Die Hermsdorfer Holzkohlenbrenner brannten bzw. vermeilerten entweder ihr eigenes Holz, oder sie waren Bedienstete der Herrschaft, also der Forstverwaltung. Sie waren die eigentlichen Vasallen des Waldes und führten ein Leben, das sich nur wenig von dem Leben der Pioniere in den Urwäldern Nordamerikas unterschied. Drei Viertel des Jahres hausten sie im Walde und kamen monatelang nicht nach Hause. Waren die Meiler in Brand gesetzt, konnten sie den Platz nicht mehr verlassen. Der Meiler erforderte ihre ständige Aufmerksamkeit bei Tag und Nacht. Neben dem Ort, wo der Meiler brennen sollte, bauten die Köhler sich eine kleine Hütte aus Ästen, bedeckten sie mit Fichtenrinde und bekleideten innen die Wände mit Moos. In der Hütte wurden einige Steine aufgerichtet, die als Herd dienten, darüber die Dachöffnung, aus welcher der blaue Rauch des Kohlenfeuers lustig ins Freie zog. Die offene Tür diente als Fenster. Ein äußerlich frei erscheinendes, aber sehr hartes Leben mitten in der schönen Natur, so geführt, um den Lebensunterhalt zu sichern.
Weit mehr Sorgfalt, Nachdenken und Kunstfertigkeit, als der Bau der einfachen Hütte, erforderte der Aufbau des Meilers. Zunächst wurde ein passender Ort gesucht, der günstig für die Anfuhr des Holzes, aber gleichermaßen günstig für die Abfuhr der fertigen. Holzkohle liegen musste. Das angefahrene Holz wird in große Scheite gespalten, die dann kreisrund um einen mit Stroh umwickelten Pfahl kunstvoll gesetzt werden. Das Wichtigste und Schwierigste beim Aufsetzen eines Meilers war das Aussparen der Luftkanäle zum Regulieren des Brandes. War der Meiler angebrannt, musste er Tag und Nacht beobachtet werden, denn er durfte nur rauchen, aber nicht offen brennen. Der Kohler kannte die Zeit des Brandes ganz genau, und wenn diese um war, wurde der Meiler aufgedeckt und ausgenommen. Die erzeugte Holzkohle wurde dann von den Fuhrleuten in großen Fudern abgefahren.
Wie wichtig diese Holzkohlenmeiler für die Hermsdorfer Bauern waren, ersehen wir aus der „Hölzerverlaagung“, die der Landrichter Schlichtekrull im Jahre 1654 in Hermsdorf vorgenommen hat. Während des dreißigjährigen Krieges waren die Marken und Grenzen der den Hermsdorfer Bauern gehörigen Waldstücke verwischt und teilweise verschwunden, und es war schwer zu entscheiden, was mein und dein war. Dadurch war unter den Hermsdorfer Bauern große Uneinigkeit entstanden. Nur eine Neuvermessung konnte Abhilfe schaffen. Sie begann mit den „Steinbergsgelängen“ am Schleifreisener Querweg (Zwergweg), welche sich in der Länge bis an die Reichenbacher Flur erstreckten. Dann wurden die „Hofgelängen“ abgegrenzt. Diese lagen hinter den Feldern und stießen an die Grenzwege. Zuletzt wurden die „Pechwiesengelänge“ vermessen oder, wie man seinerzeit schrieb, „verlaagt". Diese zogen sich von dem Querwege und längs des Herrschaftswaldes hin bis zum „Kochwinkel“. Der Landrichter hatte die Gelängen aber nur der Breite nach festgelegt und die weitere Vermessung einigen Hermsdorfer Bauern überlassen, denn er ahnte große Schwierigkeiten, die dann auch später tatsächlich eintraten. Es gab zahlreiche Beschwerden, die nun in langwierigen Verhandlungen und Besichtigungen geklärt werden mussten. Bei den Entscheidungen spielen die Holzkohlenmeiler eine große Rolle. So heißt es dort unter anderem: „Toffel Hopfe hat besser Holz bekommen, als er zuvor gehabt hat, deshalb gibt er Jobst Plötner einen Meiler zur Buße. Der Wirt gibt Hans Gäblern und Thomas Wötzeln 6 zehnklaftrige Meiler. Georg Plötner bekommt von Hans Wetzel einen elfklaftrigen Meiler“ usw. Die Hermsdorfer Bauern legten keinen entscheidenden Wert auf einen Ausgleich bei den Vermessungsstreitigkeiten in Geld, sondern sie wollten Holz für einem Meiler, da sie allesamt im Nebenberuf Köhler waren.
Neben dem Beruf als Köhler waren viele Hermsdorfer Bauern noch geschickte Handwerker. Sie fertigten Leitern, Latten, Pflockhölzer, Backmulden, Schindeln, Dachspane, Dachrinnen, Schubkarren, Schlitten und Bretter. Insbesondere das Herstellen der Bretter durch die Brettsäger und später das Herstellen von Leitern war ein Haupterwerbszweig der alten Hermsdorfer. Sie wurden schon sehr früh veranlasst, sich nach einer ergänzenden Erwerbsquelle umzusehen, da die Landwirtschaft nur geringen Ertrag brachte. Was lag näher, als in den umliegenden Wäldern eine neue Einnahmegrundlage zu suchen. Die Holzwarenhersteller wurden als „Schirrmacher“ bezeichnet. Schon in den alten Kirchenbüchern des 17. Jahrhunderts taucht dieser Begriff auf. Daneben allerdings später auch die Bezeichnung „Mollenmacher“ und „Leitermacher“. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass das Schirrmachergewerbe schon 1650 einen bedeutenden Umfang gehabt hatte, da in der Gemeindeordnung von 1655 für Hermsdorf sich allein vier Artikel mit dem Herstellen der Holzwaren befassen.
Die Kirche als zweite Säule des Lehnswesens hatten im Laufe von Jahrhunderten große Vermögen und Ländereien zusammengerafft, so dass ihr auch der größte Teil der ehedem den freien Bauern gehörenden Wälder zu Eigen war. Daher mussten die Hermsdorfer Bauern das für die Errichtung ihrer Wohnhäuser benötigte Bauholz dem „großen Kirchenholze“ gegen Zahlung eines „Anweisungsgeldes“ entnehmen. Darüber geben die Kirchenrechnungsbücher der Jahre 1588 - 1599 Aufschluss. Die Wohnhäuser fertigten die Hermsdorfer Bauern mit Hilfe der Zimmerleute. Aber auch die Röhrenmacher werden mit Namen erwähnt, und wie viel Stämme sie zum Fertigen der Röhren aus dem Kirchenholze erhielten. So erwarb 1588 Mathes Plötner 11 Röhrenstämme und gab für 1 Stuck 6 Groschen. 1589 konnte er aus einem Stamme, für den er 5 Groschen zahlte, 3 Rohren schneiden. 1599 legte der Verwalter von Naumburg 30 alte Schock Geld für 100 Röhrenstämme auf den Tisch, die er zur Naumburger Wasserleitung benötigte.
Als Lattenmacher werden in denselben Urkunden Elias Gabler, Jobst Wetzel, Matheas Hopfe und Hans Haase erwähnt. Der Letztere zahlte für 8 Stämme nur 16 Pfennig.
Mathes Wetzel fertigte Dachrinnen aus Holz an und bezahlte für 3 Stämme 6 Groschen. 1595 kaufte Mathes Plötner 8 Stämme für 2 alte Schock und 8 Groschen, die er zu Weinpfählen verarbeitete. Auch Jobst Wetzel spaltete solche Pfähle, um sie an Weinbauern im Saaletal und in der Gleisse zu veräußern. Begehrt waren auch Weinfasszapfen, die Hans Harnisch herstellte. 1595 benutzte Urban Gabler 20 Stämme und etwas später noch 9 Stück zu einem Mühlenbau. Am Raudenbach befand sich eine große Anzahl von Mühlen.
Die Schindelmacher allerdings erhielten gleich den Leitermachern ihr Holz nicht aus dem Kirchenholze, sondern aus dem Herrschaftswalde, weil sie besonders Tannen für ihre Erzeugnisse bevorzugten. Mit Holzschindeln wurden die Dächer zu jener Zeit gedeckt. Als dann gebrannte Ziegel dafür verwandt wurden, fertigten die Dachspänemacher dazu die Dachspäne.
Auch das Amtserbbuch von 1657 berichtet über die Berufstätigkeit der Hermsdorfer und bekundet, dass dieser Leute Nahrung mehren Teils auf Holzhandel und ähnliche Arbeiten beruhe, und dass auch Viehzucht und Brauerei den Einwohnern Unterhalt bringe. Eine Braupfanne befand sich in Klosterlausnitz (Dorfstatuten).
Im Jahre 1655, als das Amt Eisenberg die neue Gemeindeordnung über den Ablauf des Lebens in der Gemeinde bestätigte, muss das Schirrmachergewerbe in Hermsdorf schon einen gewissen Umfang gehabt haben. So heißt es in Artikel 40: „Diejenigen, so kein eigentümliches Geholze haben, sollen weder mit Latten, Leitern, Pflock Hölzern, Saukoben (Schweineställe) und dergleichen handeln. Sie haben dann jederzeit dem Amtsschulzen und Gemeinmeister angezeigt, wo und von woher sie das Holz dazu gekauft haben. Keinem auch zugelassen sein soll, Latten in Holzern auszuarbeiten.“ Dann wurde laut Artikel 41 verboten, dass die Einwohner diejenigen Holzwaren, welche sie aus fremdem Holze, also aus benachbarten adeligen oder Bauernholzern gefertigt haben, im Dorf Hermsdorf feilbieten, (Monopol des Waldbesitzers).
Wenn diese beiden Bestimmungen versuchen, die ordnungsmäßige Herstellung der Holzwaren zu regeln, so kommt in der Bestimmung des Artikel 41 der Wille zum Ausdruck, auch das Geschäftsgebaren des Einzelnen in die richtigen Bahnen zu lenken. Es heißt hier: „Soll kein Nachbar mit Willen und Mutwillen dem anderen seine Holzkaufleute abspannen, auch dem andern zum Trotz die Ware nicht geringer geben. Im verspürenden und überweisenden Fall soll er 5 Groschen Strafe zahlen.“
Gelegentlich eines Streites der Hermsdorfer Holzwarenhersteller mit Eisenberg erfahren wir, dass im Jahre 1789 die folgenden Holzwaren in Hermsdorf hergestellt werden: Bretter, Schindeln, Zimmermannsholz, Sprossen, Wagen, Karren, Leitern, Krippen, Raufen, Rechen, Schiebekarren, Radewellen, Schweineställe, Weinpfähle und dergleichen mehr.
Hier wird auch die Herstellung der Leitern erwähnt, die dann später Hermsdorf sein besonderes Gepräge aufgedrückt hatte. Nur mit der Hand- und Lattensäge, dem Schnitzmesser, dem Bohrer und dem Beil verfertigten sie die schönen schlanken Leitern. Gehen wir einmal 50 Jahre zurück und sehen einem Leitermacher bei seiner Arbeit zu. Zuerst wird der Stamm, der von den Waldarbeitern oft kilometerweit auf den Schultern aus dem Wald herausgeschleppt worden war, zugerichtet und mit einem scharfen Schnitzmesser die Rinde abgeschält und geglättet. Der Leitermacher trennt nun den Stamm und sägt ihn mit der Lattensäge auseinander in zwei gleiche Stücke. Mit dem Löffelbohrer bohrt er die Sprossenlöcher in die Holme. Nun können die Sprossen, mundartlich „Sprohlen" genannt, eingeschlagen werden, die während des Winters in der warmen Stube an der Schnitzbank zugerichtet worden, waren. Nachdem sämtliche Sprossen ihr Plätzchen gefunden hatten, wurde die Leiter im Takt mit Beilen fest zusammengeschlagen. Nach 8 Sprossen fügte der Leitermacher der Leiter eine breite Sprosse, eine so genannte Schwinge, bei. In Holm und Schwinge schlug man einen Holzstift, um der Leiter ein festes Gefüge zu geben. Nachdem die überstehenden Sprossenenden abgesägt, die Holme mit dem Schnitzmesser geglättet und die Füße zugerichtet waren, konnte die Leiter dem Händler zum Verkauf angeboten werden.
Im Frühjahr, nach Fastnacht, meistens im März, wurden die fertigen Erzeugnisse auf langen Leiterwagen verladen. Bis nach Hamburg, dem Rheinland, Bayern, ja sogar nach Osterreich, Ungarn und Polen zogen die Hermsdorfer Holzwarenhändler. In Hemdsärmeln und angetan mit der blauen Schürze zogen sie ihres Weges, ließen die Peitsche lustig knallen und riefen: „Lettern, Läte keeft Lettern“ und manch lustiger Jodler unterstrich noch den melodischen Ruf: „Lettern, Läte keeft Lettern“.
Bis in die 1890er Jahre vollzog sich in dieser althergebrachten Weise Herstellung und Absatz, bis der verbilligte Eisenbahntransport Wandel brachte, und die Leitern nunmehr waggonweise in die Absatzgebiete transportiert wurden.
Welche große Mengen an Leitern vom Bahnhof Hermsdorf-Klosterlausnitz im Jahre 1903 versandt wurden, bestätigt uns eine schriftliche Auskunft des Staatsassistenten C. Almstedt vom 08.05.1903. Er schreibt: ,,Im Februar dieses Jahres sind 72 Ladungen Leitern versandt worden. Durchschnittlich jeder Wagen. mit 200 bis 250 Zentner beladen, macht täglich durchschnittlich gegen 700 Zentner Leitern. Durchschnittlich gehen täglich 200 Zentner ab.“
Einen bedeutenden Aufschwung nahm die Hermsdorfer Leiterindustrie vor allem um 1890, als in Altenburg die erste Ausstellung von Gerüstleitern stattfand. Diese Gerüstleitern wurden entwickelt, damit Handwerker, insbesondere die Maler, sicher und bequem ihre Arbeiten an den Außenfronten der Häuser verrichten konnten. Das erste Leitergerüst soll 1887 in Gera aufgestellt worden sein. Die Erfindung neuer Holzbearbeitungsmaschine spielt bei der technischen Verbesserung der Herstellung der Leitern und der Gerüstleitern eine bedeutende Rolle. Es wäre auf die Dauer kaum möglich gewesen, ohne maschinelle Einrichtungen mit dem Bedarf Schritt zu halten, den die rasche Aufwärtsentwicklung allein des Bauhandwerks um die Jahrhundertwende mit sich brachte.
Um dem Bedarf der Industriebetriebe immer gerecht zu werden, wurden von den. Holzwarenherstellern, aber auch von den Holzwarenhändlern, besonders im Rheinland, Niederlagen errichtet, von denen aus sie dann ihre Leitern weiter verkauften. Rüstleitern sind von hier nach Paris, in die Schweiz, nach Wien und Palästina verfrachtet worden.
Nicht vergessen werden sollen die alten Hermsdorfer Brettschneider, die mit der Hand die Iangen Klötzer zu Brettern sägten. Dabei stand der Eine oben auf dem Klotz, und der Andere musste unterhalb des Klotzes die schwere Handsäge ziehen.
Amende charakterisierte 1902 die Holzländer mit den folgenden Worten: „Die Holzländer sind ein ganz charakteristischer Menschenschlag. Sie haben etwas Frisches und Urwüchsiges in ihrem Wesen, wie der Wald, in dem sie wohnen. Ihr Frohsinn tut sich kund im Gesange. Mit der Urwüchsigkeit ist eine gewisse Weltgewandtheit verbunden. Die meisten sind „draußen“ gewesen, sind weit umher gekommen und haben sich Sicherheit im Auftreten und jenes männliche Selbstbewusstsein angeeignet, das sie auch im Verkehr mit Höherstehenden nicht verlässt. Eire echter Holzländer lässt sich nicht verblüffen, und wer ihn betrügen will, muss früh aufstehen. Er ist mitteilsam, offenherzig und schlau zugleich. Vielen ist die köstliche Gabe des Mutterwitzes eigen, der mit schlagendem, oft freilich derbem Ausdruck den Nagel auf den Kopf trifft. Ihr witziges neckisches Wesen offenbart sich auch in den Spitznamen, die sie sich gegenseitig geben. Im alltäglichen Leben bedient man sich fast nur dieser Spitznamen, während der wirkliche Familienname nur in den Standesamtsregistern und in der Schule gebraucht wird.“ |