„Beber“ und „Mutz“ auch im Rasthof

 
Der Menschenschlag der Holzländer ist für seine derben Späße bekannt. Besonders unsere Vorfahren, deren Freizeit sich noch viel in Gaststätten abspielte, hatten da einiges auf Lager. Auf einer Speisekarte für das Herbstfest im Jahr 1953 findet sich diese Abbildung wieder.
Vom Beberfang zurück
Als Bildunterschrift ist zu lesen: „Vam Beberfang zärücke“.

Was bedeutet nun „Vom Beberfang zurück“?

„Wissenschaftlich“ gesehen könnte sich das Wort Beber von bechern, dudeln, einheizen, hinuntergießen, hinunterkippen, hinunterschütten, hinunterspülen, hinunterstürzen, hinuntertrinken, kippen, kneipen, kübeln, kümmeln, nippen, zechen ableiten.

Ob die Holzländer das Wort „Beber“ tatsächlich vom Synonym „bechern“ abgeleitet haben wäre möglich, ist aber nicht belegbar. Mit Beber bezeichnen die Holzländer ein (imaginäres) Tier, das in den Wäldern und Feldern des Holzlandes vorkommt. Es handelt sich um einen Artverwandten des „Mutz“.
Aus Überlieferungen alter Holzländer, die diese Erzählungen an ihre Kinder weitergegeben haben, gibt es folgenden Bericht zur Beberjagt:

Kam ein Fremder in eine Holzländergaststube, so wurde er nach einigen Tassen Rumkaffee schnell als neues Opfer herausgefunden. Man erklärte dem Ahnungslosen, dass der Beber nur hier in unserer Gegend zuhause ist. Es handele sich um ein haariges Tier, einer Kreuzung zwischen Hase und Wildsau. Man erklärte dem Opfer widerwillig und erst nachdem er sich die Beschreibung mit einigen weiteren Tassen Rumkaffees „erkauft“ hatte, den Jagdablauf. Schließlich wurde er dann zur Jagd selbst eingeladen. Erste Bedingung für die Jagd war, dass diese (fast) nur im Winter stattfinden konnte. Bei minus 15 Grad wären die Aussichten die besten. Als nächste Bedingung musste der Eingeladene frische Brötchen beim Bäcker kaufen, weil der Beber von deren Duft angelockt würde. Die Jagd erfolgte als Treibjagd. Man führte den Neuling an einen alten Fuchs- oder Hausenbau. Er bekam als neuer Beberfänger die Ehre, den Sack mit den frischen Brötchen vor das Loch des Baues zu halten. Die „Treiber“ begannen nun ihrerseits die Jagd, indem sie sich lautstark, Knüppel schwingend und gegen die Bäume schlagend, vom Bau entfernten. Diese Treibjagd hatte nur ein Ziel, eine Gastwirtschaft. Dort harrte man aus, wie lange es dauerte, bis das Opfer bemerkt hatte, dass er verladen wurde. Bei einigen soll dies Stunden gedauert haben.

Der Artverwandte des „Bebers“ ist der „Mutz“. In unmittelbarer Nachbarschaft von Hermsdorf, in Kraftsdorf, wurde dem Mutz ein Museum gewidmet. Hermsdorf und Kraftsdorf haben ein gleiches Schicksal und wurden 1256 an das Kloster zu Lausnitz verschenkt, begingen also 2006 beide das 750 jährige Jubiläum der Ersterwähnung.


Die Definition für den "Mutz" lautet: Eierlegendes Wollmilchschwein. Im Kraftsdorfer Museum hat auch der Beber einen Platz gefunden. Die Mutzjagd wird in Kraftsdorf als Fest zelebriert und mit Hingabe bei Vereinsfesten, Klassentreffen und Ähnlichen als „Lehrveranstaltung“ an alle Ahnungslosen vermittelt. Die Mutzjagd ist aufwendiger als die Berberjagd, da der Mutz unter Strom steht und besondere Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind. Der Mutz wird letztlich mit einer Zwillingsgabel erstochen, die auf Anordnung des Tierschutzbundes gepolstert sein muss, damit es nicht wehtut. Weiteres kann man bei einem Besuch im Mutzmuseum Kraftsdorf erfahren.



Anders als beim Beber lässt sich der Ursprung des Mutz aber nachweisen. Geschichtlich gesehn ist Mutz (Mutzbraten) keine Erfindung unserer Zeit. In einem Protokollbuch des Hermsdorfer Gemeinderates von 1891 - 1904, auf der Seite 79, ist folgender Eintrag unter Punkt 2 am 11.05.1894 zu lesen

 
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Die Übertragung lautet:

2. In herkömmlicher Weise und nach alter Sitte ist wie anderen Törfern des Holzlandes am 3. Pfingstfeiertag von der Gemeinde ein Pfingstbaum gesetzt worden alljährlich wozu von der Gemeinde ein Tanzvergnügen ausgerichtet worden ist. In den letzten Jahren ist dieses Baumaufrichten von der Burschenschaft, im vorigen Jahr aber von einer Anzahl Männer mit Genehmigung des Gemeinderaths ausgeführt, den Geschäftsüberschuß an sich genommen und wirklich verlebt. Dieser getriebene Unfug sollte nicht mehr stattfinden, sondern soll der ganzen Gemeinde überlassen bleiben, zumal noch Schulden vom Kriegerdenkmal zu tilgen sind, wozu wie im Gemeinderath einstimmig beschlossen worden, der etwaige Geschäftsrabatt genommen werden soll, der Mutzertrag soll seiner Zeit bekannt gegeben werden, dabey wurde der Wunsch ausgesprochen, daß auch der vorjährige Überschuß mit eingezahlt werden möchte darauf für zurückwirkend beschlossen worden ist.

Die Burschen der Maibaumgesellschaft hatten damals den Gewinn (Steuer) nicht abgeführt. Der Mutzertrag war Gewinn aus dem Verkauf von gebratenem oder gegrilltem Schweinefleisch. Für den Verkauf musste von der zuständigen Stelle (Gemeinde) eine Lizenz beantrag und erworben werden. Der Gewinn war nach Gemeindebeschluss an diese abzuliefern.

Aus dem Begriff Mutzertrag entwickelte sich im Volksmund der Begriff Mutzbraten, wobei sich der inhaltliche Sinn von Mutz als Gewinn, zu Mutz für Schwein wandelte. In der weiteren Geschichte wurde dann aus dem Mutz ein "besonderes (Fabel-) Tier", ähnlich dem „Beber“ oder "Rasselbock" im Jägerlatein.

Mutzbraten ist inzwischen weit über Thüringen hinaus bekannt geworden. Um die „Rechte“, des Erfinders, stritten sich die Regionen um Schmölln, Altenburg und das Holzland. Dies dürfte sich mit obigem Archivfund aber erledigt haben, da kein älteres Dokument bekannt ist, in dem es um Mutz geht.
 
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Der Präsident des Vereins Freier Mutzfänger u. V. (unnützer Verein)
Jochen Viererbe bei einer „Lehrunterweisung“, anlässlich eines

Klassentreffens auf dem Rasthof Hermsdorfer Kreuz.

 

Aus „Holzlandvolk Mundartliches aus dem Altenburger Holzland“

von Hermann Patzschke, Grafik Carl Vetter.

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