrn Erfurth das Optikerhandwerk. Leider verdiente er sei wenig und deshalb hat er sich eine andere Beschäftigung gesucht. Am 09.07.1928 machte er nach Meißen an der Elbe auf die Polizeischule und blieb bis zum März 1929. Dann kam er nach Dresden und befindet sich heute noch dort als Polizeiwachtmeister IV Bereitschaft II Zug. Weihnachten war er hier auf Besuch, natürlich in Uniform, ach wie haben wir uns gefreut! Sah er doch sehr hübsch aus, überhaupt ist er eine hübsche stattliche Erscheinung grad wie früher so ein Kadettenleutnant . Er ist auch sonst von sehr gutem Charakter und sehr vernünftig, hoffentlich bleibt er gesund und macht uns noch mehr Freude. Morgen geht wieder ein Paket ab. Er hat immer Hunger und nicht viel Geld. In der Stadt kostet es immer viel Geld, und er soll auch sein Leben jung genießen. Nun zu unserem Vater. Er ist inzwischen auch 44 Jahre alt geworden, ist aber trotzdem gut beileibe und sieht gesund und munter aus. Die Stimme hat auch einen kräftigen Schall und er kann noch sehr gut reden und anstellen. Er ist zwar jetzt immer etwas misslaunig, immer keine Arbeit und keine Nebenbeschäftigung und daher auch keine Geldeinnahmen. Unterstützung bekommen wir nicht, da wir uns seit 1925 selbstständig gemacht
haben. Wir betreiben jetzt Obsthandel. Im Sommer werden Kirschen und Hartobst gehandelt und im Winter Äpfel verkauft außer der Einkellerung. Dieses Jahr hatten wir sehr wenig, vielleicht jetzt noch 2,5 Zentner Bestand, das ist sehr wenig Geldeinnahme bis zum Mai. Nun, wir haben ja ein Schwein geschlachtet und Kartoffeln im Keller. Hühner noch 35 Stück, also noch Eier zum Verkauf, Gesund soweit auch, was soll man da klagen? Ich fühle mich sehr zufrieden.

08.12.1924 ab da bewohnen wir ein Siedlungshaus, durch Selbsthilfe gebaut. Wie haben wir uns müssen plagen. Es hängen sehr viele Schweißtropfen daran. Das vergesse ich nie wieder. Trotzdem sind die Mieten teurer. Zahlen das Jahr 500 Mark. Wohnt sich jetzt sehr schön. Man hat sich nun an das Einsame gewöhnen. Aber die erste Zeit wollte es mir gar nicht behagen. Habe dann öfter noch mal gleich früh abgeschlossen und bin abgerückt. Es war zu einsam und leer. Es standen ja auch im Anfang nur
zwei Häuser hier. Ja, der Mensch muss sich an alles gewöhnen. Von Weihnachten 1926 bis Juli 1927 war mein Mann, unser lieber Vater, wieder sehr schwer krank
und zwar an Gelenkrheumatismus. Es war sehr schlimm, so dass er dann noch ins Bad nach Collberg kam. Seitdem klagt er immer mal wieder über Reißen, aber nicht bettlägerig.

1930 Im Juni starb Bruder Hermann in Düsseldorf. Zwei Tage später die Großmutter von 84 Jahren. Ich habe den ganzen Tag über meine Beschäftigung und finde kein Ende. Den Winter über strickt und näht man, damit im Sommer alles fertig ist. Denn dann gibt es im Garten Arbeit. Auch habe ich immer etwas Sommergäste gehalten. Sie kommen von überallher, von Leipzig, Dresden, Chemnitz, Berlin. Es bleibt auch nicht viel übrig. Die Leute wollen nicht viel zahlen und sonst ist doch alles noch teurer,
aber ich mache so was gern und ich bin dann doch nicht immer so allein. Will nun ins Bett, Unsere Ilse hat es mir so schön gewärmt. Otto ist zur Versammlung in der Bausie.
Es ist. 10 Uhr dem 28.01.1931.

1931 ein milder Winter, Geschäftslage sehr schlecht.

10.02.1931 fand ich Aufnahme in der Frauenklinik zu Jena. Wurde am 17.02. operierte an einer Frauenkrankheit, und am 10.03. wieder entlassen. Geht mir ganz gut, wieder erholt.

Juni 1931 hatten dieses Jahr die Kirschen in Köstritz von Zersch gepachtet, dann auch das Hartobst sehr viele, gute Ware. Waren immer mit unten und haben mitgeholfen. Das Obst war sehr billig, es gab zu viele. Sonst verging das Jahr so leidlich. Nur das es mit der Gesundheit immer etwas haperte.

1932 eigentlich ein ganz guter Anfang. Den Kindern geht es soweit gut, nur bei mir will es nicht gehen wie ich’s wünsche deshalb besuchte ich im Februar die Klinik wieder und wurde durch Röntgenaufnahmen ein Darmgeschwüre festgestellt. Muss sehr damit leben. Trotzdem will es nicht besser werden. Muss alle für 14 Tage zur Untersuchung nach Jena. Ich weiß nicht mir ist gar nicht wohl und plötzlich wurde ich im April auf ein heftiges Krankenlager geworfen. Gute fünf Wochen gelegen an Muskelzerrung. Eine Krankheit die sehr viel Vorsicht bedarf. Im August kauften wir uns ein eigenes Grundstück von 6614 Quadratmeter. Es hat zwar sehr viel Lauferei und Schererei gemacht. Aber wir freuen uns jetzt. Liegt es doch sehr schön in der Lage und haben es mit Kirschbäumen bepflanzt. Das Geschäft geht nicht mehr sehr gut. Die Leute sind fast alle arbeitslos
und haben dafür kein Geld.

1933 das neue Jahr in völliger Gesundheit angetreten. Es ist ziemlich kalt, doch wird der Markt in Gera und Jena feste besucht. Es ist doch schön jeden Sonnabend eine schöne Einnahme zu buchen. So konnten wir uns Ostern auch wieder mal eine kleine Reise erlauben und fuhren nach Dresden zu unserem Herbert. Ach es war wunderschön, acht Tage ein Stadtleben zu genießen. Haben uns alles Mögliche angesehen. Mit dem Dampfer bis in die sächsische Schweiz. Nur das Wetter lies viel zu wünschen übrig. Zuhause angelangt, na die Arbeit will nicht gleich wieder schmecken. Ilse hat den Haushalt die ganze Woche allein besorgt, aber doch war sie froh, als wir wieder hier waren.
So geht der Sommer hin. Dieses Jahr ist mit dem Geschäft sehr wenig. Kirschen und Pflaumen alles verregnet. So haben wir uns entschlossen uns mit etwas anderem zu beschäftigen und zwar ein eigenes Heim. Binnen 14 Tagen war alles perfekt. Heute am 14.10.1933 wurde der Grundstein gelegt, Maurermeister Walter Präßler, Architekt Herr Körbs, Zimmerarbeiten Albin Wetzel, Klempner Herr Wakke und Knauer, Dachdecker Herr Nützer, Installationen Herr August Lange, Fenster Karl Wetzel, Türen Erich Gradl, Lichtleitung Linus Lauckner, Maler Weidenhaun und Dietz nach meiner Ansicht wird es ganz schön. Mängel sind in jedem Haus. Wir hoffen auf einen baldigen Einzug.

01.11.1933 Herbert ist nach Leipzig übergesiedelt. Hoffentlich gefällt es ihm gut. Morgen feiere ich den 45. Geburtstag. Bin gespannt, was mir Ilse alles zu Recht gelegt hat. Sie hat ja alle mal einen Trasch. Auch hat sie sich das erste Kätzchen angeschafft na so eine Freude. Höre mir soeben den Reichsbrandstifterprozess durchs Radio an. Es ist etwas unverständlich. Van der Lüppe geht zum ersten Mal mit der Sprache heraus man kann ihn bloß schlecht verstehen. Er verlangt seine Verurteilung und sei es der Tod.

01.06.1934 Einzug ins eigene Heim. Momentan konnte es mir nicht gleich gefallen. War ja auch zu sehr abgespannt, wegen der vielen Arbeit und Sorgen , dass alles richtig ausgeführt ist. Nun nach einigen Tagen gefällt es mir schon besser. Unser Kirschgeschäft befindet sich wieder in Köstritz. Das Wetter ist wunderschön und die Ernte sehr gut. Herbert hat uns per Auto auf einige Stunden besucht. Die Freude war groß aber wieder schnell vorüber. Auch ist er seit 1. Juni als Oberwachtmeister angestellt, in Markranstedt. Soweit auch alles ganz gut. Unser erster Mieter ist Willy Abicht. Mitte August auch einige Sommergäste, aber es wird mir zu viel Arbeit, dass man bald keinen Spaß
mehr daran hat. Mit der Autostraße ist jetzt begonnen worden: das viele Holz geschlagen, wir fahren auch welches nachhause und wollen Umzäunung machen.

1935 die Mutter hat ja so weit alles vermerkt und ich werde nun weitere Aufzeichnungen machen. Das Dritte Reich war da, ich hatte kein Vertrauen.

1937 Herbert verheiratete sich, mit Anne Külmer aus Markranstedt.

1939 Bruder Richard in Köln gestorben, Bruder Albin, Schwester Klara und ich fahre noch dort zum Begräbnis. Der Krieg bricht aus. Herbert und Anne haben Familienzuwachs, einen Sohn Frank und wir waren Oma und Opa geworden, aber nach einem Jahr verstarb der kleine Frank.

1942 Ilse verheiratet sich (Kriegstrauung) mit Hermann Hillebrand aus dem Sudetengau.

1943 zweimal werden wir gleich Oma und Opa: - am 9. Mai wird Bernd geboren in Leipzig und am 28. Dezember kommt Uta zur Welt.

1944 Herbert wird zum Kriegsdienst eingezogen er war bis jetzt immer zurückgestellt worden.

1945 der schreckliche Krieg ist zu Ende, ohne Frieden. Kurz vor Kriegsende (März 1945) Herbert kommt und Horst auf Besuch für ein paar Stunden mit Motorrad. In den Augenblick, wo er fortfahren will, kommt ein großer Omnibus und die Ecke und wer sitzt drin, Hermann! Ist auf der Fahrt nach Holland die Freude war groß, wenn es auch nur Stunden waren. Während des Krieges war Not groß, aber jetzt nach dem verlorenen Krieg war es ganz schlimm. Lebensmittel und Bedarfsartikel waren restlos
aufgebraucht, viel Hunger. Alle Sparguthaben wurden eingefroren und kein Sparer konnte mehr darüber verfügen. Herbert in amerikanischer Gefangenschaft, aber nach kurzer Zeit entlassen und fährt erst nach Wuppertal zu meinen Bruder Louis. Hermann auch in amerikanischer Gefangenschaft. Deutschland ist in Ost- und Westzonen aufgeteilt und ganz mit Besatzungstruppen belegt. Wir sind von den Russen besetzt. Will nun den Krieg verlassen und mich mehr in das familiärer begeben. Die Mutter ist leidend gewordenen, das macht wohl die schwere Zeit und die Sorge um ihre Kinder. Das Laufen und ihre hauswirtschaftliche Arbeit fällt ihr schwer und hat auch noch die Garten- und Feldarbeit. Sie ist Herzleidend. Hermann seine Eltern werden ausgewiesen, kommen zu uns und wohnen mit in unserem Haus.

1946 Hermann kommt aus der Gefangenschaft, mit einem schweren Herzleiden und arbeitet als Kraftfahrer in den Holzbauwerken.

1948 das Geld wird 10 zu 1 eingetauscht (für 1 DM und 10 Pfennige auch das Sparguthaben). Noch mal von vorne anfangen.

1949 Elke kommt zur Welt am 12. Juni. Am 6. Juli erhielt ich die Nachricht, ich war in den Kirschen, dass unser Hermann ganz plötzlich an Herzschlag verstorben ist. Ich fahre gleich nachhause und ehe ich ankomme, fährt schon der Leichenwagen mit Hermann bei uns un die Ecke. Ich schreibe das, weil ich es in den 12 Nächten geträumt hatte: ich komme von oben runter, da sehe ich gerade wie der Leichenwagen bei Grunerts um die Ecke fährt, da wurde ich munter. Habe mir das gut gemerkt, es war unter 7. Nacht. Es waren aufregende Tage, Hermann war nicht in der Kirche, es fand sich niemand der eine Grabrede halten wollte, zuletzt hat der Fahrer noch eine gehalten, aber nur für die
Hinterbliebenen, Hermann wurde nicht erwähnt und durfte auch nicht in der Leichenhalle aufgestellt werden. Da habe ich am Grabe eine kurze Ansprache gehalten. Er war für uns ein guter Schwiegersohn mit edlem Charakter, dass ging immer Vater, Mutter hinten und vorn, er lebte nur für seine Familie. Schwager Walter, Ida ihr Mann in Leipzig gestorben.
Anna und Bernd ziehen nach Wuppertal zu Herbert.

1951 ich hatte Goldene Konfirmation, es war sehr schönen seine Schulfreunde und Freundinnen nach 50 Jahren einmal wieder zu sehen.

1953 Klara hatte Goldene Konfirmation, wurde im Rathaus gefeiert. Klara fährt nach Wuppertal zu Herbert, wir sehen wie sie sich eingerichtet haben, wohnen vorläufig bei Ludwig.

1954 im Februar besuche ich Herbert, trotz der Jahreszeit war es sehr schönen. Habe die ganze Verwandtschaft gesucht. Udo Ludwig hat mich überall hingefahren, zuerst zum Rhein, Düsseldorf, Köln und Förderrath.

1957 wir feiern meinen 70. Geburtstag. Für Herbert beantragte ich Aufenthaltsgenehmigungen nach ihrer, Boote abgelehnt, weil er wieder bei der Polizei ist. Schwager Powell, Frieda ihr Mann, in Leipzig gestorben.

1958 ganz ist auf Besuch da. Klara hat 70. Geburtstag, sie ist aber noch leidender geworden, hat immer noch hohen Blutdruck und Zucker, das macht ihr schwer zu schaffen.
Unser Grundstück wird als Baugelände uns enteignet - über 5000 Quadratmeter.

1958 Obstbäume und Einzäunung mit Betonsäulen, alles war umsonst, es sollte mal unsere zusätzliche Rente werden. Alles was wir an den Jahren aufgebaut hatten durch Arbeit und Mühe hat der Staat uns vernichtet. Es hat mir eine Überwindung gekostet, weil ich mit Leib und Seele an dem Grund und Boden hingen, trotz der vielen Arbeit es in Ordnung zu halten, hat es mir Spaß gemacht, es war eine innere Befriedigung. Aus diesem Grund habe ich meinen Beruf eingestellt. Herbert hat sich inzwischen ein eigenes Heym gebaut, Sauerbruch Str. 16, Elberfeld.

1959 Klara treibt wir wollen noch mal zu Herbert, sie meint, das ist das letzte Mal. Ich reiche ein und bekommen nur für mich den Pass mit der Begründung es darf nur eine Person reisen. Für meinen Teil lehne ich den Pass ab, zu Gunsten Klaras. Als ich ihr das sagte, der müsste eben allein reisen, wo sie ganz niedergeschlagen und ich sehe sie heute noch dasitzen, weinte und sagte: ich möchte doch noch mal mit dir verreisen, es ist doch das letzte Mal. Die Polizei hatte mir gesagt, montagabends sechs Uhr bringen wir den Pass mit für Ihre Frau und sie müssen ihren zurückgeben, wir hatten Herbert schön benachrichtigt, dass wir Dienstagabend eintreffen. Ich war am Bahnhof Klara ihr beißt kam mit. Der Beamte sagte kommen Sie mit aufs Rathaus. Die erste Frage war wie wollen Sie nun das machen, ich sagte: da muss ich meine Frau nach Erfurt begleiten und dann übergebe ich Sie den Roten Kreuz. Er sagte darauf: wenn sie bestimmt wiederkommen erhalten Sie ihren Pass. Dann sind wir Dienstagfrüh den 28.04. losgefahren. Klara lebte richtig auf, trotz ihres Leiden und wir haben noch paar schöne Tage zusammen verleben können, die Freude war groß. Wir sind dann Mitte Mai wieder zurück und ich bin dann noch mal in die Kirschen nach Hartmannsdorf. Hartobst habe ich nicht wieder gemacht und war dann die Zeit von Mitte Juli ab zuhause. Der Mutter ihr Leiden wurde immer schlimmer, nicht bettlägerig, aber die Füße, das Laufen fiel ihr immer schwerer. Weihnachten haben wir noch ganz schön gefeiert.

1960 Das neue Jahr haben wir zuhause verlebt. Die Mutter wurde immerhin Verleger und im Februar musste sie sich legen und es war ganz schlimm. Sonntag habe ich den Arzt angerufen, er stellte Lungenentzündung fest, sofort ins Krankenhaus, da haben wir die Mutter noch Sonntag nachts gegen 11 Uhr nach Gera geschafft (14.02.1960). Das war so schlimm, ich dachte sie schläft mir wohl ein. Sie wurde gleich untersucht und als ich von ihr Abschied nahmen, sah sie sehr gut aus, ich sagte noch zu ihrer du siehst gut aus und es freute sie, aber die Ärztin sagte mir draußen mit Ihrer Frau stets nicht gut. Nach fünf Wochen habe ich sie wieder geholt. Waren bei Paula eingekehrt, nun war
sie wieder zuhause, machen könnte sie nichts, aber kommandieren. Mit der Zeit merkte ich das Gedächtnis lässt nach und die Sprache. Es wurde immer schlimmer, der Arzt wusste keine Raten mehr und hat sie dann am 17. Juni nach Jena in die Frauenklinik gebracht. Bei der Aufnahme wurden ihre Hoffnung gemacht, ich musste alles berichten, weil die Mutter nicht mehr Rede und Antwort geben konnte. Habe sie jede Woche zweimal besucht. Sie war nicht bettlägerig hatte sich schön fertig gemacht und ich hatte auch Hoffnung auf Besserung. Hab sie immer getröstet die Hauptsache ist, dass es nicht schlimmer wird. Einen Sonntag, wo ich sie wieder besuchte, lag sie im Bett ich sagte gleich zu ihr, na was ist denn da los. Sie verstand mich wohl, konnte aber in Worten nicht antworten und das sah ich wie der Mund etwas schief war, das sagte die Frau und die mit im Zimmer lag, Ihre Frau ist am Freitag umgefallen. Bin dann gleich zum Doktor, ja sie hatte einen leichten Schlag gehabt. Es wurden nicht besser und am 25. Juli erklärte mir der Arzt, Ihre Frau wird morgen den 26. Juli entlassen, mit der Begründung wir können nichts mehr machen. Sie unterschrieben den Antrag in ein Pflegeheim, Sie können Ihre Frau in ihrem Alter nicht pflegen, das kann sich wiederholen, habe den Antrag nicht unterschrieben und am anderen Tag entließen sie die Mutter. Nun war sie wieder zuhause und freute sich, aber mit ihrer Krankheit wurde es nicht besser, die Sprache ließ immer mehr nach und auf der einen Seite war sie wie gelähmt. Ich kann die traurige Zeit nicht schildern, es fällt mir zu schwer. Sie hat bis zum Schluss alles mit Geduld ertragen und ist am 1.11.1960, morgens gegen 1 Uhr, eingeschlafen. Während ihrer Krankheit, als es schlimmer wurde, war ihre Schwester Ida hier und hat sie gepflegt. Berndt war im August dazu Besuch, aber Herbert wurde nicht nach hier gelassen. Am 5.11.1960 haben wir sie zur letzten Ruhe gebettet. Herbert war drei Tage auf Urlaub zum Begräbnis hier, hatte aber die Mutter nur noch tot sehen können. Es war nun sehr einsam, wenn man in dieser Jahreszeit allein in seinen vier Wänden ist, man kommt sich vor wie ein Löwe in seinem Käfig. Dieser hat mir essen mitgekocht, das waren nichts für die Dauer, denn sie müsste ja ihrer Arbeit nachgehen. Ich schrieb Schwägerin Ida, sie möchte doch vor Weihnachten nach hier kommen um nach den Rechten zu sehen und sie hat dann die Feiertage und
das Neujahr bei uns verlebt.

1961 nach Neujahr fuhr sie wieder ab und ich war wieder allein. Anfang Februar bin ich dann kurz entschlossen nach Leipzig gefahren und habe Ida besucht. Ich habe ihr meine Lage geschildert und wir sind übereingekommen, dass sie nach Hermsdorf kommt. Am 05.03. kam sie dann mit ihren Möbeln hier an, es war ein großer Umzug für Ida und auch für mich. Arbeit hatten wir gleich genug, aber wir haben alles in Ruhe bewältigt und ich war nicht mehr allein und hatte wieder ein geordnetes Leben. Habe Ida meine ganze Rente gegeben und sie hat mir meinen Haushalt geführt. Einkellerungskartoffeln und Kohlen haben wir gemeinschaftlich etwas bezahlt. Alles andere habe ich beglichen von meinen Zinsen und sonstigen Einnahmen. Laut Testament habe ich die da die Wohnung so lange wie sie lebt ausgemacht. Wir waren dann zu Friedas Geburtstag ein paar Tage in
Leipzig. Kirschenzeit habe ich noch mal mit Traugott mitgemacht, aber leider starb Traugott am letzten Tag an Herzschlag in der Kirschenbude.

1962 nun ist wieder ein Jahr vergangen, bis jetzt haben wir ein friedliches, gutes, harmonisches Leben miteinander geführt und mein größter Wunsch ist es, dass es immer so bleibt. Wir feierten am 03.04.1962 meinen 75. Geburtstag und waren alle noch wohl auf dabei. Ida klagte über Schmerzen am Blinddarm und musste am 17.04.1962 ins Krankenhaus, am siebenundzwanzigsten wurde sie entlassen. Wir hatten uns sehr gefreut auf Herbert seine silberne Hochzeit, habe etliche Male bei der Behörde vorgesprochen. Seit dem 13.08.1961 darf kein Mensch mehr seinen näheren Verwandten besuchen. Ida klagte wieder über Schmerzen und am 17.05.1962 musste sie wieder ins Krankenhaus und ich war wieder allein. Am 29.05.1962 wurde Ida an verkappseltenen Blinddarm operiert, Mittwoch war Ilse bei ihrer und sie hatte die Operation gut überstanden. Himmelfahrt - 31. Mai - war ich bei ihr, Ida fühlte sich wohl und war froh, dass sie es überstanden hatte. Es eiterte, und sie hatte einen Schlauch in der Wunde. Am 2. Juni war ich wieder bei ihr, sie fühlte sich sehr wohl, es eiterte stärker und sie hatte zwei Schläuche in der Wunde. Ich war im März gute zwei Stunden bei meiner Guten, 36 Grad Temperatur und Puls 84. nach 16 Uhr musste ich sie verlassen, freudig winkte sie mir noch einen lächelnden Blick nach und das Alter des Netzes seien, ich kann es nicht fassen!

03.06.1962 Sonntag früh sollte ich ans Telefon kommen und erhielt die traurige Nachricht, dass Ida durch einen Lungenschlag 10 Minuten nach Mitternacht verstorben ist. Der erträgt ist sie am siebenten Juni mit allen Ehren in meine Grabstätte, neben der Mutter, wie wir als uns gesprochen hatten. Ich kann es noch nicht fassen, denn wir hatten es uns anders besprochen, Ida sollte nicht überleben, denn sie war auch noch sehr rüstig und fühlte sich glücklich bei mir. Es war eine schöne Zeit, aber zu kurz, desto größer war der Schmerz für mich, ich leide sehr darunter.

1963 das waren drei schwere Jahre, 60 unserer Mutter, 61 Traugott und 62 Ida. Das waren die drei geliebten Menschen mit denen ich Freud und Leid die vielen Jahre geteilt habe. Dieser hat nun meinen Haushalt übernommen ich gebe ihr monatlich 100 Mark, wohnt mietfrei, Grundsteuern, Kohlen und Kartoffeln bezahle ich selber. Bis jetzt kommen wir gut aus und ich hoffe das es so bleibt. Am 28. Dezember bin ich gestürzt, auf die rechte Schulter, bin geröntgt worden, gebrochen war nichts, ein Fleischriss innerlich und Gelenkkugel beschädigt, habe viel Schmerzen.

1964 die Schulter ist so langsam wieder in Ordnung. Elke hatte Konfirmation und gleichzeitig hatte Ilse geheiratet, gefeiert wurde im Rasthof. Emma und Gustav hatten im August Goldene Hochzeit. Im November war ich vier Wochen bei Herbert und Bruder Ludwig in Wuppertal zu Besuch, auch in Köln war ich, es waren schöne Tage.

Das war das Leben meiner geliebten Eltern. Vater verstarb am 29.08.1965. Er hatte einen Harnausgang bekommen. Ich habe mich bis zu seinen letzten Minuten mit ihm wunderbar verstanden und unterhalten können.

 
Nachtrag zum Bruder Albin Steingrüber - siehe hier